Was bedeutet die Corona-Krise für die Anpassungslehrgänge?

Interview mit Tina Hartmann
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Tina Hartmann
Tina Hartmann bei MTA next in Frankfurt 2020 © DÄV/Benni Wolf Fotografie
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Seit Anfang August 2019 bietet die in Gründung befindliche neue MTRA-Schule der Märkischen Kliniken bereits Anpassungslehrgänge für ausländische MTRA an und hat die entsprechende Zulassung der Bezirksregierung in Düsseldorf. Wie wirkt sich die Corona-Krise darauf aus?

Diese Anpassungslehrgänge richten sich an Personen, die im Ausland schon eine Ausbildung in der Radiologie absolviert haben und nun zur Anerkennung der Ausbildung in Deutschland noch zusätzliche Inhalte aus den Bereichen Strahlentherapie, Nuklearmedizin oder Strahlenschutz, nachholen müssen. Was bedeutet die Corona-Krise für diese Anpassungslehrgänge? Wir haben die Schulleiterin Tina Hartmann gefragt.

Frau Hartmann, die Corona-Krise hat auch die MTA-Schulen mit voller Wucht getroffen. Sie bieten bisher Anpassungslehrgänge an. Wie geht die MTRA-Schule mit der Krise um?

Zu Beginn der Einschränkungen standen wir noch unter „Schock“ und haben zunächst alle Lehrgänge absagen müssen. Inzwischen konnten wir, wie viele andere Firmen auch, auf Online-Seminare umschwenken. Eigentlich sind diese innerhalb eines Anpassungslehrgangs nicht vorgesehen, doch durch den Erlass der Landesregierung für Schulen der Pflege- und Gesundheitsberufe können wir das machen. Wir hatten schon Sorge, dass die vorgesehenen Abschlussgespräche für April und Juni nicht stattfinden können. Aber auch das ist durch die o.g. Regelung abgedeckt. Zum Glück, denn die Kliniken und damit vor allem die Patienten/-innen warten dringend auf Personal!

Wie viele Teilnehmer haben Sie aktuell in den Anpassungslehrgängen?

Aktuell betreue ich Anerkennungsverfahren von 38 Personen, das entspricht ca. 2 Kursen einer durchschnittlichen MTRA-Schule. Zusätzlich sind 27 noch im Status „Anfrage“. Mit dem kleinen Dozententeam haben wir so seit 2018 bereits 40 MTRA zur Berufsanerkennung verholfen, davon allein 18 in Lüdenscheid in nicht einmal 9 Monaten. Darauf sind wir sehr stolz.

Inzwischen betreuen wir, neben NRW, auch Rheinland-Pfalz, Bremen und z.T. Niedersachsen und Sachsen. Das ist mit den unterschiedlichen Behörden nicht immer einfach. Wenn uns das Vertrauen geschenkt wird, haben wir bislang aber immer gute Lösungen gefunden. Hier unterstützen uns auch die Bemühungen des DVTA e.V., einheitliche Verfahren zu fordern. Durch den Föderalismus ist das allerdings schwierig, da jedes Bundesland andere Regeln hat. Teilnehmer/-innen mit vergleichbaren Voraussetzungen erhalten völlig unterschiedliche Bescheide. Da steht nicht immer der Fachkräftemangel und die Qualität der Patientenversorgung im Vordergrund.

Wie haben sich die Lehrgänge durch die Krise verändert?

Eigentlich leben diese Lehrgänge, neben den reinen Inhalten, vom Austausch und gerade für „Nicht – Muttersprachler“ von Körpersprache und Erklärungen. Darauf müssen wir momentan verzichten. Zwar kann in einem Online-Tool auch eine Kamera eingesetzt werden, aber zum einen machen das nicht alle digitalen Leitungen mit und zum anderen fehlt trotzdem die Energie eines richtigen Unterrichtes. Für mich ist die digitale Lösung eine gute Ergänzung, kann aber nicht den persönlichen Kontakt ersetzen.

Außerdem mussten wir unsere Kapazitäten leicht einschränken, um auch in einem Online-Forum die Möglichkeit zur Beteiligung zu geben. Das versuchen wir durch zusätzliche Termine wieder auszugleichen.

Wie kommen die Teilnehmer an ihre Lerninhalte?

An die allgemeinen Unterrichtsunterlagen kommen die Teilnehmer/-innen wie gewohnt über einen Cloudzugang. Der Unterricht selbst findet als Webinar statt. Da wir virtuell weniger Diskussionen und Gruppenarbeiten anbieten, sind die Inhalte „gestrafft“. Im Gegenzug müssen die Teilnehmer/-innen mehr Lernaufgaben und Selbststudium leisten. Zusätzlich gibt es am Ende jeder Vorlesung einen Kurztest, um Inhalte und Verständnis zu überprüfen. Das funktioniert bislang ganz gut.

Wie sehen aktuell die Praktika aus? Werden die Teilnehmer hauptsächlich in Kliniken eingesetzt, auch um die Kapazitäten zu erhöhen?

Das stellt tatsächlich ein großes Problem dar. Die meisten Teilnehmer/-innen sind ja über einen Arbeitgeber angestellt. Dort nehmen sie ganz normal an der Patientenversorgung teil und halten so das System am Laufen. Viele Kliniken sind auf ihre ausländischen Fachkräfte händeringend angewiesen, um überhaupt die Patientenversorgung gewährleisten zu können.

Problematisch sind die Fachpraktika in Strahlentherapie und Nuklearmedizin. Die meisten nehmen derzeit keine Anerkennungspraktikanten auf und die Praktika müssen nachgeholt werden. Damit können einige nicht in der geplanten Zeit die Berufsanerkennung erlangen und fehlen wieder in den Kliniken. Das ist ein Teufelskreis.

Wie gehen die Teilnehmer aktuell mit der Situation um?

Großartig! Wir bekommen von Teilnehmern/-innen und Arbeitgebern sehr viel Zuspruch und Unterstützung für unsere Bemühungen.

Und auch von Seiten der Landesbehörde in NRW wird alles Mögliche getan, um die Verfahren am Laufen zu halten. Das ist wirklich super! Einige sind sicher auch froh, dass durch die Online-Lösungen die Fahrwege wegfallen.

Was bedeutet die derzeitige Lage für die Länge der Anpassungslehrgänge? Müssen die Teilnehmer mehr Zeit aufbringen?

Wir sind momentan so aufgestellt, dass wir die angedachten Lehrgangszeiten einhalten können, zumindest den theoretischen Unterricht. Eine erhöhte Belastung entsteht dadurch, dass wir einen Teil der Online-Seminare am Abend anbieten. Dadurch können unsere Teilnehmer/-innen tagsüber an der Patientenversorgung teilnehmen und wir können die Vorlesungen splitten. So lustig ist es nämlich nicht, stundenlang an einem Online-Seminar teilzunehmen. Das ist für alle, Dozenten/-innen und Zuhörer/-innen anstrengend. Aber alle machen super mit und sind sehr diszipliniert. Vielen Dank an dieser Stelle an alle Beteiligten.

Dadurch werden auch die Tage der Teilnehmer/-innen länger, die nach dem Dienst in der Klinik sozusagen noch eine Abendschule besuchen müssen.

Insgesamt sind die Belastungen des Anpassungslehrganges auch ohne Corona schon sehr hoch und die Teilnehmer/-innen haben meine volle Bewunderung für das, was sie leisten. Die Abschlussgespräche bzw. Prüfungen sind ja auch nicht gerade ein Spaziergang - wir prüfen am Ende so, wie es mit einem MTRA-Examen vergleichbar ist. Dafür muss wirklich viel gebüffelt werden und das in einer fremden Sprache neben einem Vollzeitjob!

Sie wollten mit der MTRA-Schule mit dem regulären Ausbildungsbetrieb eigentlich im August 2020 starten. Hat die Corona-Krise Auswirkungen auf diese Planungen?

Ich bin sehr froh, dass ich aktuell keine MTRA-Auszubildenden betreuen muss und ziehe den Hut vor allen Kollegen/-innen, die das momentan meistern! Meine größte Sorge ist, ob wir alle Bestellungen rechtzeitig geliefert bekommen. Starten werden wir auf jeden Fall!

Was wir aus der aktuellen Krise für die Schule lernen ist, dass wir die digitalen Systeme ausbauen müssen. Die Schule soll ohnehin nahezu volldigital werden, nun verstärken wir aber die Bemühungen für mediendidaktische Konzepte. Hier kann ich viel aus dem Anpassungslehrgang lernen. „Mal eben so“ macht man keinen gute Online-Unterricht! Wir werden also vorbereitet sein.

Wie gehen Sie als Schulleitung mit der Corona-Krise um? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen? Ist Kurzarbeit derzeit ein Thema?

Meine größte Herausforderung ist aktuell, den Kontakt mit allen Beteiligten zu halten und mich eng über kurzfristige Termine und die benötigte Hard- und Software abzustimmen, seien es Teilnehmer/-innen, Arbeitgeber, Behörden oder Jobcenter. Im Homeoffice sind die Bedingungen nicht immer ideal und es entsteht ein deutlich höherer Planungs- und Dokumentationsaufwand. Zusätzlich muss ich meine gewohnten Komfortzonen verlassen und mich mehr mit den digitalen Möglichkeiten auseinandersetzen, als ich das freiwillig tun würde.

Kurzarbeit ist für mich kein Thema, im Gegenteil. Durch die Umstrukturierung des Anpassungslehrganges und Vorlesungen in den Abendstunden bei gleichzeitig „normalem“ Arbeitsaufwand sind die Tage momentan deutlich länger als unter „Nicht-Corona-Bedingungen“. Hinzu kommen die Korrekturen der Lernaufgaben, die es sonst nicht gab. Selbstmanagement und Zeit für Erholungsphasen ist derzeit schwieriger als ein Kampf gegen Langeweile.

Schließlich machen wir die Lehrgänge ja „nebenher“ und noch besteht die MTRA-Schule in Lüdenscheid aus einer Person. Hätte ich nicht die z.T. sehr selbstlose Unterstützung meiner Kollegen/-innen ginge das alles nicht. Die sitzen in ihrer Freizeit und arbeiten die Lehrkonzepte um. Das kann man gar nicht mit Geld bezahlen.

Welches Fazit würden Sie aus der derzeitigen Situation ziehen?

Es ist gut, dass wir so viele digitale Möglichkeiten haben, um die Folgen der Corona-Krise irgendwie abzufangen. Allerdings hoffe ich auch, dass wir „Nähe“ menschlich und im Unterricht nicht verlernen. Für mich findet Lernen noch immer im sozialen Kontext am effektivsten statt. Sicher kann man einige Dinge auch zukünftig „ins Netz“ verlagern, aber der soziale Kontakt ist essenziell.

Und ich bin sehr dankbar für die Unterstützung, damit wir weiterhin unseren Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten können.

Mein persönliches Fazit ist das meines Großvaters: „Man wird so alt wie eine Kuh und lernt immer noch dazu.“ Ich werde gezwungen, meine Kompetenzen zu erweitern und zu lernen.

Vielen Dank für das Interview.

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