Unkontrollierte Beinbewegungen rauben den Schlaf

DGSM Jahrestagung 2017
Romy Held
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Der Schlafmedizinkongress in Münster beleuchtet den aktuellen Forschungs- und Behandlungsstand beim Restless Legs Syndrom.

Mit der Aufforderung „Schlaf bewegt!“ möchte auch in diesem Jahr die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) anlässlich Ihrer Jahrestagung auf die Auswirkungen gestörten Schlafes aufmerksam machen und für eine Verbesserung der Behandlung von Patienten mit Schlafstörungen eintreten. Das breitgefächerte Spektrum der Schlafmedizin bildet sich im wissenschaftlichen Programm ab und stellt aktuelle Schwerpunkte vor. Ein spezieller Fokus soll auf motorischen Phänomenen im Schlaf liegen. Lesen Sie hierzu ein Interview mit Frau Professor Svenja Happe, Kongresspräsidentin und neurologische Chefärztin der Klinik Maria Frieden Telgte, zum aktuellen Forschungs- und Behandlungsstand beim Restless Legs Syndrom (RLS):

Frau Professor Happe, was bedeutet RLS? Welche Symptome haben die betroffenen Patienten?
Das Restless Legs Syndrom (RLS), auch Syndrom der unruhigen Beine genannt,  geht mit einem Bewegungsdrang und mit Missempfindungen der Beine, seltener der Arme, einher. Die Symptome treten während Ruhe oder Inaktivität auf und bessern sich durch Bewegung. Es kommt zu einer Verschlimmerung in der Nacht oder bereits am Abend. Darüber hinaus kommt es zu Schlafstörungen und zu unwillkürlichen Bewegungen wie periodischen Beinbewegungen im Schlaf.

Wie häufig kommt die Erkrankung in Deutschland vor? Wen betrifft es zumeist?
In der deutschen erwachsenen Bevölkerung liegt die Häufigkeit des RLS bei 5-10 Prozent. Es ist damit eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen überhaupt, wobei Frauen etwa doppelt so oft betroffen sind. Zumeist treten die ersten Symptome in den mittleren Lebensjahren auf. Ca. 2-3 Prozent der Bevölkerung hat wegen eines RLS den Wunsch, dieses behandeln zu lassen.

Gibt es einen Zeitpunkt, wann RLS häufig diagnostiziert wird? Oder Vorerkrankungen, die es auslösen, bedingen?
Häufig tritt das RLS bei Frauen erstmals in der Schwangerschaft auf. Wir unterscheiden ein sogenanntes idiopathisches, häufig familiäres RLS von einem sekundären RLS.  Die wichtigsten Ursachen für ein sekundäres RLS sind ein Eisenmangel, besonders ein erniedrigter Ferritin-Spiegel, die Nierenschwäche, die Schilddrüsenunterfunktion, der Diabetes mellitus und die rheumatoide Arthritis. Außerdem können Rückenmarksschädigungen und Medikamente wie Antidepressiva sowie Dopaminantagonisten ein RLS auslösen oder verstärken. Die Polyneuropathie der großen Nervenfasern sollte bei klinischem Hinweis mit elektrophysiologischen Untersuchungsmethoden als Ursache der Beschwerden ausgeschlossen werden.

Wie sieht der aktuelle Behandlungsstandard aus?
Bevor mit einer spezifischen medikamentösen Therapie begonnen wird, müssen symptomatische Ursachen ausgeschlossen und gegebenenfalls behandelt werden. So ist die Eisengabe bei erniedrigten Blut-Spiegeln auch dann anzuraten, wenn keine Eisenmangelanämie festgestellt werden kann. Weitere unterstützende Therapiemöglichkeiten sind die Einhaltung schlafhygienischer Regeln und der Verzicht auf stimulierende oder die Symptomatik verschlechternde Substanzen wie z.B. Koffein, Alkohol, Neuroleptika und Antidepressiva. Medikamente der ersten Wahl in der Behandlung des RLS sind die Dopaminergika. Die Mehrzahl der Patienten verspürt zum Beispiel bereits nach einer einmaligen Gabe von L-Dopa eine Besserung der Beschwerden. Derzeit sind in Deutschland eine ganze Reihe gut helfender Medikamente zur Behandlung des RLS zugelassen. Die häufigste Nebenwirkung der dopaminergen Therapie ist eine Verstärkung der Symptomatik mit Vorverlagerung in die Tagesstunden im Sinne einer Augmentation. Dann sollte die Therapie umgestellt werden. Insgesamt ist immer eine individuelle Betreuung der Betroffenen wichtig, wobei die Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie berücksichtigt werden sollten.

Sind in absehbarer Zeit Fortschritte in der Behandlung zu erwarten? Wird RLS heilbar werden?
Von einer Heilung des RLS ist leider nicht auszugehen. In den meisten Fällen können wir die Symptome mit den zur Verfügung stehenden Medikamenten und Maßnahmen zufriedenstellend lindern. Es werden immer mehr genetische Hinweise bzgl. der Ursache des RLS entdeckt, möglicherweise wird es dazu in der Zukunft weitere Aufschlüsse auch bzgl. der Behandlung des RLS geben.

Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen Insomnie und periodischen Beinbewegungen?
Schlafstörungen sind oft ein sehr störendes Begleitsymptom des RLS und häufig die Ursache des ersten Arztkontaktes. Die erhöhte Tagesmüdigkeit resultiert aus Ein- und Durchschlafstörungen mit reduzierter Gesamtschlafzeit, jedoch auch aus vermindertem Tiefschlaf und geringer Schlafqualität. Darüber hinaus kommt es bei bis zu 90 Prozent der RLS Patienten zu so genannten periodischen Beinbewegungen im Schlaf (PLMS), die sich durch wiederholte, rhythmische, in Cluster von Minuten bis Stunden auftretenden Bewegungen der Großzehe oder des gesamten Fußes oder gar Beines charakterisieren, wobei sie insbesondere in den leichten Schlafstadien der ersten Nachthälfte auftreten. PLMS werden von den Patienten in der Regel selbst nicht wahrgenommen, führen jedoch aufgrund ihrer Charakteristik zu Ein- und Durchschlafstörungen und zu einem fragmentierten Schlaf.

Löst RLS Folgeerkrankungen aus?
Folgeerkrankungen sind nicht zu befürchten. Aber häufig gehen Angststörungen und depressive Störungen mit einem RLS einher.

Welche neuen Studien oder Behandlungsansätze gibt es? Was wird dazu auf der Jahrestagung der DGSM 2017 diskutiert?
Auf dem DGSM-Kongress in Münster werden sich insgesamt 7 Vorträge mit dem RLS beschäftigen. Im Hauptsymposium wird Frau Prof. Dr. Trenkwalder als ausgewiesene Expertin einen umfassenden Überblick über die Erkrankung mit dem Blick zurück und in die Zukunft geben.

Im Symposium 10 geht es u.a. um die Änderungen bei den Diagnosekriterien, die Früherkennung der Augmentation und Neuigkeiten in der Behandlung des RLS. Weitere Beiträge beleuchten die apparative Diagnostik beim RLS und PLMS: Rolle der Aktigraphie, des Suggested Immobilization Tests, der Methoden zur Bestimmung von PLM in der Schlaflaboruntersuchung und die neuen Möglichkeiten der kontaktlosen Messmethoden des Schlafes – von der Neurowissenschaft zur Mustererkennung mittels 3D-Videoanalyse. Last not least wird es um das RLS im Kindesalter und im Kontext von neurologischen Erkrankungen bei dem hiesigen Kongress gehen.

Was raten Sie Patienten mit Verdacht oder Diagnose RLS unbedingt zu berücksichtigen?
Die Diagnose wird klinisch gestellt, sekundäre Ursachen sollten unbedingt ausgeschlossen werden. Der Eisenspeicherwert Ferritin sollte kontrolliert und möglichst > 100µg/l betragen. Anfangs helfen oft leichte bis mäßige körperliche Aktivität am Tage und kühlende Maßnahmen am Abend. Ist die Lebensqualität, insbesondere auch durch die häufig begleitend auftretende Schlafstörung, maßgeblich eingeschränkt, sollte eine medikamentöse Therapie fachgerecht eingeleitet werden.

Quelle: Conventus/Romy Held

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