Kritik an Entscheidung zu Cannabis

Stellungnahmen medizinischer Fachverbände
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Der Bundestag hat die kontrollierte Weitergabe von Cannabis zu Konsumzwecken beschlossen. Medizinische Fachverbände sind von der Entscheidung enttäuscht.

Der Bundestag hat am 23. Februar 2024 in abschließender Lesung die kontrollierte Weitergabe von Cannabis zu Konsumzwecken beschlossen. Damit wird der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen beziehungsweise Genossenschaften für Erwachsene erlaubt.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) kritisiert das Gesetz scharf. Ihre zentralen Punkte: die zu niedrige Altersgrenze, die zu hohen Mengen und die unzureichenden Mittel für Prävention und Forschung. Die Fachgesellschaft plädiert dafür, dass das Gesetz im Vermittlungsausschuss überarbeitet wird.

Zu niedrige Altersgrenze

„Mit 18 Jahren ist die Hirnentwicklung noch nicht abgeschlossen. Daher kann der Konsum von Cannabis bei Jugendlichen große Schäden anrichten, vor allem, wenn er regelmäßig ist“, erläutert die Psychiaterin Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, President Elect der DGPPN. „Die im Gesetz vorgesehene Altersgrenze ist deshalb deutlich zu niedrig.“ Die Fachgesellschaft plädiert daher nachdrücklich für eine Überarbeitung dieses Aspekts. Zudem betont sie, dass die vorgesehenen Mittel und Maßnahmen für die Prävention, die Behandlung und den Jugendschutz bei weitem nicht ausreichen.

Ebenso kritisiert die DGPPN die erlaubten Mengen. „50 Gramm Cannabis monatlich pro Person haben mit einem sogenannten Freizeitkonsum nichts mehr zu tun. Hier bewegt man sich klar im Bereich eines problematischen Konsums, der mit Abhängigkeiten und vielen weiteren psychischen Störungen einhergeht“, so Gouzoulis-Mayfrank.

Überarbeitung im Vermittlungsausschuss

Als medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft fordert die DGPPN darüber hinaus deutlich mehr Ressourcen zur Erforschung der Effekte der Teillegalisierung und kritisiert die geplante Begleitforschung als unzureichend. Die DGPPN plädiert daher eindringlich dafür, dass das Gesetz im Vermittlungsausschuss des Parlaments überarbeitet wird. Denn sollte das Gesetz in der jetzt verabschiedeten Form umgesetzt werden, befürchtet die psychiatrische Fachgesellschaft gravierende Konsequenzen – für Einrichtungen zur Behandlung von Suchterkrankungen ebenso wie für die psychische Gesundheit der Bevölkerung insgesamt.

Bereits im Dezember hatte die Bundesärztekammer gemeinsam mit einem breiten Bündnis von Fachverbänden aus dem Gesundheitswesen, der Pädagogik, der Justiz und dem Sicherheitsbereich alle Abgeordneten persönlich angeschrieben und nachdrücklich darum gebeten, diesem Gesetz nicht zuzustimmen. „Hier sind nicht nur die Fachpolitiker gefragt, sondern jedes einzelne Mitglied des Bundestages“, betonte der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. med. Klaus Reinhardt.

Gravierende gesundheitliche Schäden

Die Ziele des Gesetzes stünden im eklatanten Widerspruch zur internationalen Erkenntnislage. Durch die Freigabe werde eine Droge verharmlost, die nachgewiesenermaßen abhängig mache und zu schweren Entwicklungsschäden führen könne – gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Nicht nur in Deutschland lehnen Experten eine Freigabe ab. Auch der Ständige Ausschuss der Europäischen Ärzte (CPME) hat in einer jüngst vorgelegten Analyse die schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen einer Cannabislegalisierung betont. Die vorliegende wissenschaftliche Evidenz zeige, dass eine Legalisierung die gravierenden gesundheitlichen Schäden durch diese Droge weiter verschlimmern würde. Der Internationale Suchtstoffkontrollrat der Vereinten Nationen (INCB) warnt ebenfalls vor den Folgen einer Legalisierung von nichtmedizinischem Cannabis. Er verweist auf einen Anstieg cannabisbezogener Gesundheitsprobleme in Ländern, in denen der Cannabiskonsum freigegeben wurde. Die wissenschaftliche Erkenntnislage spreche klar gegen eine Freigabe.

Aufklärung und Prävention gefordert

Die Mehrheit der Eltern in Deutschland sieht die Legalisierungspläne ebenfalls kritisch, wie jüngst eine repräsentative Forsa-Umfrage gezeigt hat. So befürchten fast zwei Drittel der befragten Eltern, dass die Hemmschwelle Minderjähriger sinkt, wenn Kiffen für Erwachsene legal wird. Die Umfrage zeigt zudem, dass die Mehrheit der Eltern Bedenken bezüglich möglicher Gehirnschäden, psychischer Auffälligkeiten, Abhängigkeit und Leistungsabfall in der Schule hat, wenn ihre Kinder Cannabis konsumieren.

Statt einer Legalisierung fordert die Bundesärztekammer einen Ausbau der cannabisbezogenen Aufklärung und Prävention. „Wer junge Menschen vor den negativen Folgen des Cannabiskonsums schützen will, sollte sich auf die Entwicklung und Finanzierung von evidenzbasierten präventiven und intervenierenden Maßnahmen konzentrieren“, so Reinhardt.

Der Bundesrat wird das Cannabisgesetz am 22. März 2024 beraten. Das Cannabisgesetz soll am 1. April 2024 in Kraft treten. Das Inkrafttreten der Regelungen zu Anbauvereinigungen und zum gemeinschaftlichen Eigenanbau in Anbauvereinigungen ist in einer zweiten Stufe für den 1. Juli 2024 vorgesehen.

Weitere Informationen:

Quellen: BMG, BÄK, DGPPN

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