„Springende Gene“: Wie wird die Gefahr verringert?

Hilfe beim „Guerillakrieg“
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DNA beschützen
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Wissenschaftler haben im Tierversuch einen komplett neuen, bisher unbekannten Enzym-Typ entdeckt, der offenbar im Verteidigungssystem des Körpers gegen genomische Parasiten eine Schüsselrolle spielt.

Unsere Zellen werden ständig von Millionen fremder Eindringlinge wie Viren und Bakterien angegriffen. Um sich zu schützen, verfügt der Körper über ein Immunsystem. Unsere Zellen werden jedoch nicht nur von äußeren Feinden, sondern auch von innen heraus bedroht. Die Forschungsgruppen von Prof. Dr. René Ketting am Institut für Molekulare Biologie (IMB) in Mainz und Dr. Sebastian Falk an den Max Perutz Labs Vienna in Wien haben ein neues Enzym namens PUCH identifiziert, das eine Schlüsselrolle dabei spielt, die Ausbreitung von parasitärer DNA in unseren Genomen zu verhindern. Dies könnte auch zu neuen Erkenntnissen beitragen, wie unser Körper Bakterien und Viren erkennt und bekämpft, um so Infektionen vorzubeugen.

Transponierbare Elemente können gefährlich werden

45 Prozent unseres Genoms bestehen aus Tausenden von genomischen Parasiten – sich wiederholenden DNA-Sequenzen, die als transponierbare Elemente bezeichnet werden. Transponierbare Elemente sind in allen Organismen zu finden. Sie haben keine spezifische Funktion, können jedoch gefährlich werden. Transponierbare Elemente werden auch als „springende Gene“ (entdeckt von Barbara McClintock (1902–1992)) bezeichnet, weil sie sich selbst kopieren und in neue Stellen in unserer DNA einfügen können. Dies wiederum kann zu Mutationen führen, die zur Folge haben, dass unsere Zellen nicht mehr normal funktionieren oder kanzerogen werden. Daher befindet sich fast die Hälfte unseres Genoms in einem ständigen Guerillakrieg mit der anderen Hälfte: Transponierbare Elemente versuchen sich zu vermehren, während unsere Zellen versuchen, sie an der Ausbreitung zu hindern.

Wie bekämpfen unsere Zellen diese inneren Feinde?

Die Zellen haben ein Verteidigungssystem aus spezialisierten Proteinen entwickelt. Deren Aufgabe ist es, transponierbare Elemente zu jagen und ihre Vervielfältigung zu unterminieren. In einer neuen Publikation berichten René Ketting, Sebastian Falk und ihre Arbeitsgruppen über die Entdeckung von PUCH – ein komplett neuer, bisher unbekannter Enzym-Typ, der in diesem Verteidigungssystem eine Schüsselrolle spielt. Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass PUCH eine zentrale Aufgabe bei der Herstellung von kleinen Molekülen mit der Bezeichnung piRNAs einnimmt. Diese Moleküle entdecken transponierbare Elemente, wenn sie versuchen, an einen anderen Platz zu springen. Sie aktivieren dann das Verteidigungssystem, um sie zu stoppen, bevor sie sich an einer neuen Stelle unserer DNA einbauen können.

Schlafen-Proteine im Blick

Das neue Enzym PUCH wurde in den Zellen des Fadenwurms C. elegans entdeckt – ein Modellorganismus, der in der biologischen Forschung häufig genutzt wird. Die Erkenntnisse könnten aber auch einen Einblick geben, wie unser eigenes Immunsystem funktioniert. PUCH zeichnet sich durch eine einzigartige Molekülstruktur aus: die Schlafen-Falten. Enzyme mit Schlafen-Falten finden sich auch bei Mäusen und beim Menschen, wo ihnen offenbar eine Bedeutung für das angeborene Immunsystem zukommt. So können manche Schlafen-Proteine beim Menschen die Vermehrung von Viren eindämmen. Andererseits können auch einige Viren Schlafen-Proteine einsetzen, um das Verteidigungssystem der Zellen anzugreifen. René Ketting vermutet, dass Schlafen-Proteine eine breitere, im Verlauf der Evolution konservierte Rolle bei vielen Arten einnehmen könnten, auch beim Menschen.

Schlafen-Proteine als kombinierter Verteidigungsmechanismus?

„Schlafen-Proteine könnten eine bislang unbekannte molekulare Verbindung darstellen zwischen der Immunantwort von Säugetieren und den stark konservierten RNA-basierten Mechanismen, die transponierbare Elemente kontrollieren“, so Ketting. Falls das zuträfe, könnten Schlafen-Proteine einen kombinierten Verteidigungsmechanismus darstellen, der sowohl gegen externe Feinde wie Viren und Bakterien wirkt, als auch gegen interne wie transponierbare Elemente. Falk fügt hinzu: „Es ist möglich, dass Schlafen-Proteine umgewandelt wurden zu Enzymen, die Zellen vor infektiösen DNA-Sequenzen schützen, wie eben die transponierbaren Elemente. Diese Entdeckung könnte unser Verständnis des angeborenen Immunsystems tiefgreifend beeinflussen.“

Literatur:
Podvalnaya N, Bronkhorst AW, Lichtenberger R, et al.: piRNA processing by a trimeric Schlafen-domain nuclease. Nature (2023), DOI: doi.org/10.1038/s41586-023-06588-2.

Quelle: idw/Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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