Neues Riesenvirus gegen Naegleria fowleri gefunden

Vorbeugenden Behandlung gegen tödlichen Parasiten?
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Illustration des Naegleriavirus basierend auf elektronenmikroskopischen Aufnahmen
Illustration des Naegleriavirus basierend auf elektronenmikroskopischen Aufnahmen. Ein Schnitt durch ein Viruspartikel mit dem sternförmigen Stargate ist dargestellt. Die Illustration wurde von Stefan Pommer / photopic.at erstellt und unter CC BY-NC-SA 4.0 veröffentlicht
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Ein neues ungewöhnliches Riesenvirus, das in der Kläranlage Klosterneuburg entdeckt wurde, ist in der Lage, den tödlichen Einzeller Naegleria fowleri zu befallen.

Der Einzeller Naegleria fowleri gehört zu den tödlichsten Parasiten für den Menschen. Forscher/-innen des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien um Patrick Arthofer und Matthias Horn haben nun im Rahmen einer internationalen Kooperation erstmals Viren entdeckt, die diesen Einzeller befallen – in einer Kläranlage in Klosterneuburg bei Wien. Das sogenannte Naegleriavirus gehört zu den Riesenviren, eine Virengruppe mit ungewöhnlich großen Viruspartikeln und komplexen Genomen. Naeglerien sind sogenannte Amöboflagellaten, das sind Einzeller, die weltweit in Gewässern vorkommen und sich dort von anderen Mikroorganismen ernähren. Eine berühmt-berüchtigte Art, Naegleria fowleri, vermehrt sich vorwiegend in warmen Gewässern über 30 °C und gilt als Erreger einer schweren Hirn- und Hirnhautentzündung, der Primären Amöben-Meningoenzephalitis (PAM). Die Erkrankung ist extrem selten, endet aber nahezu immer tödlich. Das Forschungsteam um Patrick Arthofer und Matthias Horn vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft (CeMESS) der Universität Wien konnten nun erstmals Riesenviren isolieren, die verschiedene Naegleria-Arten infizieren.

Riesenvirus mit dem Trivialnamen Naegleriavirus

Riesenviren, wissenschaftlich Nucleocytoviricota genannt, sind eine erst seit zwei Jahrzehnten bekannte Gruppe an Viren, die vorwiegend Einzeller infizieren. Diese Viren können es hinsichtlich ihrer Größe mit Bakterien aufnehmen. Sie besitzen einzigartige Strukturen und genetische Eigenschaften, die man lange Zeit nur von zellulären Lebensformen, nicht aber von Viren kannte. Die Entdeckung der Riesenviren löste Debatten um die Definition von Viren und den Ursprung des Lebens aus. „Das jetzt entdeckte Riesenvirus mit dem Trivialnamen Naegleriavirus wurde aus einer Kläranlage in Klosterneuburg bei Wien isoliert – das erst vierte Isolat aus der Gruppe der sogenannten Klosneuviren“, so Patrick Arthofer. Seinen Namen erhielt das Isolat, weil es Naeglerien befällt. Möglich wurde die Entdeckung und Charakterisierung des Naegleriavirus durch die internationale Zusammenarbeit der Forschenden der Universität Wien mit Arbeitsgruppen an den Universitäten in Poitiers und der kanarischen Inseln, sowie dem US-amerikanischen Joint Genome Institute.

Zerstörung von innen

Das Virus wird von den Amöben fälschlicherweise als Futter aufgenommen und zerstört sie dann innerhalb von nur wenigen Stunden. Es infiziert seine Wirtszelle mit Hilfe der sogenannten Stargate-Struktur, die dem Einbringen der Virus-DNA dient. Anschließend bildet das Virus eine „Virusfabrik“ genannte Struktur innerhalb der Amöbenzelle, die das Virenerbgut außerhalb des Zellkerns vermehrt und hunderte neue Viruspartikel zusammenbaut. „Um die Wirtszelle währenddessen am Leben zu halten, bedient sich das Naegleriavirus vermutlich spezieller Proteine, die die natürliche Immunreaktion der Amöbenzelle unterdrücken und so den vorzeitigen Zelltod verhindern. Erst nach erfolgreicher Vermehrung der Viren kommt es zur Zerstörung der Wirtszelle und dem Freisetzen der Viren“, erklärt Florian Panhölzl, Koautor der Studie, der das Naegleriavirus im Rahmen des FWF Cluster of Excellence „Microbes Drive Planetary Health“ weiter untersucht. „Diese Entdeckung eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit einer vorbeugenden Behandlung von gefährdeten Gewässern, wie zum Beispiel im Rahmen der Wasseraufbereitung in Swimming Pools. Aber dafür bräuchte es zunächst weitergehende Untersuchungen. In jedem Fall wird das jetzt entdeckte Virus helfen, die Biologie der Naeglerien und deren Interaktionen mit Viren besser zu verstehen“, so Matthias Horn.

Literatur:
Arthofer P, Panhölzl F, Delafont V, et al.: A giant virus infecting the amoeboflagellate Naegleria. Nature Communications, 2024, DOI: 10.1038/S41467-024-47308-2.

Quelle: idw/Uni Wien

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