Verstärkter Einsatz von Alternativen zu Tiermodellen?

Medizinischer Fortschritt durch humanrelevante Krankheitsmodelle
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In-vitro- und Ex-vivo-Modelle als Alternative zu Tiermodellen
Vitale Gewebeschnitte von Lunge und Atemwegen ist eines der bereits am Fraunhofer ITEM etablierten In-vitro- und Ex-vivo-Modelle. Die Forscher/-innen gehen nun neue Wege und entwickeln oder verfeinern Modelle für das Herz. Ralf Mohr, Fraunhofer ITEM
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Die Überzeugung, dass die biomedizinischen Wissenschaften mit weniger Tierversuchen vorankommen können, nimmt weltweit zu. Dafür sollen In-vivo-Experimente durch In-vitro-Modelle mit menschlichen Zellen oder Geweben ersetzt werden.

Wenn es allerdings darum geht, Krankheitsmechanismen, insbesondere auf Organ- und Systemebene, oder die Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten zu klären, seien Tiermodelle bisher noch unverzichtbar, betonen die Wissenschaftler. Deshalb arbeiten Forscher/-innen – auch am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM – daran, neue humanrelevante Krankheits- und Prüfmodelle gemäß dem 3R-Prinzip in vitro und ex vivo zu entwickeln.

Positionspapier der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie

Mit der Absicht, den Forschern einen Leitfaden für die Übertragung der Forschungsergebnisse aus dem Labor in die klinische Anwendung an die Hand zu geben, hat die Europäische Gesellschaft für Kardiologie ein Positionspapier verfasst. Darin hebt sie die jüngsten Fortschritte hervor bei dem Versuch, mithilfe von alternativen Methoden die Zahl der Versuchstiere für die kardiovaskuläre Forschung zu reduzieren. Genannt werden stammzellbasierte Zellmodelle, die In-situ-Modellierung von Herzeigenschaften, bioinformatische Modelle auf der Grundlage großer Datensätze und verbesserte aktuelle Tiermodelle, die klinisch relevante Merkmale aufweisen, welche bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen beobachtet werden.

Krankheitsmodelle sind erforderlich

„Für die experimentelle Forschung sind Krankheitsmodelle erforderlich – In-vitro- und auch Ex-vivo-Modelle –, insbesondere solche, die eine bessere Übertragbarkeit auf den Menschen zulassen, als es Tiermodelle erlauben“, erläutert Prof. Thomas Thum, Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Myokardiale Funktion“ und federführender Autor des Positionspapiers. Thum leitet das Fraunhofer ITEM und arbeitet bereits seit einigen Jahren mit menschlichem Herzgewebe, untersucht daran Pathomechanismen und forscht zu möglichen neuartigen Therapien für Herzerkrankungen. Herzerkrankungen sind jedoch sehr komplex, zumal meist auch andere Organsysteme beteiligt sind. Dieser Umstand macht es schwer, ein passendes alternatives Modell zu entwickeln. Mit bereits am Fraunhofer ITEM etablierten In-vitro- und Ex-vivo-Modellen, bislang insbesondere für Lunge und Atemwege, und mit computergestützten Verfahren wollen die Forscher nun neue Wege gehen und Modelle für das Herz verfeinern oder schaffen. Diese Modelle sollen eine bessere Vorhersage der Forschungsergebnisse für den Menschen ermöglichen und gleichzeitig Tierversuche möglichst vollständig vermeiden (Replacement), die Zahl der Tiere verringern (Reduction) und ihr Leiden in Versuchen auf das unerlässliche Maß beschränken (Refinement) – entsprechend des 3R-Prinzips.

Literatur:
Jolanda van der Velden, Folkert W Asselbergs, Jeroen Bakkers, et al.: Animal models and animal-free innovations for cardiovascular research: current status and routes to be explored. Consensus document of the ESC working group on myocardial function and the ESC Working Group on Cellular Biology of the Heart, Cardiovascular Research, 2022, cvab370, DOI: doi.org/10.1093/cvr/cvab370.

Quelle: idw/Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM

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