Hans Berger – Der Vater der Elektroenzephalographie (EEG)

Claudia Rössing
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Hans Berger wurde am 21. Mai 1873 in Neuses (bei Coburg) als Sohn des Arztes Paul Friedrich Berger (Direktor des Coburger Landeskrankenhauses) geboren.

Sein Großvater Friedrich Rückert war Dichter und Orientalist. 1892 legte Berger das Abitur am Gymnasium Casimirianum in Coburg ab, dabei bestand er alle Teile mit der Note „sehr gut“. Anschließend studierte Berger zunächst Mathematik und Astronomie in Berlin, nach einem Semester unterbrach er sein Studium für den Armeedienst. Anschließend wechselte Berger zum Medizinstudium.

In der Zeit seines Armeedienstes hatte Berger ein prägendes Erlebnis, das dazu beitrug, dass sich Berger später für die Psychiatrie und den Blick ins Fremdseelische entschieden hat. Berger selbst schreibt darüber: „Als 19-jähriger Student bin ich bei einer militärischen Übung in Würzburg schwer verunglückt und mit knapper Not einem sicheren Tode entgangen. Ich stürzte, auf dem schmalen Rand eines steilen Hohlweg reitend, mit dem sich aufbäumenden und sich überschlagenden Pferde in eine in der Tiefe des Hohlwegs fahrende Batterie und kam unter das Rad eines Geschützes zu liegen. Im letzten Augenblick hielt das mit sechs Pferden bespannte Geschütz an, und ich kam mit dem Schrecken davon. Dies hatte sich in den Vormittagsstunden eines schönen Frühlingstages zugetragen. Am Abend desselben Tages erhielt ich von meinem Vater eine telegraphische Anfrage, wie es mir gehe? Es war dies das erste und einzige Mal in meinem Leben, dass ich eine solche Anfrage erhielt. Meine älteste Schwester, mit der ich in besonders innigem geschwisterlichen Verkehr stand, hatte diese telegraphische Anfrage veranlasst, weil sie plötzlich meinen Eltern gegenüber behauptete, sie wisse bestimmt, dass mir ein Unglück zugestoßen sei. Meine Angehörigen lebten damals in Coburg. Das ist eine spontane Gedankenübertragung, bei der ich wohl im Augenblick der höchsten Gefahr, den sicheren Tod vor Augen, als Sender und die mir besonders nahe stehende Schwester als Empfängerin tätig war.“ Dieses Ereignis ordnete Berger in den Bereich der Telepathie ein und es hinterließ einen bleibenden Eindruck bei ihm. Sein Medizinstudium absolvierte Berger in verschiedenen Städten, zu denen Berlin, Jena (Mitglied der Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller), Würzburg und Kiel gehörten. Schließlich kam er 1896 erneut nach Jena, wo er auch promovierte. 1897 begann Berger seine ärztliche Tätigkeit als Assistent an der Psychiatrischen Klinik unter der Leitung von Otto Binswanger. Dort arbeitete er mit zwei bekannten Wissenschaftlern zusammen: Oskar Vogt und Korbinian Brodmann. Der für ihn zuständige Oberarzt zu jener Zeit war Theodor Ziehen. Privat heiratete Berger seine technische Assistentin Baroness Ursula von Bülow. 1901 erfolgte seine Habilitation mit einer Arbeit „Zur Lehre von der Blutzirkulation in der Schädelhöhle des Menschen, namentlich unter dem Einfluss von Medikamenten“. 1902 begann Berger mit seinen Experimenten an der Hirnrinde von Hunden und Katzen. Dabei suchte er nach Wegen zur Objektivierung der Beziehung zwischen Körper und Seele durch physikalische Methoden. 1906 qualifizierte er sich als leitender Hochschullehrer. 1912 wurde Berger Oberarzt in Jena. 1916 – 1918 diente Berger während des Ersten Weltkriegs in der deutschen Armee im medizinischen Dienst als Psychiater. 1919 wurde Berger Direktor der Psychiatrischen Klinik (als Nachfolger Binswangers). 1924 begann Berger mit der Entwicklung einer Methode zur Ableitung von „Hirnströmen“ am Menschen. Es bot sich ihm die Möglichkeit, bei einem Patienten durch eine Trepanationsstelle von der unversehrten Großhirnrinde elektrische Aktivität abzuleiten. Das erste Elektroenzephalogramm entstand am 6. Juli 1924 mit der Registrierung der ersten sicheren Ergebnisse durch Berger. Nach diesem Erfolg experimentierte er weiter, da er von Zweifeln erfüllt war. Berger begann wieder von Neuem und erst fünf Jahre später 1929 veröffentlichte er seine Entdeckung mit dem Titel „Über das Elektroenzephalogramm des Menschen“. Jedoch fand seine bahnbrechende Entdeckung viele Jahre keine Anwendung, sondern wurde in den deutschen medizinischen und wissenschaftlichen Kreisen mit Skepsis und Spott betrachtet. Der Amerikaner William Grey schrieb nach einem Besuch in Bergers EEG-Labor, dass Berger als Sonderling gelte und kaum Ansehen unter seinen Kollegen genieße. Weiter beschreibt Grey Hans Berger als bescheidene Person mit guter Laune und einer fatalen Schwäche, nämlich der völligen Unwissenheit über die technischen und physikalischen Grundlagen seiner Methode, da er nichts über Mechanik oder Strom wisse. 1927 – 1928 hatte Berger das Amt des Rektors der Jenaer Universität inne. Seine Rektoratsrede „Über die Lokalisation im Großhirn“ stellte eine Art wissenschaftliches Glaubensbekenntnis dar. 1934 stieß der englische Neurophysiologe Edgar Douglas Adrian auf die Arbeiten Bergers und erkannte die Tragweite von Bergers Entdeckung. Adrian gab daraufhin dem Alpha-Grundrhythmus der hirnelektrischen Tätigkeit beim Menschen den Namen Berger-Rhythmus. Infolge der Entdeckung Bergers Arbeit durch Adrian hatte 1938 die Elektroenzephalografie eine breite Anerkennung von bedeutenden Forschern und Wissenschaftlern gefunden und kam zur praktischen Anwendung in den Vereinigten Staaten, England und Frankreich. 1937 wurde Berger durch die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina geehrt. Diese Ehrung nahm Johann Kugler vor.

1938 erfolgte die Emeritierung Bergers, damit endete auch seine Tätigkeit als ärztlicher Beisitzer am Erbgesundheitsobergericht (EGOG) in Jena. Durch diese Tätigkeit wirkt er im nationalsozialistischen Deutschland an den Zwangssterilisationen mit. Es ist bekannt, dass Berger ebenfalls förderndes Mitglied der SS war. 1939 nach Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde ihm die Klinikleitung in Jena erneut kommissarisch übertragen. 1940 erfolgte die Nominierung Bergers zum Nobelpreis. Der Nobelpreis wurde jedoch in den Jahren 1940 – 1942 nicht verliehen. Die Vorschläge zur Nominierung zum Nobelpreis 1942 und 1947 wurden auf Grund seines Todes nicht mehr bewertet. 1941 bat der NS-Rassenhygieniker Karl Astel Hans Berger, erneut am EGOG tätig zu werden. Bergers Zusage am 4. März 1941 erfolgte mit den Worten: „Ich bin sehr gerne bereit, wieder als Beisitzer beim Erbgesundheitsobergericht in Jena mitzuwirken und danke Ihnen dafür.“ Zum Einsatz kam Berger hier jedoch nicht mehr. Zuletzt wohnte und arbeitete Berger als Leiter des Sanatoriums für Nervenkranke in Bad Blankenburg. Zu diesem Zeitpunkt litt Berger bereits unter klinischer Depression. Am 1. Juni 1941 nahm sich Berger im Alter von 68 Jahren im Südflügel II der Medizinischen Klinik in Jena durch Erhängen das Leben. Er wurde in Jena beerdigt.

Literatur
1. Wikipedia
2. www.cogbyte.de/project/Hans-Berger-Elektroenzephalo.2514.0.html
3. geboren.am/person/Hans_Berger
4. www.s9.com/Biography/Berger-Hans
5. www.uic.edu/depts/mcne/founders/page0008.html

Entnommen aus der MTA Dialog 9/2014

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