Vom Gen zur Mikrostruktur des Gehirns

Funktionsweise des Gehirns
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JuBrain
Der dreidimensionale zelluläre JuBrain-Atlas basiert auf mikrostrukturellen Kartierungen von zehn post mortem Gehirnen und zeigt die interindividuelle Variabilität der anatomischen Areale. Forschungszentrum Jülich/HBP
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Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich haben ein neues digitales Werkzeug entwickelt, mit dem sich der Zusammenhang zwischen Genen und der Funktionsweise des Gehirns besser verstehen lässt: das sogenannte JuBrain Gene Expression Tool (JuGEx).

Mit dem neuen Werkzeug können Wissenschaftler erforschen, wie bestimmte Gene zur Funktion und Fehlfunktion des Gehirns beitragen. In ihren ersten Analysen konnten die Forscher des europäischen Human Brain Projects (HBP) am Forschungszentrum Jülich bereits zwei Gene bestimmen, die in einem Teil des Gehirns besonders aktiv sind, der bei Patienten mit Depressionen erkennbare Veränderungen aufweist.

Weltweit sind groß angelegte Kartierungsprojekte, die sich auf unterschiedliche Aspekte der Hirnorganisation konzentrieren, gestartet worden, um die Komplexität des menschlichen Gehirns zu beschreiben. Dies hat zur Folge, dass es heute eine Reihe verschiedener Atlanten des Gehirns gibt, deren Fokus jeweils auf unterschiedlichen Aspekten liegt. So ist etwa der amerikanische Allen Brain Atlas daraufhin angelegt, die Expression von Genen zu studieren – in welchem Maße also bestimmte Gene in bestimmten Zelltypen aktiv sind. Karten auf Basis von Zellarchitekturen, mit denen sich verschiedene Hirnbereiche und ihre unterschiedliche Ausprägung in einzelnen Gehirnen bestimmen lassen, liefert dagegen der am Forschungszentrum Jülich entwickelte JuBrain.

„Die Verbindung von Daten aus beiden Atlanten ist ein wichtiger Schritt zur Überbrückung der verschiedenen Ebenen der Hirnorganisation. Wir müssen Möglichkeiten finden nachzuvollziehen, wie sich beispielsweise die Genexpression auf die Ebene der Mikrostruktur auswirkt“, sagt Prof. Katrin Amunts vom Forschungszentrum Jülich. Die Neurowissenschaftlerin und wissenschaftliche Direktorin des HBP leitet die Entwicklung des HBP-Atlasses, eines digitalen 3D-Modells, das viele verschiedene Skalen und Modalitäten integriert.

Ihr Team hat dafür nun JuGEx entwickelt. Das frei verfügbare Tool ermöglicht es, genetische Daten aus dem Allen Brain Atlas mit den mikrostrukturellen Karten von JuBrain zu verknüpfen. „Unser Ansatz macht es sehr einfach, zu testen, welche Gene in frei wählbaren Hirnregionen unterschiedlich stark exprimiert sind“, so Thomas Mühleisen, Genetiker am Forschungszentrum Jülich. Zusammen mit dem Neuroanatom Sebastian Bludau leitete er die Entwicklung von JuGEx. „Wenn man sich für Merkmale des Gehirns interessiert, die zum Beispiel durch strukturelle Magnetresonanztomographie identifiziert wurden, können wir die Genexpression, sprich die Aktivität von Genen, in dieser Region jetzt mit hoher räumlicher Genauigkeit untersuchen“, erklärt Mühleisen.

Vergleich von Daten mit JuGEx

Das Team untersuchte einen Aspekt von Depression, eine psychische Erkrankung mit starker Erblichkeit, um den Nutzen von JuGEx zu testen. „In einer unserer vorangegangenen Bildgebungsstudien mit JuBrain-Karten hatten wir festgestellt, dass das Volumen an grauer Hirnsubstanz im medialen Frontalpol bei Patienten mit dieser Pathologie im Vergleich zu gesunden Kontrollpatienten signifikant reduziert ist“, erklärt Bludau.

„Dieses Areal ist anhand seiner Mikrostruktur abgrenzbar und spielt in der Regulierung von Emotionen eine Rolle.“ Zum Abgleich einer Reihe von Kandidatengenen für Depression in diesem Areal verwendete das Team dann JuGEx und landete zwei Treffer: eine signifikante Hochregulierung der Gene MAOA und TAC1. MAOA kodiert ein Enzym, das beim Abbau von Neurotransmittern wie Serotonin wichtig ist, während TAC1 Hormone produziert, die eine Rolle bei Neuronen-Anregungen und Verhaltensreaktionen spielen.

„Wie die anderen Tools des HBP-Atlas wird auch JuGEx kontinuierlich weiterentwickelt und mit weiteren Funktionalitäten ausgestattet. Wir hoffen, dass es von einer breiteren, interdisziplinären Forschungsgemeinschaft als nützlich erachtet wird“, fasst Katrin Amunts zusammen. Auch Michael Hawrylycz vom renommierten Allen Brain Institute in Seattle, USA ist an der Entwicklung von JuGEx beteiligt. In Zusammenarbeit mit den Jülicher Forschern wird er das Tool in den kommenden Wochen und Monaten noch erweitern. (idw, red)

Literatur:

Sebastian Bludau, Thomas W. Mühleisen, Simon B. Eickhoff, Michael J. Hawrylycz, Sven Cichon, Katrin Amunts: Integration of transcriptomic and cytoarchitectonic data implicates a role for MAOA and TAC1 in the limbic-cortical network. 2018, Brain Structure and Function. DOI: 10.1007/s00429-018-1620-6.

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