Spender-T-Lymphozyten gegen humanes Polyomavirus 2

Fremde Immunzellen sollen gegen PML helfen
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Professorin Dr. Britta Eiz-Vesper und Professor Dr. Thomas Skripuletz
Setzen auf Abwehrzellen gegen die tödliche Hirninfektion PML: Professorin Dr. Britta Eiz-Vesper und Professor Dr. Thomas Skripuletz. © Karin Kaiser/MHH
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Eine klinische Studie soll den Beweis erbringen, dass eine neue Therapie mit gespendeten Abwehrzellen gegen das humane Polyomavirus 2 (JC-Virus) hilft. Damit könnte die tödlich verlaufende Erkrankung PML geheilt werden.

Das humane Polyomavirus 2 – früher bezeichnet als John-Cunningham-(JC-)Virus (benannt nach dem ersten Patienten, bei dem das JC-Virus 1971 erstmals isoliert wurde) – infiziert etwa 70 bis 90 Prozent aller Menschen weltweit, ohne dass die meisten es überhaupt bemerken. Doch einmal in den Körper gelangt, schlummert das Erbgut des Erregers dort weiter. Ist das Immunsystem durch eine schwere Erkrankung (z.B. HIV-Infektion) oder immunsuppressive Medikamente geschwächt oder stillgelegt, kann das Virus reaktiviert werden und vermehrt sich. Über das Blut kann es in das Zentralnervensystem einwandern. Dann besteht die Gefahr für eine progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML). Der Nachweis von Polyoma- (JC)-Virus-DNA im Liquor spricht für eine PML. Es handelt sich dabei um eine sehr schwere Infektion des Gehirns. Die Symptome sind dann Sprachstörungen, Halbseitenschwäche, Blindheit oder Sensibilitätsverlust.

Behandlung der PML mit neuen Abwehrzellen

Doch vor drei Jahren hat ein interdisziplinäres Team der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) einen bahnbrechenden Weg gefunden, die Ausbreitung des Virus aufzuhalten. Seitdem bietet die Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie eine Behandlung mit neuen Abwehrzellen an, die das Virus im Körper der Betroffenen zurückdrängen können. PML-Betroffene aus dem In- und Ausland werden seitdem an der MHH behandelt. Allerdings handelt es sich um Einzelfallentscheidungen für individuelle Heilversuche. Damit die Therapie als etablierte Methode künftig allen Patientinnen und Patienten zugänglich ist, soll nun eine multizentrische klinische Studie den neuen therapeutischen Ansatz unter Standardbedingungen überprüfen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Vorhaben für drei Jahre mit zunächst 1,7 Millionen Euro.

Aussetzen einer Immunsuppression keine Alternative

Bis zur Entwicklung der neuen Methode gab es nur eine Behandlungsoption für Patientinnen und Patienten, die immunsuppressive Medikamente einnahmen: Die Immunsuppressiva wurden abgesetzt. So bestand die Chance, dass sich die PML nicht weiterentwickelt und möglicherweise ausheilt. Das Aussetzen einer Immunsuppression ist aber häufig nicht möglich und kann etwa nach einer Transplantation zum Verlust des Spenderorgans führen.

JC-Virus direkt bekämpfen

„Jetzt haben wir zum ersten Mal einen Ansatz, das Virus ohne größere Nebenwirkungen direkt zu bekämpfen“, erklärt Professor Dr. Thomas Skripuletz, Oberarzt an der MHH-Klinik für Neurologie. Die Lösung liege im Blut gesunder Menschen, die zwar mit dem JC-Virus infiziert sind, jedoch nicht krank werden. Sie verfügen über passgenaue Abwehrzellen aus der Gruppe der weißen Blutkörperchen. Diese T-Lymphozyten erkennen den viralen Angreifer als körperfremd und leiten eine Immunantwort ein. Werden solche spezifischen T-Zellen in den Körper von PML-Betroffenen übertragen, sollen sie dort das Virus bekämpfen, und der Zustand der Patienten stabilisiere sich.

T-Zell-Spende-Register der MHH

„Das funktioniert allerdings nur dann ohne Probleme, wenn die Zellen der Spender die gleichen Gewebemerkmale haben wie die der Empfänger, also HLA-kompatibel sind“, erklärt Professorin Dr. Britta Eiz-Vesper, Immunologin am MHH-Institut für Transfusionsmedizin und Transplantat Engineering. Weil das Institut nicht nur einer der deutschlandweit führenden Hersteller für Virus-spezifische T-Zellen sei, sondern auch das einzige T-Zell-Spenderregister führe, könne die Wissenschaftlerin geeignete Personen für eine T-Zell-Spende schnell auffinden. „Wir registrieren bei unseren Blutspendern, die in das Register eingewilligt haben, nicht nur die HLA-Merkmale der Blutzellen, sondern bestimmen gleichzeitig die Anzahl spezifischer T-Zellen gegen unterschiedliche Viren“, sagt die Immunologin. So könnten wirksame und auch verträgliche T-Zellen von Spendern für eine Zelltherapie verwendet werden, die mit den potenziellen Empfängern nicht verwandt seien. Dafür werde das Spenderblut so bearbeitet, dass die gesuchten T-Zellen herausgefiltert werden. Dann könnten sie entweder direkt verabreicht oder für eine spätere Verwendung eingefroren werden.

Frühe Therapie, weniger Schäden am Gehirn

Einzigartig ist nicht nur das T-Zell-Spenderregister. Auch die Geschwindigkeit, mit der die passgenauen Abwehrzellen hergestellt werden, ist enorm. „Wenn wir einen passenden Spender gefunden haben, schaffen wir die Produktion quasi über Nacht, was für die Betroffenen ein echter Überlebensvorteil ist“, stellt Eiz-Vesper fest. Und je früher therapiert werden könne, desto geringer sei die Gefahr bleibender schwerer Schäden im Hirngewebe. Erbringt die klinische Studie nun den allgemeinen Wirknachweis der Behandlungsmethode, könnte aus der Einzelfall-Entscheidung eine für alle PML-Patienten zugelassene Therapie werden. Und das betreffe möglicherweise mehr Menschen als bisher angenommen. „PML steht vermutlich zu selten im Blick der behandelnden Ärztinnen und Ärzte, auch weil es bislang keine Heilungsmöglichkeit gab“, sagt Skripuletz. Zudem gebe es immer mehr immunsuppressive Behandlungen, was eine Hirninfektion durch das Virus begünstige. Und langfristig, so ist der Neurologe überzeugt, ließe sich das Therapieprinzip auch auf andere neurologische Viruserkrankungen ausweiten.

Breite Zusammenarbeit für die Studie

Die Studie wurde gemeinsam mit Professor Dr. Günter Höglinger beantragt. Sie wird koordiniert vom MHH-Zentrum für Klinische Studien (ZKS) und erfolgt in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der MHH aus der Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie, dem Institut für Transfusionsmedizin und Transplantat Engineering, dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie und dem Institut für Biometrie. Weiterhin beteiligt sind die Neurologischen Abteilungen der Unikliniken in Düsseldorf, Essen, Kiel, Köln und München.

Zusammenfassung:

  • Das humane Polyomavirus 2 (John-Cunningham-[JC-]Virus) kann bei Immungeschwächten progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) auslösen.
  • Das ist eine sehr schwere Infektion des Gehirns. Die Symptome sind dann Sprachstörungen, Halbseitenschwäche, Blindheit oder Sensibilitätsverlust.
  • Virus-DNA im Liquor spricht für eine PML.
  • Gespendete T-Lymphozyten können gegen das Virus eingesetzt werden.
  • Es gibt an der MHH ein T-Zell-Spenderegister.
  • Eine Studie soll die allgemeine Wirksamkeit der Therapie nun untersuchen.

 

Quelle: idw/MHH

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