Colistin: Reserveantibiotikum in Gefahr?

Resistenzen bei Babys gefunden
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Bildschirm mit Anzeige Colistin
© MQ-Illustrations/stock.adobe.com
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Colistin ist oft das letzte Mittel, wenn es um Multiresistenzen geht. Doch nun beunruhigen veröffentlichte Funde von Resistenzen bei Babys in Nigeria.

Colistin ist ein Breitbandantibiotikum, eingesetzt als „letzter Ausweg“, wenn andere Antibiotika nicht mehr wirken. Es wird bei schweren Infektionen durch multiresistente gramnegative Bakterien verabreicht, wenn andere Therapien versagen. Entsprechend wird Colistin von der Weltgesundheitsorganisation als äußerst wichtig für die Humanmedizin eingestuft. Eine Studie hat nun Colistin-resistente Bakterien bei Babys im Alter von unter einer Woche in Nigeria entdeckt. Die Studie war das größte Screening von Darmmikrobiota auf Colistin-Resistenz in Nigeria und analysierte fast 5.000 Proben. Die Proben wurden bereits zwischen 2015 und 2017 gesammelt und somit noch zu einer Zeit, als die Verwendung von Colistin in dortigen Krankenhäusern eher begrenzt war. Dennoch haben Forscher des Ineos Oxford Institute for Antimicrobial Research (IOI) und der Cardiff University Hinweise darauf gefunden, dass im Jahr 2016 in drei Krankenhäusern in Nigeria bei Müttern und Neugeborenen Colistin-resistente Bakterien auftraten.

Einsatz in der Landwirtschaft

Trotz seiner entscheidenden Bedeutung für die menschliche Gesundheit wird es in der Tierzucht häufig eingesetzt. Im Jahr 2016 wurden mobile Colistin-Resistenzgene (mcr) in E. coli bei einem Schwein entdeckt, das auf einem Bauernhof in China zur Fleischgewinnung gezüchtet wurde. Dies führte zu einem Verbot der landwirtschaftlichen Nutzung von Colistin in China und anschließend in mehreren Ländern Europas. Daten aus der AMR-Überwachung deuten aber offensichtlich darauf hin, dass in Südostasien und einigen afrikanischen Ländern allerdings weiterhin größere Mengen an Colistin eingesetzt werden. Untersuchungen des IOI hätten ergeben, dass mehrere Industrieländer immer noch Colistin zur Verwendung in der Landwirtschaft in Länder wie Pakistan, Nigeria und Bangladesch exportieren.

Untersuchung von Darmmikrobiota von Müttern und Neugeborenen

In der veröffentlichten Studie untersuchten Forscher die Darmmikrobiota von Müttern und Neugeborenen auf das Vorhandensein von mcr-Genen. Die Wissenschaftler fanden eine große Vielfalt an mcr-Genen in den Proben sowie bei den Enterobacter-Arten, die mcr-Gene tragen (sowie vereinzelte Shigella, E. coli and Klebsiella quasipneumoniae). Diese Studie zeigt, dass nur zwei Jahre nach der Identifizierung von mcr-1 auf einer Schweinefarm in China vier separate mcr-Resistenzgene für Colistin bei afrikanischen Patienten vorhanden waren. Dr. Owen Spiller, Leiter der Medizinischen Mikrobiologie an der Universität Cardiff und leitender Autor des Artikels, betonte, dass strenge Vorschriften für die Verschreibung von Colistin an Patienten und ein weltweites Verbot seiner landwirtschaftlichen Verwendung gebraucht werde, um dieses wichtige Antibiotikum zu bewahren.

Verschärft sich das Problem?

Die Identifizierung verschiedener mcr-Gene bei Neugeborenen und Müttern sei besorgniserregend, da sie darauf hindeute, dass der Einsatz von Colistin in der Landwirtschaft im Gegensatz zu klinischen Umgebungen möglicherweise die Colistin-Resistenz in der lokalen Gemeinschaft aufrechterhalten habe, sagte Dr. Edward Portal, Postdoktorand am IOI und Co-Autor des Artikels. Vor acht Jahren wurden Proben von Müttern und ihren Babys entnommen, als die Verwendung von Colistin zur Behandlung menschlicher Infektionen noch nicht üblich war. Im Jahr 2024 wird Colistin zunehmend in medizinischen und landwirtschaftlichen Einrichtungen in ganz Afrika eingesetzt, da die Zahl multiresistenter Infektionen steigt, für die es keine alternativen Optionen gibt.

Mehr Daten benötigt

Dr Kenneth C. Iregbu, National Hospital Abuja und Co-Autor erläuterte, dass der Nachweis von Colistin-Resistenzgenen bei Neugeborenen in einem Krankenhaus, in dem Colistin sehr selten eingesetzt werde, darauf hindeute, dass antibiotikaresistente Bakterien von der Mutter auf das Kind übertragen werden. Die Ergebnisse dieser Studie seien besorgniserregend und unterstrichen die Notwendigkeit, den wahren Weg und Mechanismus des Erwerbs solcher Resistenzgene in einer solchen nicht exponierten Population zu verstehen. Es würden mehr Daten aus Afrika benötigt, um das Ausmaß der AMR zu verstehen und möglicherweise die Quellen resistenter Bakterien zu identifizieren, um eine bakterielle Übertragung sowohl in der Gemeinschaft als auch im klinischen Umfeld zu verhindern.

Literatur:
Portal EAR, Sands K, Farley C, et al.: Characterisation of colistin resistance in Gram-negative microbiota of pregnant women and neonates in Nigeria. Nat Commun 15, 2302 (2024), DOI: doi.org/10.1038/s41467-024-45673-6.

Quelle: University Oxford

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