Warum körperliche Bewegung zu mehr Essen verleitet

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Durch Sport werden mehr Kalorien verbraucht als im Sitzen, Stehen oder Liegen. projectphotos
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Welchen Einfluss hat Sport auf das (un-)mittelbare Ernährungsverhalten? Dieser Frage ist die Professur für Bewegung, Ernährung und Gesundheit der Technischen Universität München (TUM) nun erstmalig nachgegangen.

Laut einer Statistik der Deutschen Adipositas Gesellschaft sind in Deutschland rund zwei Drittel (67 Prozent) der Männer und die Hälfte (53 Prozent) der Frauen übergewichtig. Sie haben demnach einen Body-Mass-Index (BMI) von über 25. Der BMI ist die gebräuchlichste Formel zur Gewichtsberechnung. Werte zwischen 18,5 und 24,9 gelten als Normalgewicht.

Zudem wollen laut Verbrauchs- und Medienanalyse 2020 rund 7,17 Millionen Menschen in Deutschland an Gewicht verlieren. Wer abnehmen will, muss mehr Energie verbrauchen, als er zu sich nimmt. Eine Rolle spielt dabei auch die körperliche Bewegung. Denn durch Sport werden mehr Kalorien verbraucht als im Sitzen, Stehen oder Liegen. Doch welchen Einfluss hat Sport auf das (un-)mittelbare Ernährungsverhalten? Dieser Fragestellung ist die Professur für Bewegung, Ernährung und Gesundheit der TU München nun erstmalig nachgegangen.

Randomisierte Überkreuzstudie

„Im Sportkontext haben wir das Phänomen, dass Menschen nach körperlicher Bewegung zu viel essen“, erklärt Prof. Dr. Karsten Köhler, Leiter der Professur für Bewegung, Ernährung und Gesundheit. „Man will sich und den Körper dafür belohnen, dass man aktiv war. Wir wollten deshalb anhand eines hypothetischen Experiments herausfinden, warum Menschen nach dem Sport mehr essen im Vergleich dazu, wenn sie keinen Sport treiben.“

Ziel der randomisierten Überkreuzstudie war es, den Einfluss einer sportlichen Betätigung auf hypothetische Entscheidungen bezüglich der Menge und des Zeitpunkts der Nahrungsaufnahme zu untersuchen. Dafür wurden 41 gesunde Teilnehmerinnen und Teilnehmer (23 Frauen, 18 Männer) im Alter zwischen 19 und 29 Jahren mit einem durchschnittlichen BMI von 23,7 beim ersten Besuch nach dem Zufallsprinzip entweder einem 45-minütigen Training oder einer gleich langen Ruhephase zugewiesen und absolvierten beim zweiten Besuch die jeweils andere Studienbedingung.

Fragebogen über die subjektive Einschätzung zu Hunger und Sättigung

Die Trainingsgruppe beantwortete dabei jeweils vor der körperlichen Aktivität einen elektronischen Fragebogen über ihre subjektive Einschätzung zu Hunger und Sättigung, zu bevorzugter Nahrungsmenge zum Verzehr und zur Wahl zwischen Lebensmitteln, die sich im Zeitpunkt des Verzehrs unterscheiden. Die Probanden gaben ihre Präferenzen der Nahrungsmenge an, indem sie ihre gewünschte Portionsgröße eines jeden Nahrungsmittels aufführten. Die Präferenzen wurden dabei sowohl für den sofortigen als auch für einen späteren Verzehr des Essens nach vier Stunden ermittelt.

Nach der Beantwortung des ersten Fragebogens führten die Teilnehmenden 45 Minuten aerobes Training auf einem Fahrradergometer aus. Direkt im Anschluss füllten sie den elektronischen Fragebogen ein zweites Mal und nach 30 Minuten Pause dann noch ein drittes Mal aus. Die Vorgehensweise hinsichtlich der Gruppe ohne Training war identisch, anstatt 45 Minuten körperlicher Aktivität hatten sie jedoch eine Ruhepause.

Entwicklung neuer Interventionen

Im Vergleich zum Ruhen sorgte Bewegung zu einem größeren Anstieg der gewählten Nahrungsmenge sowohl unmittelbar nach dem Training als auch 30 Minuten danach. Die körperliche Aktivität führte außerdem zu einem höheren Anstieg der Präferenz für den sofortigen Verzehr von Nahrungsmitteln sowohl unmittelbar nach dem Training als auch 30 Minuten danach.

„Auf Basis der Studie konnten wir erstmals zeigen, dass sich bestimmte Eigenschaften, wie die Menge und die Dringlichkeit, mit der eine Person essen möchte, über den Verlauf einer körperlichen Belastung verändern“, ordnet Prof. Köhler die Ergebnisse ein. „Diese Befunde helfen uns bei der Entwicklung neuer Interventionen, um eine Gewichtsreduktion durch Sport zu optimieren.“

Die richtige Balance halten

Die Resultate deuten darauf hin, dass kompensatorische Erhöhungen der Nahrungsaufnahme nach dem Training das Ergebnis einer erhöhten Präferenz für die Nahrungsmenge in Verbindung mit einer erhöhten Tendenz für eine unmittelbarere Nahrungsaufnahme sind. Die Tatsache, dass Veränderungen in der Essensauswahl im Verlauf und im Anschluss an ein Training auftreten, unterstreicht die Bedeutung des Zeitpunkts der Nahrungsauswahl im Zusammenhang mit dem Training.

„In Anbetracht der Tatsache, dass die Gewichtsabnahme für viele ein Hauptmotiv für das Sporttreiben ist und ein Nichterreichen der gewünschten Gewichtsabnahme den Ausstieg aus dem Sport wahrscheinlich macht, könnten unsere Erkenntnisse die langfristige Einhaltung von Trainingsprogrammen verbessern und zu günstigen gesundheitlichen Ergebnissen über die Gewichtsabnahme beitragen“, so Prof. Köhler. „Letztendlich muss man natürlich die richtige Balance finden. Aber der Sport sollte auf keinen Fall als Entschuldigung herhalten, mehr zu essen!“

Originalpublikation:

Karsten Koehler, Safiya E. Beckford, Elise Thayer, Alexandra R. Martin, Julie B. Boron, and Jeffrey R. Stevens
Exercise Shifts Hypothetical Food Choices toward Greater Amounts and More Immediate Consumption
Nutrients 2021, 13(2), 347 - DOI: 10.3390/nu13020347
https://www.mdpi.com/2072-6643/13/2/347

Quelle: TUM, 06.04.2021





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