Infektionsproblematik in der operativen Medizin

Tagungsbericht
Hardy-Thorsten Panknin, Berlin
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Erstmalig fand am 19. September 2017 im Kloster Sankt Josef in Neumarkt i.d.OPf. im Tagungs- und Gästehaus der Schwestern vom Göttlichen Erlöser (Niederbronner Schwestern) die Nachmittagsveranstaltung unter dem Motto „Infektionsproblematik in der operativen Medizin“ statt.

Veranstalter waren die Chirurgische Klinik und Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Kliniken des Landkreises Neumarkt i.d.OPf. in Kooperation mit Panknin Kongressmanagement & Fachjournalismus Medizin, Berlin. An der Tagung nahmen knapp 100 Teilnehmer aus den Bereichen der Intensivmedizin, Hygiene und Krankenpflege aus der Metropolregion Nürnberg teil. Die weiteste Anreise nach Neumarkt i.d.OPf. hatten Kollegen aus Garmisch-Partenkirchen.

Erster Vortrag zu Hygienemanagement und resistenten Keimen

Im ersten Vortrag widmete sich Thomas Faltermeier, Leiter der Krankenhaushygiene, Kliniken des Landkreises Neumarkt i.d.OPf., dem Hygienemanagement und dem Umgang mit resistenten Keimen. Im Vortrag wurde auf die gesetzlichen Voraussetzungen des novellierten Infektionsschutzgesetzes, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern (besonders solcher mit Resistenzen) zu vermeiden, im Speziellen eingegangen. Ein weiterer Schwerpunkt des Referates waren die Elemente eines effektiven Hygienemanagements. Diese beinhalten an den Kliniken des Landkreises Neumarkt i.d.OPf. folgende Komponenten: 

  • Ausreichende Anzahl von Hygienefachkräften
    Surveillance nosokomialer Infektionen, Monitoring Compliance Händehygiene, Schulung des Personals, Regelmäßige Auditierung von Strategien und Präventionsstandards
  • Definition von Problemerregern
    Screening von Risikopatienten, Erreger- und Resistenzstatistik, geeignetes Labor für die mikrobiologische Diagnostik, adäquate Diagnostik vor Antibiotikagabe
  • Erfassung und Rückkopplung des Antibiotikaverbrauchs
    Antibiotika-Leitfaden, Therapiestandards zur Vermeidung nicht indizierter Antibiotikagaben

um Krankenhausinfektionen für den Patienten auf ein Minimum zu reduzieren.

Faltermeier demonstrierte anhand internationaler Studien, dass die genannten Elemente in sich greifen, und zu einer signifikanten Reduktion von Klinikinfektionen führen.

Zweiter Vortrag zu multiresistenten Erregern (MRE) bei Infektionen

Der zweite Vortrag widmete sich den multiresistenten Erregern (MRE) bei Infektionen. PD Dr. med. Elisabeth Meyer aus dem Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité-Universitätsmedizin Berlin stellte sich die Fragestellung: Wie dramatisch ist die klinische Situation wirklich? Sie berichtete über prognostische Angaben über diese Keime. Laut Medienberichten wird ein dramatischer Anstieg weltweit für die Zukunft erwartet. Für das Jahr 2050 wird eine Häufigkeit von 10 Millionen Fällen vorhergesagt. Dabei dramatisieren aber die öffentlichen Medien erheblich und schüren Angst in der Bevölkerung. Slogan, wie „Mehr Tote durch MRE als durch Krebs“, liest man zunehmend in der Boulevardpresse.

Bis 1999 keine Probleme durch MRE bekannt

PD Dr. Meyer berichtete dabei über ihre klinischen Erfahrungen bei diesen Keimen. Bis 1999 seien keine Probleme durch MRE bekannt gewesen. Ab 2000 seien erste MRSA-Patienten beobachtet worden. In der Regel seien von solchen Infektionen besonders ältere, multimorbide Patienten betroffen. 2004 bis 2005 sei ein großer VRE-Ausbruch in Freiburg beobachtet worden. Ab 2005-2006 seien erste ESBL „extended-spectrum beta-lactamase“ Patienten aller Altersklassen aufgetreten, die nicht immer die typischen Risikofaktoren aufwiesen. 2008 gab es große regionale Unterschiede bei MRSA und Vancomycin-resistenten Enterokokken „VRE“ trotz gleicher Hygiene und Antibiotikatherapie in Deutschland. Seit 2012 beobachte man bei Patienten mit Carpapenem-resistenten Erregern schwer verlaufende Infektionen.

PD Dr. Meyer berichtete auch über die erfolgreiche Reduktion von Methicillin-resistenten Staphylococcus-aureus Stämmen (MRSA) beziehungsweise des sogenannten „Killerkeims“, der umgangssprachlich häufig so genannt wird. Infektionen mit MRSA gehen weltweit erfreulicherweise zurück. Die Gründe dafür seien derzeit unklar, so Meyer.

Die Problematik besteht bei den multiresistenten Erregern dahingehend, dass die Therapieoptionen dramatisch eingeschränkt werden. Besonders im Krankenhaus ist ein Anstieg zu erwarten. Invasive Eingriffe bergen ein besonderes Risiko für Infektionen mit diesen Keimen.

In ihrem Fazit stellte Meyer fest, dass die Resistenzsituation, Dynamik der Ausbreitung und Häufigkeit von Infektionserkrankungen weltweit sehr unterschiedlich seien. Eine Zunahme des Anteils der Infektionen, die durch MRE verursacht werden - also nicht insgesamt mehr Infektionen - aber mehr schwerer behandelbare Infektionen seien die Crux in der Hochleistungsmedizin. Intensive Forschung im Bereich der Antibiotikaentwicklung sei dringend zu forcieren.

Pflegerische Versorgung septischer Patienten

Im dritten Vortrag berichtete Birgit Trierweiler-Hauke, Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege und Stationsleitung am Universitätsklinikum Heidelberg, über die „Pflegerische Versorgung septischer Patienten – wo liegen die Schwerpunkte?“. Sie erklärte das Erkennen einer Sepsis und ihrer Schwierigkeit. Daneben wurde auch auf die Pathophysiologie, Therapie und besonders auf die fachspezifische Versorgung anhand von Pflegeproblemen bei Patienten mit Sepsis eingegangen.

Eine besondere Bedeutung komme der regelmäßigen Schulung aller Mitarbeiter am Krankenbett in der Umsetzung von aktuellen Leitlinien zu, das lebensbedrohliche Krankheitsbild rasch zu erkennen und adäquat in Zeitfenstern zu behandeln. In Heidelberg werde mit Erfolg der „Heidelberger Sepsis Pathway“ umgesetzt.

SIRS und Sepsis – Grundlagen der Sepsis – was ist neu?

Im vierten Vortrag berichtete Prof. Dr. med. Ulrich Schwemmer, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Kliniken des Landkreises Neumarkt i.d.OPf., über „SIRS und Sepsis – Grundlagen der Sepsis – was ist neu?“. Die akute Sepsis ist eine der häufigsten auf Intensivstationen behandelten Infektionen. Seit 1992 existieren gemeinsame Kriterien zur Definition des Sepsis-Syndroms, ebenso eine Graduierung der Schwere.

Die amerikanische und die europäische Fachgesellschaft für Intensivmedizin haben jetzt eine neue Sepsisdefinition mit dem Ziel einer höheren Spezifizität der Diagnose „Sepsis“ vorgestellt – Sepsis 3. Die neue Sepsisdefinition wurde auf Initiative der beiden Fachgesellschaften durch eine Arbeitsgruppe von 19 Klinikern und Grundlagenwissenschaftlern vorbereitet. An der Endfassung des Dokumentes arbeiteten Wissenschaftler von 31 weiteren Fachgesellschaften mit, die auch für die kürzlich erschienene Publikation mit verantwortlich zeichneten (Surviving Sepsis Campaign: International Guidelines for Management of Sepsis and Septic Shock: Andrew Rhodes et al. 2016).

In der Publikation begründen die Autoren die Notwendigkeit einer Neufassung der Sepsisdefinition. In der Internationalen Literatur und in der Liste der ICD-Kodes (international code of diagnoses) finden sich zahlreiche verschiedene Begriffe und Codes zum Thema Sepsis. So wird unter anderem von:

  • septischem Syndrom,
  • Systemic inflammatory Response Syndrome (SIRS),
  • septic response oder
  • Septikämie gesprochen.

Diese Begriffe werden oft für im Detail unterschiedliche Krankheitsbilder verwendet. Da ein singulärer diagnostischer Marker für die Sepsis fehlt, wird ein klinischer Kriterienkatalog benötigt, auf den sich die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft einigen sollte.

Besonders auf die Schwächen der neuen Kriterien von „Sepsis-3“ ging Prof. Dr. Schwemmer in seinem Vortrag intensiv ein:

  • Zeitverzug bei der Nutzung von SOFA-Score im Vergleich zu den SIRS-Kriterien
  • Damit kann der Behandlungsbeginn der Sepsis verzögert werden, woraus eine Erhöhung der Letalität resultieren kann
  • Die Sepsis-3-Kriterien fokussieren auf eine möglichst exakte Prognose (hohe Spezifität), statt auf einen möglichst frühen Therapiebeginn
  • Unklarheit, wie bei Patienten mit bestehenden schweren Vorerkrankungen die SOFA-Kriterien (Akronym für „Sepsis-related Organ Failure Assessment“) Anwendung finden können (zum Beispiel terminale Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz, ZNS-Erkrankungen)
  • Für die neue Definition wurden keine prospektiven Daten zur Grundlage gemacht, sondern Daten amerikanischer Versicherungen.

Zusammenfassend: Sepsis-3 reduziere die Diagnosen der beiden Begriffe Sepsis und septischer Schock. Die neuen Kriterien erhöhen die Spezifität der Diagnose. Im Fokus stehen weiterhin die frühe Therapie, Behandlung des Infekts mit Antibiose und Fokussanierung, Erreichen der kardiovaskulären Stabilität und Organperfusion.

Sepsis-Guideline 2016: Update

Dr. med. Götz Gerresheim, Oberarzt und Ärztlicher Leiter der Intensivmedizin, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Kliniken des Landkreises Neumarkt i.d.OPf., reflektierte in dem fünften Vortrag die neue „Sepsis-Guideline 2016: Update“. Eingehend berichtete er über die nach wie vor hohe Letalität der Sepsis in Deutschland. Er stellte dabei die Studie zur Erhebung der in Deutschland im Krankenhaus behandelten Sepsisfälle und der Krankenhausletalität der deutschlandweiten Fallpauschalen bezogenen Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) von 2007 bis 2013 vor. 

Aktuelle Aspekte der Empfehlungen mit hoher Evidenz in der Therapie der Sepsis gemäß den aktuellen Leitlinien (Surviving Sepsis Campaign: International Guidelines for Management of Sepsis and Septic Shock: 2016) sind:

  • Der Einsatz von Hydroxyethylstärkelösungen (HAES) zum Volumenersatz wird nicht empfohlen.
  • Der Einsatz von Dopamin als vasoaktive Substanz wird nicht empfohlen.
  • Bluttransfusionen werden nur empfohlen, wenn der Hb-Wert im Serum kleiner 7,0 g/dl beträgt, es sei denn, es liegt eine cerebrale oder myokardiale Ischämie, eine schwere Hypoxie oder eine akute Blutung vor.
  • Es wird eine intensivierte, intravenöse Insulintherapie mit einem Blutzucker-Ziel kleiner 180 mg/dl empfohlen.
  • Der regelhafte Einsatz eines Rechtsherzkatheters bei Patientin mit einem septisch assoziierten ARDS wird nicht empfohlen.
  • Es wird eine lungenprotektive Beatmung mit 6 ml Tidalvolumen/kg Körpergewicht empfohlen.
  • Es werden standardisierte „Spontaneous beathing trials“ im Rahmen der Entwöhnung vom Beatmungsgerät empfohlen.

Die aktuellen Leitlinien der Surviving Sepsis Campaign bieten im Ergebnis aktuelle, klare und praxisrelevante Empfehlungen zu den wichtigsten Themenkomplexen bei der Behandlung der Sepsis. Sie bieten ausführliche Hintergrundinformationen sowohl für den klinisch als auch wissenschaftlich interessierten Leser.

Chirurgisches Management des septischen Patienten

Im letzten und sechsten Referat berichtete Prof. Dr. med. Bettina M. Rau, Chefärztin der Chirurgischen Klinik, Kliniken des Landkreises Neumarkt i.d.OPf., über „Chirurgisches Management des septischen Patienten: OP-Indikationen und Verfahren“. Prof. Rau demonstrierte einführend die Ursachen einer chirurgischen Sepsis in der Viszeralchirurgie. Die Diagnostik dieser Infektionen beruht im Wesentlichen auf laborchemischen Parametern, wie dem C-reaktiven Protein, Procalcitonin, der Sonographie, konventionellem Röntgen Thorax/Abdomen und als Goldstandard dem Kontrastmittel-CT (i.v. und oral/rectal).

Bildgebende Diagnostikbefunde

Anhand von Kasuistiken zeigte Prof. Rau bildgebende Diagnostikbefunde von schweren intraabdominellen Infektionen, besonders Peritonitiden. Die Wahl des chirurgischen Verfahrens hänge von der Ursache und dem Ausmaß der zugrundeliegenden Pathologie ab und schließe laparoskopische, offene, ein- und mehrzeitige Vorgehensweisen ein. Häufig seien Ausmaß und genauer Zeitpunkt der chirurgischen Interventionen unzureichend definiert und von der Erfahrung des behandelnden Chirurgen abhängig. Die engmaschige klinische Evaluation stelle den wichtigsten Faktor für die weitere laborchemische und bildgebende Diagnostik dar. Sobald die Verdachtsdiagnose einer intraabdominellen Infektion bestehe, sei eine breite Antibiotikatherapie umgehend zu beginnen. Ein Algorithmus zur Herdsanierung bei abdomineller Sepsis könne dabei hilfreich sein, resümierte Prof. Rau.

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