DGMP 2023: Interview mit den Tagungspräsidenten

Kongress zur Medizinphysik
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© Maksym Povozniuk/stock.adobe.com
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Vom 27. bis zum 30. September 2023 findet in Magdeburg der diesjährige DGMP Kongress statt. Was Sie erwartet, erläutern die Kongresspräsidenten.

Im Vorfeld des Kongresses geben die beiden Tagungspräsidenten Prof. Dr. rer. nat. Christoph Hoeschen, Institut für Medizintechnik, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, und Dr. rer. nat. Kerstin Jungnickel, Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie, Klinikum Magdeburg, erste Einblicke in Highlights, Schwerpunkte und neue technologische Trends.  

Der Kongress der DGMP in Magdeburg bietet neben einem aktuellen Überblick über neueste Forschungen in der Medizinischen Physik, ihre Auswirkungen und Anwendungen einen spannenden wissenschaftlichen Austausch auf hohem Niveau. Welche besonderen Akzente und Schwerpunkte haben Sie gesetzt?
Kerstin Jungnickel: Wir sind in den Tagungsthemen wieder breit aufgestellt. Es wird Vorträge zu allen Bereichen der Medizinischen Physik geben: Strahlentherapie, Nuklearmedizin, Audiologie, MRT und Röntgendiagnostik. Traditionell liegt der Schwerpunkt bei der DGMP eher im Bereich der Strahlentherapie. Weil wir als Tagungsleiter beide aus dem Bereich Röntgendiagnostik kommen, haben wir diesmal einen größeren Schwerpunkt auf die radiologische Bildgebung gelegt, sodass wir in diesem Jahr deutlich mehr Vorträge aus diesem Bereich haben.  

Christoph Hoeschen: Ja, genau. Wir haben den Fokus diesmal mehr auf Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin gelegt, natürlich aber auch auf die speziellen Schwerpunkte, die Magdeburg bietet. Kollegen von uns betreiben Ultrahochfeld-MRT, wir machen viel in Richtung molekularer Bildgebung und Diagnostik, wir haben hier auch eine Arbeitsgruppe zur Physik der Audiologie. Das Spektrum mit den besonderen Schwerpunkten, die wir eingebracht haben, ist breit. Wir forschen in der Medizinphysik, im Bereich interventionelle Radiologie, aber auch molekulare und nuklearmedizinische Bildgebung und neue Verfahren, um personalisierte Medizin zu verbessern. Die Medizinphysik ist insgesamt für die Patientenversorgung sehr breit aufgestellt. Radiologie und Strahlentherapie müssen nicht nur qualitätsgesichert sein, es gibt immer einen großen Bedarf an besserer Bildqualität mit weniger Strahlenexposition oder zielgerichteter Strahlentherapie. Das ist das, was uns in der Medizinphysik speziell interessiert.  
 
Kongress-Highlights sind aktuelle Themen aus Praxis und Forschung. Was sind neue Entwicklungen – wo liegen die Grenzen? Und was ist das Besondere der diesjährigen Tagung in Magdeburg mit Ihnen beiden als Kongresspräsidenten?  
Kerstin Jungnickel: Wir beide repräsentieren zwei verschiedene Pole, die universitäre Forschung und die Praxis. Es gibt viele Medizinphysiker/-innen, die nicht in der Forschung, sondern im Bereich der Kliniken und Praxen direkt am Patienten mit den Ärzten/Ärztinnen und MTR zusammen arbeiten. Die Jahrestagung dient auch der Fortbildung sowohl für die praktische Umsetzung des Strahlenschutzes, mit der wir täglich zu tun haben, als auch um zu zeigen, was an neuen Techniken möglich ist. Was besonders interessant ist im Bereich der Radiologie, ist seit einigen Jahren die Spektral-CT, eine neue Technik der Computertomografie mit speziellen Detektoren. Dazu haben wir z.B. eine eigene Sitzung mit Experten aus diesem Feld.  

Christoph Hoeschen: Auch wenn wir versuchen, die Grenzen im Rahmen der Physik immer weiter herauszuschieben – es gibt physikalische Grenzen. Am schönsten wäre es zum Beispiel ganz ohne Strahlung Computertomografien zu machen – aber dann bekommen wir im CT kein Bild. Selbst mit KI wird man das nicht schaffen. Wir selber machen auch viel zu künstlicher Intelligenz, wie viele Gruppen. Dies ist ein weiterer Schwerpunkt der Tagung. Bei diesem Thema ist jedoch die Qualitätssicherung auch besonders wichtig. Auch beim MRT gib es Grenzen. Wenn man die Magnetfelder zu stark macht, bekommen wir unter Umständen ungewollte Effekte auf den Körper. Es wird immer Grenzen geben, die müssen wir beachten, das ist ein wichtiger Punkt in der Medizinphysik. Wir haben unterschiedliche Verfahren, die sich weiterhin ergänzen werden. Zwar wurde viele Jahrzehnte lang gesagt, das MRT werde das CT ganz ablösen. Aber das wird nicht passieren aus meiner Sicht, weil die Informationen in gewisser Weise komplementär sind. Das CT ist zum Beispiel besonders schnell, braucht wenig Vorbereitung im Vergleich zum MRT. Wir bekommen sofort bestimmte Informationen über das, was ganz akut im Körper passiert, das man im MRT so schnell nicht sehen kann. Umgekehrt sieht man im MRT sehr gut Weichteilkontraste. Es gibt immer Weiterentwicklungen auf beiden Seiten. Deshalb ist es wichtig, dass die Medizinphysik das ganze Feld abdeckt.  

Kerstin Jungnickel: Technisch ist es so, dass man immer versucht, die Qualität der radiologischen Bilder zu verbessern. Dazu zwei Beispiele aus der Radiologie. Bei den neuen CTs wird versucht, die Auflösung zu erhöhen, also mit weniger Dosis, weniger Rauschen eine immer bessere Bildqualität zu bekommen. Das ist das, was wir uns wünschen und woran wir arbeiten. Schnelligkeit ist natürlich wunderbar, weil dann unerwünschte Effekte nicht mehr auftauchen, dass man zum Beispiel etwas „veratmet“. Auch das Herz schlägt nun einmal, das können wir nicht einfrieren. Deshalb müssen wir schnell sein, damit wir in der Aufnahme keine Artefakte bekommen. Nicht umsonst steht ein CT in jeder Notaufnahme. Das ist das Problem beim MRT, es ist immer langsamer im Vergleich zum CT. Aber es hat einen sehr guten Kontrast, die Bildqualität im Bereich der Weichteile, insbesondere im Gehirn, ist unüberbietbar. In der Strahlentherapie wiederum versuchen wir, so präzise wie möglich einen Tumor zu bestrahlen, während das restliche Gewebe soweit wie möglich geschont wird. Dazu gibt es immer neue Ansätze, um die es auch auf der Tagung gehen wird.  
 
Damit sind wir beim Thema personalisierte Medizin. Der fortschreitende Prozess qualitativ hochwertiger diagnostischer Verfahren und präziser, schonender und spezialisierter Therapie-Optionen wurde auf Grundlage der Medizinphysik ermöglicht. In welchen Bereichen werden neue Akzente gesetzt, neue Entwicklungen vorgestellt?  
Christoph Hoeschen: Da gibt es verschiedene technologische Ansätze, klassisches Stichwort ist gerade FLASH, eine sehr schnelle intensive Strahlentherapie. Ganz viel wird auch im Bereich Partikeltherapie gemacht. Ein Verfahren der Strahlentherapie, bei dem im Rahmen einer Krebsbehandlung der Tumor mit hochenergetischen positiven Ionen bestrahlt wird. Beides ist bei uns auf der Jahrestagung intensiv vertreten. Was aber auch passiert, ist so etwas wie eine Annäherung zwischen der Bildgebung und der Strahlentherapie. Tatsächlich wird gerade aufgrund der Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz versucht, Informationen aus der Bildgebung direkt zu übertragen und die Bestrahlung anzupassen. Wenn sich der Patient bewegt, wird das detektiert und das Bestrahlungsfeld angepasst. Oder man sieht, wie die Dosisverteilung gerade ist und kann gleichzeitig auch noch nachjustieren. Diese sogenannten adaptiven Strahlentherapieverfahren setzen sich immer mehr durch, verschiedene Kombinationen mit einem MRT- oder mit CT-Systemen. Die Implementierung dieser Verfahren und bestmögliche Anwendung erfährt durch KI möglicherweise einen bedeutenden Schub.

Kerstin Jungnickel: Im radiologischen Bereich ist die KI im Moment in aller Munde. Radiologen und Radiologinnen profitieren für die Befundung besonders von KI-Systemen, die Befunde sichtbar machen und darauf hinweisen: Das sieht aus wie ein Tumor, schau da nochmal genau hin. Für uns Medizinphysikerinnen und Medizinphysiker ist die KI zum Beispiel interessant, um beim CT die Bildrekonstruktion zu verbessern oder die Strahlendosis abzuschätzen.  

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Jungen Medizinphysik. Wie sind die Nachwuchswissenschaftler/-innen in den Kongress mit eingebunden? 
Christoph Hoeschen: Seit einigen Jahren ist die Junge Medizinphysik intensiv am Kongress beteiligt. Einige sind sehr aktiv, haben sich stark eingebunden und Fachvorträge und Sitzungen zusammengestellt. Diesmal haben wir auch gemeinsam etwas zur Qualifizierung und zum Eintritt in den Arbeitsmarkt organisiert. Neben einer Session mit Erfahrungsberichten gibt es diesmal auch Beiträge von Spezialisten und es werden individuelle Coachings angeboten. Außerdem gibt es einige Events im Programm, bei denen die Junge Medizinphysik mit Alteingesessenen unkompliziert in Kontakt kommen kann. Um junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu fördern, verleihen wir auch wieder den speziellen Nachwuchspreis, den Young Investigator Award.

Kerstin Jungnickel: Nachwuchs ist für uns sehr wichtig. Als Medizinphysikerinnen und Medizinphysiker in den Kliniken und Praxen sind wir im Moment „Goldstaub“. Wir sind einfach deutlich zu wenige, können uns vor Arbeit nicht retten. Wir brauchen unbedingt Nachwuchs, von daher sind wir sehr daran interessiert, die junge Medizinphysik zu fördern. Ich als Frau freue mich natürlich, wenn auch andere Frauen in diesen Bereich kommen! Das Interesse an diesem spannenden interdisziplinär ausgerichteten Beruf ist durchaus da. Mit dem Schülertag setzen wir auch beim jüngeren Nachwuchs an, dass naturwissenschaftlich Interessierte dabei sein können.  

Mit dem 7-Tesla-Connectome hat die Otto-von-Guericke-Universität nun den europaweit leistungsstärksten 7-Tesla Magnetresonanztomografen. Unter anderem damit ist Magdeburg führend im Bereich der Bildgebungsforschung und der stärkste Standort für bildgestützte Hirnforschung. Magdeburg hat ganz besondere und vielfältige Schwerpunkte für die vier Kongresstage der DGMP zu bieten…
Kerstin Jungnickel: Sowohl an der Universitätsklinik als auch am Klinikum Magdeburg bildet die interventionelle Radiologie und Neuroradiologie einen Schwerpunkt – also nicht nur die reine Bildgebung, wie man es aus jeder Röntgenpraxis kennt, sondern therapeutische Eingriffe unter radiologischer Bildsteuerung mittels Röntgenstrahlung, CT oder MRT. Ansonsten ist die Universitätsklinik mit verschiedenen Kooperationen verbandelt mit der Universität…  

Christoph Hoeschen: … wir haben in Magdeburg die ganze klinische Breite mit der Strahlentherapie, der Audiologie, Nuklearmedizin und der Radiologie mit sehr vielen Kooperationen zwischen Klinik und den technisch-physikalischen Forschungsbereichen. Da gibt es das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) mit dem Bildgebungsschwerpunkt, ein PET-MR und das Connectome, das ganz neue 7-Tesla-MRT. Das wird auch während der Tagung im Rahmen einer Führung besichtigt werden können. In dem sogenannten Forschungs-Campus („STIMULATE“) stehen hier noch einmal gespiegelt die Geräte, die in der Uniklinik in der Radiologie für die Intervention eingesetzt werden. Und dann haben wir auch noch den Schwerpunkt mit Entwicklungsaufgaben im Bereich Bildgebung/künstliche Intelligenz. Wir leiten ein Leuchtturmprojekt der Bundesregierung und entwickeln molekulare Bildgebung, damit sind wir auch europäisch unterwegs. Schwerpunkt ist die Bildgebung auf den verschiedensten Ebenen, mit den verschiedensten Playern. Tatsächlich ist Magdeburg im Bereich Bildgebung und deren Entwicklung ein absolutes Highlight!

Das Interview führte Kerstin Aldenhoff.

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