Prozessorientierung im Qualitätsmanagement und das daraus entstehende Potenzial

Jürgen Hirschfeld
Titelbild zum Beitrag über Weiterbildungsangebote des DIW-MTA im Bereich Qualitäts- und Risikomanagement
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Beginnend mit der Forderung in der internationalen Norm DIN EN ISO 9001 aus dem Jahr 2015 hat der prozessorientierte Ansatz im Qualitätsmanagement einen festen Platz gefunden [1].

Alle weiteren – im Gesundheitswesen – verbreiteten Qualitätsmanagementmodelle, wie das KTQ-Verfahren [2], die im Mittelpunkt der Qualitätsmanagement-Richtlinie (QM-RL) des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) stehende Patientenorientierung [3], die als Grundlagen für eine Akkreditierung von Laboratorien heranzuziehenden internationalen Normen (DIN EN ISO 15189 und 17025 [4 und 5]) und nicht zuletzt die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (Rili-BÄK) [6] basieren auf diesem Ansatz beziehungsweise haben sich dahingehend ausgerichtet.

Die Prozessorientierung bildet die Grundlage für ein auf Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität ausgerichtetes Managementsystem. Treiber der Prozessorientierung war und ist dabei die Erkenntnis der produzierenden Industrie, dass sich durch fortlaufende Prozessoptimierung die Fehler- und Ausschussquoten verringern und eine zuverlässig hohe Qualität sicherstellen lässt. Das schlägt nicht zuletzt durch die Erfüllung der in Einrichtungen des Gesundheitswesens geforderten Einsenderzufriedenheit sowie höchster Patientensicherheit zu Buche.

Die aufgrund der geforderten Prozessorientierung darzustellenden Prozesse bilden die Grundpfeiler für die Integration weiterer Disziplinen des Managements, wie insbesondere dem Risiko- und Chancenmanagement sowie dem Arbeits- und Gesundheitsschutz, der Informationssicherheit, aber auch dem Umweltschutz und den Maßnahmen zur Nachhaltigkeit. Durch ein solches „Integriertes Managementsystem“ lassen sich doppelte Arbeiten vermeiden und Synergien hin zu einem ganzheitlichen System bündeln. Der G-BA als höchstes Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen rät den Leistungserbringern im Gesundheitssektor in seiner oben erwähnten Qualitätsmanagementrichtlinie explizit dazu, ressourcenverzehrende Doppelstrukturen zu vermeiden [3].

Umsetzung innerhalb eines Managementsystems

Idealerweise folgen Einrichtungen des Gesundheitswesens dem Ruf nach Digitalisierung sowohl bei der Darstellung als auch der Optimierung von Prozessen. Unter Zuhilfenahme des bekannten und bewährten PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) kann ein – in jeglicher Form der Modellierung (Flussdiagramm, Business Process Model and Notation und so weiter) – dargestellter Prozess als Grundlage der Prozessoptimierung, beispielsweise im Hinblick auf die Risikobeurteilung und -bewältigung (ISO 31000 [7]) genutzt werden. Denn besonders bei den wertschöpfenden Kernprozessen der Leistungserbringung bündeln sich die Anforderungen aus den unterschiedlichen Vorgaben wie Gesetzen, Richtlinien und Normen sowie den Bestrebungen nach einem Integrierten Managementsystem. Für den Leistungserbringer Labor gibt das Deutsche Institut für Normung e.V. hierzu in der Norm zur Akkreditierung DIN EN ISO 15189 vor, dass das Laboratorium in den Prozessen zur Präanalytik, Analytik und Postanalytik potenzielle Risiken für die Patientenversorgung ermitteln, diese bewerten und so weit wie möglich minimieren (bewältigen) muss [3].

Ausgehend von der Prozesslandschaft, der obersten Ebene der Prozesse innerhalb der gesamten Einrichtung des Gesundheitswesens, erfolgt der Einstieg in die Prozessorientierung. Die Prozesslandschaft ist die visuelle Darstellung der Führungs-, Kern- und Unterstützungsprozesse (Abbildung 1).

Von der Prozesslandschaft, die auch eine grobe Orientierung der Prozesse zueinander bietet, erfolgt der Einstieg in die Ebenen darunter, den Prozessketten und deren Glieder – sozusagen vom Groben ins Feine. Eine stark vereinfachte Darstellung der zentralen Elemente eines Prozesses ist in Abbildung 2 dargestellt. Um Dienstleistungen zu erbringen, werden die definierten Prozesse durchlaufen. Diese benötigen eine Eingabe (Input) sowie einen Handlungsablauf (Aktivität), um letztlich zu einem Ergebnis (Output) zu führen.

Die Leistungserbringer, wie das Labor, die Radiologie, die Funktionsdiagnostik oder auch der OP müssen sich die vielfältigen Möglichkeiten des (Geschäfts-)Prozessmanagements (engl. business process management) zunutze machen, um ihre Prozesse zu erfassen, zu gestalten, auszuführen, zu dokumentieren, zu messen, zu überwachen und zu steuern. Nur so kann das Potenzial der Prozessorientierung ausgeschöpft werden.

Zukunftsweisende Nutzung von vorhandenem Potenzial

Bei der Umsetzung beziehungsweise dem Umstieg auf den prozessorientierten Ansatz im Managementsystem werden die bereits vorhandenen dokumentierten Informationen in Form von Verfahrensanweisungen (VA), Standard Operating Procedures (SOP) sowie Arbeitsanweisungen (AA) und speziell das darin gebündelte Wissen rund um den jeweiligen Prozess genutzt. In einem digitalen Managementsystem bietet sich die Möglichkeit zur Verlinkung auf diese Informationen von den im System erarbeiteten Prozessdarstellungen an. Nicht zuletzt entsteht dadurch ein prozessspezifisches Wissensmanagement als werterhaltendes Element eines Unternehmens.

Durch die Nutzung dieses bereits vorhandenen Potenzials an Wissen rund um den Prozess werden Friktionen und Frust vermieden, indem die bereits mühsam erarbeiteten Dokumente zu einem wertvollen Bestandteil der Prozessdarstellung werden und als Grundlage bei den Bemühungen um eine kontinuierliche Verbesserung dienen.

Ausgehend von den Prozessdarstellungen kann innerhalb von schnittstellenübergreifenden Teams (beispielsweise im Rahmen eines Qualitätszirkels) ein Prozess und seine Schnittstellen im Hinblick auf Optimierungspotenzial, aber auch hinsichtlich der unterschiedlichen Anforderungen aus den integrierten Managementsystemen (zum Beispiel aus dem Risiko- und Chancenmanagement) analysiert und optimiert werden. Ein bewährtes Tool für diese Form der Prozessanalyse findet sich im sogenannten Turtle-Modell [8]. Diese Vorgehensweise ebnet nicht nur den Weg hin zu einem Integrierten Managementsystem, in der Art und Weise, dass sich, durch die Integration von neuen Anforderungen in bereits Etabliertes, Redundanzen vermeiden und knappe Ressourcen schonen lassen, sondern auch hin zu einer lebendigen Organisation.

Führung durch Messung der Leistung (Management-by-Objectives)

Ein weiterer Nutzen ergibt sich für die Verantwortlichen der Einrichtung durch die Möglichkeit der Generierung von Kennzahlen zur Messung der Prozessleistung (Effizienzbewertung). Letztlich können die von den Prozessverantwortlichen festgelegten Kennzahlen in eine Managementbewertung (Management-Review) einfließen und im Rahmen von Audits dem Controlling unterzogen werden.

Die Umsetzung des prozessorientierten Ansatzes und die Ausschöpfung des vorhandenen Potenzials bedarf einer Kenntnis der Methoden und Tools des Prozessmanagements. Dies kann in Seminaren, die auf diesen Ansatz ausgerichtet sind, praxis- und teamorientiert erlernt werden.


Literatur

1. Deutsches Institut für Normung e.V.: Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen (ISO 9001:2015). Beuth Verlag GmbH, 2015.
2. Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen: KTQ-Katalog Krankenhaus. Version 2021. KTQ GmbH.
3. Gemeinsamer Bundesausschuss: Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über grundsätzliche Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren, Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte sowie zugelassene Krankenhäuser (Qualitätsmanagement-Richtlinie/QM-RL). Zuletzt geändert am 20. April 2023.
4. Deutsches Institut für Normung e.V.: Medizinische Laboratorien – Anforderungen an die Qualität und Kompetenz (ISO 15189:2022). Beuth Verlag GmbH, 2023.
5. Deutsches Institut für Normung e.V.: Allgemeine Anforderungen an die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien (ISO/IEC 17025:2017). Beuth Verlag GmbH, 2018.
6. Bundesärztekammer: Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (Rili-BÄK). Deutsches Ärzteblatt, 30. Mai 2023, DOI: 10.3238/arztebl.2023.rili_ baek_QS_Labor.
7. Deutsches Institut für Normung e.V.: Risikomanagement – Leitlinien (ISO 31000:2018). Beuth Verlag GmbH, 2018.
8. TÜV Süd AG: Prozessanalyse anhand des Turtle-Modells. TÜV SÜD Management Service GmbH, 2013.

 

A100_24
Normkonformes Chancen- und Risikomanagement für das medizinische Labor

Datum: 27.–28. Mai 2024

Dauer: 16 Stunden

Ort: Online

Inhalte:

Seminar-Tag I – Grundlagen

Hier lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Grundelemente der bekannten Modelle zum Risikomanagement kennen. Gemeinsam werden wir im Seminar eine Risikomanagementpolitik beziehungsweise -kultur definieren und die relevanten Einflüsse auf die Prozesse mit einem Ursache-Wirkungs-Diagramm identifizieren und gewichten. Wir konzentrieren uns nachfolgend auf das operative Risikomanagement, indem wir ausgehend von der Prozesslandschaft die wertschöpfenden Kernprozesse identifizieren und die ihnen innewohnenden Unsicherheiten – die sich sowohl positiv als auch negativ auf die Zielausrichtung der Gesundheitseinrichtung auswirken können – analysieren. Dazu nutzen wir den Risikomanagementprozess nach der Norm ISO 31000.

Seminar-Tag II – Anwendung

Hier findet zur Analyse der Prozesse das Turtle-Modell (die Schildkrötenmethode) als Analysetool aus dem Bereich des Business Process Management (BPM) seine Anwendung. Um die Bestimmung der Risikohöhe in quantitativer Form darstellen zu können, werden die bei der qualitativen Differenzierung als beachtenswert eingestuften Fehlermöglichkeiten (Risiken) und deren Ursachen in eine Fehlersammelliste übertragen und in Form einer Risikomatrix visuell dargestellt. Zur Überwachung und ständigen Verbesserung wird der bekannte PDCA-Zyklus herangezogen. Die Planung (Plan) bezieht sich hierbei sowohl auf die gegebenenfalls veränderte Zieldefinition als auch auf die Veränderung von Prozessabläufen aufgrund erkannter Risiken. Der veränderte (risikoverringerte) Prozess wird im Testlauf durchgeführt (Do) und anhand der angepassten Verfahrensanweisung, gegebenenfalls im Rahmen eines Audits, überprüft (Check). Ist eine Veränderung hin zu einer höheren Effizienz und Sicherheit erfolgt, wird der neue Prozessablauf zum Standardprozedere.

Kosten: 200 Euro (DIW-MTA), 250 Euro (DVTA), 300 Euro (Nichtmitglieder)

Anmeldung über www.studip.diw-mta.de/ 

A230_24
Qualitäts- und Risikomanagement nach der Richtlinie zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (Rili-BÄK)

Datum: 6.–7. Juni 2024

Dauer: 14 Stunden

Ort: Online

Inhalte: Bedeutung der Richtlinie zur Qualitätssicherung, erforderliche Maßnahmen durch die Anwender in Anlehnung an die Akkreditierungsnorm ISO 15189 und den Normen zum Risikomanagement, Dokumentierte Informationen und deren Integration in ein Dokumentenmanagementsystem, Diskussion im kollegialen Dialog, Informationssicherheit und Datenschutz unter Beachtung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die Rili-BÄK als Standard bei der Erfüllung von Forderungen aus den Zertifizierungssystemen. Höhere Ansprüche an die Mess- und Ergebnisqualität zur Verbesserung der Patientensicherheit.

Kosten: 200 Euro (DIW-MTA), 250 Euro (DVTA), 300 Euro (Nichtmitglieder)

Anmeldung über www.studip.diw-mta.de/

 

Entnommen aus MT im Dialog 2/2024

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