Zunahme an Mobbingfällen

Zunehmend werden Mobbingfälle vor den Gerichten verhandelt, selten wird den Betroffenen jedoch Schadensersatz oder Schmerzensgeld zugesprochen. Kritiker sehen dies darin begründet, dass Mobbing in Deutschland bislang kein gesetzlich verankerter Rechtsbegriff ist. Es gab daher am 14. Januar 2020 einen Antrag der Fraktion Die Linke (Drucksache 19/164890), die den Bundestag aufforderte, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, um das Arbeitsschutzgesetz im Hinblick auf Prävention zur Vermeidung von Mobbing und Bossing zu ergänzen. Mobbing sollte danach als Rechtsbegriff definiert werden als Verhalten, das über einen längeren Zeitraum immer wiederholt oder in systematischen Verhaltensweisen, in mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zum Ausdruck kommt, die vorsätzlich begangen werden, oder die Persönlichkeit oder die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person angreifen. Analog zum allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sollte Betroffenen von Mobbing und Bossing am Arbeitsplatz ein Rechtsanspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zustehen. Als weitere Änderungspunkte des Arbeitsschutzgesetzes wurden insbesondere für wichtig erachtet, dass der Arbeitgeber zur Verringerung von psychosozialem Stress als Gefährdung verpflichtet sei und die Durchsetzung durch abschreckende Bußgelder erreicht werden soll.

Mobbing und Bossing am Arbeitsplatz definieren Bündnis 90/Die Grünen forderten ebenfalls ein Gesetz zum Schutz von Mobbing am Arbeitsplatz, welches eine klare Definition des Mobbingbegriffes und die Verpflichtung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber enthalten sollte, geeignete und erforderliche Maßnahmen zur Unterbindung von Mobbing zu ergreifen, wie beispielsweise Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung. Auch sollten die vom Mobbing betroffenen Beschäftigten das Recht erhalten, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle bezüglich Mobbing sanktionsfrei zu beschweren (Beschwerderechte). Sofern die Arbeitgeber ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung von Mobbing am Arbeitsplatz treffen, sollten die betroffenen Beschäftigten berechtigt sein, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Entgeltes einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist. Auch sollten die betroffenen Personen nicht arbeitsrechtliche Maßnahmen erleiden (Maßregelungsverbot). Bei dem Verstoß gegen diese Pflicht sollte eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers materiell wie auch immateriell bestehen (Drucksache 19/6128).

Kritiker sehen jedoch keine Notwendigkeit für diese Änderungen, da die bestehenden Gesetze den Schutz der Betroffenen ausreichend gewährleisten.

Der Rechtsschutz von Betroffenen bei Mobbing beruht ausschließlich auf Rechtsprechung.

1. Begriffsklärung

Mobbing wird, gemäß Bundesarbeitsgericht, als ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Beschäftigten untereinander oder durch Vorgesetzte (sogenanntes Bossing) definiert (BAG 15.01.1997-AZR 14/96, NZA,1997, 781). Das Thüringer Landesarbeitsgericht (15. Februar 2011, NZA-RR 2001, 579) hat Mobbing in jüngerer Zeit weiter konkretisiert als fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende Verhaltensweise, die der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung diene. Mobbing wohnt somit stets ein systematischer Charakter inne.

Verfassungsrechtlich wird Mobbing als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen.

Zu betrachten ist dabei auch das Cybermobbing oder Internetmobbing, bei dem verschiedene Formen der Beleidigung, Belästigung, Bedrängung und Nötigung anderer Menschen durch elektronische Kommunikationsmittel über das Internet, in Chats, Messengern, in Chatrooms oder auch mittels Smartphone oder SMS, MMS oder E-Mails oder per Facebook, Snapchat- oder Instagram-Apps durchgeführt werden.

2. Rechtsfolge

Da Mobbing in der Regel einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt, steht den Betroffenen gegenüber dem Mobber regelmäßig ein Unterlassungsanspruch zu. Zudem kommt ein Schmerzensgeldanspruch gegenüber dem Arbeitgeber nach § 241 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag in Betracht.

Präventiv muss der Arbeitgeber nach §§ 3, 4 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) die erforderlichen Maßnahmen treffen und die Arbeit so gestalten, dass eine „Gefährdung für … die psychische Gesundheit … möglichst gering gehalten wird“, und hat dafür eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen (§ 5 ArbSchG). Die vom Mobbing Betroffenen haben die Pflicht, dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Gesundheit zu melden (§ 16 Abs. 1 ArbSchG). Sie sind berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge für den Gesundheitsschutz zu machen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG). Diese Vorschläge könnten zum Beispiel Mediation, Versetzung des Mobbers, Abmahnung et cetera beinhalten. Ergreift der Arbeitgeber, nach Ansicht der Betroffenen, nicht die geeigneten Maßnahmen, können sich die Arbeitnehmer erneut bei ihm oder den Interessenvertretungen des Betriebes beschweren und sofern weiterhin nichts passiert, die für Arbeitsschutz zuständigen Behörden einschalten, ohne dass ihnen dadurch arbeitsrechtliche Nachteile entstehen dürfen (§ 17 Abs. 2 ArbSchG). Diese hat die Befugnis, die Ursache der Gesundheitsgefährdung aufzuklären und den Arbeitgeber anzuordnen, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (§ 22 ArbSchG) und bei Zuwiderhandlung ein Bußgeld bis zu 25.000 Euro gegen den Arbeitgeber zu verhängen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 a ArbSchG).

Mobbing wird zudem nach der herrschenden Meinung mit der Belästigung nach § 3 Abs. 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gleichgesetzt. Voraussetzung ist aber, dass ein in § 1 AGG genannter Grund im Zusammenhang damit bestehen muss, während Mobbing auch auf anderen Gründen beruhen kann. Dies führt zu dem Ergebnis, dass eine Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 3 AGG häufig auch Mobbing sein wird, umgekehrt Mobbing aber nicht immer eine Belästigung sein muss. Stellt das Mobbing eine Belästigung nach § 3 Satz 3 AGG dar, kommen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach § 15, 21 AGG in Betracht.

3. Durchsetzung

Gerade aus Angst vor arbeitsrechtlichen Nachteilen sehen die Betroffenen davon ab, rechtlich dagegen vorzugehen. Gleiches gilt auch für Betriebsräte, die im Visier von Arbeitgebern sind, damit betriebliche Mitbestimmung unterbunden wird. Meistens verlassen daher die Betroffenen das Unternehmen und die Mobber kommen mit ihrem Verhalten durch, da die meisten Betroffenen nicht um ihre Rechte (2.) wissen, zum Beispiel, dass ihnen dadurch keine arbeitsrechtlichen Nachteile entstehen dürfen (Maßregelungsverbot § 612 a BGB) oder sie sind physisch oder psychisch nicht in der Lage, sich dagegen zu wehren und die richtigen rechtlichen Schritte zu ergreifen.

Dies ist nicht richtig. Sie sollten sich anwaltlich vertreten lassen, da dann die Anwälte die Gespräche mit dem Arbeitgeber begleiten oder allein führen, wie auch das Gerichtsverfahren und damit die Betroffenen so wenig wie möglich Konfrontationen ausgesetzt werden, um sie zu schützen. Zudem wissen die Anwälte geeignete Strategien, um die Verfahren zum Erfolg führen zu können.

Für die Durchsetzung ist es in der Regel wichtig, dass Betroffene ein sogenanntes Mobbingtagebuch führen, das die für den nachfolgenden Sachvortrag wesentlichen Punkte aufzeigt. Dabei müssen die einzelnen Vorfälle nach Zeitpunkt, Intensität und Häufigkeit konkret und substanziiert vorgetragen werden, das heißt, es sind auch Zeugen und andere Beweismittel zu nennen, beziehungsweise beizufügen. Es muss dabei nicht jede einzelne Verhaltensweise für sich eine rechtswidrige und schuldhafte Überschreitung darstellen, denn dem Mobbing eigen ist gerade die Besonderheit, dass separat betrachtet eben nicht notwendig rechtsrelevante Einzelhandlungen erst in ihrer Summierung und teilweise perfiden und in gewissen Maßen auch heimtückischen Zusammenführung ihren rechtswidrigen Charakter erhalten (BAG NZR 2007, 1166). Vielmehr kommt es stets auf eine Gesamtbetrachtung der Umstände an. Häufige Verhaltensweisen, die auf einen Mobbingsachverhalt bei Verhaltensweisen von Kollegen und Vorgesetzten hinweisen können, sind zum Beispiel: Beendigung von Gesprächen, wenn der Betroffene den Raum betritt, ignorieren, anzügliche Witze, beleidigende Kommentare. Bei Vorgesetzten zum Beispiel Versetzung ohne erkennbaren Grund, Zuweisung besonderer Aufgaben, die entweder inhaltlich oder zeitlich nicht zu schaffen sind (Produzieren von Fehlern), Zuweisung von Aufgaben, die deutlich unter dem Qualifikations- und Stellenprofil liegen, Zuweisung unsinniger und offensichtlich wertloser Aufgaben, Anordnung abweichender Arbeitszeiten ohne ersichtlichen Grund, verschärfte Arbeitskontrollen, Vorenthalten von Informationen (Herausnehmen aus dem/den E-Mail-Verteilern oder unzureichende Bereitstellung von Arbeitsmaterial). Die Verhaltensweisen müssen über einen längeren Zeitraum vorliegen, beziehungsweise wiederholt auftreten. Zudem müssen die Handlungen in einem inneren Zusammenhang gestanden haben und letztlich Mobbing zum Ziel gehabt haben (LAG Berlin-Brandenburg, Arbeitsrecht aktuell von 2010, 563).

Ein innerer Zusammenhang wird in der Regel angenommen, wenn der Betroffene besonders herausgegriffen und gewissermaßen in eine Außenseiterrolle gebracht wird.

Der Arbeitnehmer, der sich auf den Mobbingsachverhalt beruft, trägt grundsätzlich dafür die volle Darlegungs- und Beweislast. Er muss somit die einzelnen Handlungen im Zusammenhang der Einzelakte sowie die Kausalität für die behauptete Rechtsverletzung darlegen und beweisen. Dem Arbeitnehmer kommt aber eine Beweiserleichterung zugute. Er kann als Partei gehört werden und seine Anhörung ist bei der gerichtlichen Überzeugungsbildung zu berücksichtigen. Gelingt dem Arbeitnehmer die Überzeugungsbildung, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass die Einzelakte für sich gesehen nicht gerechtfertigt sind, das heißt keine Rechtsverletzung darstellen und ein Gesamtzusammenhang besteht.

Für Schmerzensgeldklagen bei Mobbing am Arbeitsplatz ist stets der Weg zu den Arbeitsgerichten eröffnet (§ 2 Abs. 1 Nr. Arbeitsgerichtgesetz). Bevor der Weg eingeschlagen wird, sollte man aber Alternativen zur Konfliktlösung wie Personalgespräche, Mediation oder ande-re außergerichtliche Schlichtungsmöglichkeiten vorweg versuchen.

4. Fristen

Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen gelten wegen des zielgerichteten und damit vorsätzlichen Handelns (Vorsatzhaftung) nicht. Sofern Mobbing gleichzeitig eine Belästigung im Sinne des AGG darstellt, ist von dem letzten Vorfall die Zweimonatsfrist im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG zu wahren. Grundsätzlich sollte aber stets zeitnah gehandelt werden.

5. Anspruchshöhe

Der Höhe nach ist ein dem Schaden der Gesundheitsbeeinträchtigung und der materiellen Beeinträchtigung angemessenes Schmerzensgeld zu finden. Hierbei ist auch ein Mitverschulden des Betroffenen zu berücksichtigen (beiderseitige Antipathie).

So hat das LG Memmingen einem davon betroffenen Schüler Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 Euro zugesprochen. In der Urteilsbegründung wurde hierbei ausgeführt: „zu Lasten des Schädigers ist sein vorsätzliches Vorgehen in die Bemessung des Schmerzensgeldes einzubeziehen zu seinen Gunsten sicherlich seine noch deutliche Unerfahrenheit“.

6. Praxistipp

Empfehlenswert ist daher in der Praxis, um die negativen Folgen von Mobbing möglichst zu vermeiden, dass regelmäßig Feedback-Gespräche geführt werden, die Gleichbehandlung beachtet wird und die Beteiligung des Betriebsrates erfolgt. Betroffenen ist anzuraten, dass mit Schlichtungsgesprächen gemeinsam versucht wird, eine Lösung zu finden.

Alle Personenbezeichnungen des Textes sind stets männlich, weiblich wie divers zu verstehen und nur der besseren Lesbarkeit halber wurde teilweise die maskuline Form verwendet.

Entnommen aus MTA Dialog 8/2020

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