Streifzug der Zecken mit gesundheitlichen Folgen

Mikrobiologie
Angelika Thomas-Semm
Streifzug der Zecken mit gesundheit‧lichen Folgen
Zecke © Richard Bartz, eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, wikimedia
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Wären Zecken eine Species, wie die 1983 „entdeckte“ Steinlaus (engl. stone louse); syn. Petrophaga lorioti; aus der Familie der Lapivora², so würden wir sie vergnüglich beobachten und uns an ihrer Verbreitung erfreuen.

Leider ist dem nicht so. Im Gegenteil, Populationen diverser Zeckenarten breiten sich rasant von Süden nach Norden in Deutschland aus. In einigen Gegenden Bayerns und Baden-Württembergs haben sie bereits bedrohliche Umfänge angenommen. Forscher des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) sprechen von einem „Zecken-Jahr“ 2018.3

Abb. 11

Privatdozent Dr. Gerhard Dobler (DZIF) hat zusammen mit Kollegen ein Modell entwickelt, mit dem die Zeckendichte in Süddeutschland bereits im Winter für den jeweils kommenden Sommer vorausgesagt werden kann. Im Vergleich zu 2017, wo 187 Zecken pro standardisierter Fläche gezählt worden waren, werden 2018 etwa 443 pro standardisierter Fläche erwartet. Für die Prognose werden die punktförmigen, weniger als einen Millimeter großen Nymphen des Gemeinen Holzbocks (Ixodes ricinus) gesammelt, die bereits in der Lage sind, Krankheiten zu übertragen. Eine weitere prognostische Bezugsgröße in den betroffenen Gebieten sind, neben der Jahresdurchschnittstemperatur und der durchschnittlichen Wintertemperatur, die Anzahl der Bucheckern. Ist deren Anzahl in zwei Sommern zuvor hoch, so bestehen bessere Futtervorräte für Wild- und Nagetiere, als Überträger von Zecken.4 Eine hohe Anzahl an Zecken birgt stets auch ein höheres Risiko, durch Zeckenstiche an Borreliose (synonym: Lyme-Borreliose, Lyme-Disease, verursacht durch die Bakterienart Borrelia burgdorferi) oder an einer Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zu erkranken. Fast jede vierte Zecke trägt Erreger in sich und kann sie weitergeben, auch in nicht als Risikoregion eingestuften Gegenden. Das DZIF rät, sich nach jedem Spaziergang nach Zecken abzusuchen, um die Gefahr einer Infektion zu mindern beziehungsweise sich vor geplanten Ausflügen in Risikogegenden gegen FSME impfen zu lassen.5

Zecken besitzen einen Stech- und Saugapparat. Dieser besteht aus zwei scherenartigen Mundwerkzeugen (Cheliceren), mit denen die Zecken die Wirtshaut aufschneiden/-reißen und dem Hypostom zum Stechen. Wird man von einer Zecke gestochen, so dauert es unter Umständen ein bis zwei Tage, bis Borrelien übertragen werden. FSME-Viren hingegen werden schon kurz nach dem Stich übertragen. Rechtzeitiges Entfernen von Zecken vermindert demnach in erster Linie das Risiko einer Borrelien-Infektion erheblich.6 Zecken sind mehrjährige Tiere, ihre Aktivität ist abhängig von der Außentemperatur (circa 8 Grad Celsius). Auch in einem warmen Winter können vereinzelt Infektionen auftreten, ansonsten beschränken sich diese eher auf das Frühjahr und die Sommermonate. Zecken kommen praktisch überall dort vor, wo es Pflanzen gibt. Entgegen der Annahme, Zecken ließen sich von Bäumen fallen oder könnten springen, werden sie von Mensch und Tier an exponierten Stellen, in circa 10 bis 50 cm Höhe, im Vorübergehen abgestreift. Die Zecke sticht nicht gleich, sondern sucht unter Umständen mehrere Stunden nach einer geeigneten geschützten Einstichstelle. Beim Mensch bevorzugt am Kopf (Haaransatz, Ohren), häufig aber auch an anderen geschützten Stellen, zum Beispiel Hals, Achseln, Ellenbeuge, Bauchnabel, Genitalbereich oder Kniekehle. Der Saugakt von Ixodes ricinus dauert mehrere Tage (Larve: zwei bis vier Tage, Nymphe: drei bis fünf Tage, Adulte: sechs bis acht Tage). Helle Kleidung und lange, über den Knöcheln eng geschlossene Hosen, wie auch die Anwendung von Repellentien (chemische und biologische Wirkstoffe unter anderem zur Zeckenabwehr) auf der Haut oder auf der Kleidung schützen zeitlich begrenzt. Ist man trotzdem gestochen worden, so muss die Zecke, um das Infektionsrisiko zu minimieren, möglichst rasch nach dem Stich entfernt werden. Unter gar keinen Umständen darf sie mit Klebstoff oder Öl beträufelt werden, weil dieser Stressreiz die Zecke veranlassen könnte, über ihren Speichel Krankheitserreger in den Körper des Wirts abzugeben.7

Sollte sich nach einem Zeckenstich nach wenigen Tagen bis Wochen eine ringförmige Hautrötung zeigen, die in ihrem Zentrum blasser als am Rand ist und die sich gegebenenfalls ausweitet, so sollte ein Arzt zur Abklärung aufgesucht werden. Zeigen sich dazu noch neurologische Symptome oder kommt es zu massiven Gelenkschwellungen, so besteht ein begründeter Borrelioseverdacht und der Einsatz einer Antibiotikatherapie ist angeraten. Grippeähnliche Symptome, wie Fieber, Unwohlsein, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen, bedürfen ebenso einer Abklärung durch den Arzt, um eine FSME-Infektion auszuschließen.

Um Föten vor einer intrauterinen Übertragung des FSME-Erregers oder einer Übertragung über die Muttermilch zu schützen, wird Frauen, die in Zecken-Risikogebieten leben oder geplant Ferien machen wollen, geraten, sich vor einer Schwangerschaft impfen zu lassen. Ein Übertragungsweg über andere Species, zum Beispiel über Stechmücken, ist bisher nicht eindeutig nachgewiesen worden. In osteuropäischen Ländern und vereinzelt auch in Österreich und Deutschland allerdings über den Verzehr von Rohmilch oder Rohmilchkäsen von Ziegen aus FSME-Risikogebieten. Hier schaffen pasteurisierte Erzeugnisse Abhilfe. Eine Übertragung von FSME-Viren beziehungsweise Borreliose-Bakterien von Mensch zu Mensch ist nicht möglich.8

Um im diagnostischen Team den Mikrobiologen kompetent in Diagnostik und Therapieverlauf unterstützen zu können, sollten Biomedizinische Analytiker/-innen aus mikrobiologischen und fachverwandten Arbeitsfeldern mit gängigen Fragestellungen aktueller Krankheitsbilder sowie klassischer Untersuchungs- beziehungsweise klinischer Therapiestandards vertraut sein. Dazu gehören unter anderem Grundlagenkenntnisse der Pathogenese und Epidemiologie von Infektionskrankheiten sowie Antibiotika-Therapien, einschließlich – in Zeiten zunehmend multiresistenter Keime – des Umgangs mit erwartbaren möglichen Resistenzen. Ebenso die Aktualisierung der Methodenkompetenz und deren kritisches Hinterfragen bei der Anwendung und Validation von Befunden. Nähere Informationen zu den entsprechenden Weiterbildungsangeboten finden Sie unter www.diw-mta.de.

1 Abb. 1: Pschyrembel Weblog, Motiv der 261. Auflage; Quelle: Loriot: Möpse und Menschen. Eine Art Biographie. Zürich: Diogenes, 1983.
2 diesteinlaus.wordpress.com/loriot-uber-die-steinlaus/ zuletzt abgerufen 17.07.2018.
3 Vgl. www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/zecken/article/967251/meningitis-forscher-warnen-zecken-jahr-2018.html zuletzt abgerufen 17.07.2018.
4 Vgl. Brugger, K, Walter M, Chitimia-Dobler L, et al.: Exp Appl Acarol (2018). doi.org/10.1007/s10493–018–0267–6 zuletzt abgerufen 17.07.2018.
5 Vgl. www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/zecken/article/967251/meningitis-forscher-warnen-zecken-jahr-2018.html zuletzt abgerufen 17.07.2018.
6 Vgl. www.rki.de/SharedDocs/FAQ/FSME/Zecken/Zecken.html zuletzt abgerufen 17.07.2018.
7 Vgl. www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/borreliose/doc/zeckenentfernung.pdf zuletzt abgerufen 17.7.2018
8 Vgl. www.rki.de/SharedDocs/FAQ/FSME/Zecken/Zecken.html zuletzt abgerufen 17.07.2018.

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Entnommen aus MTA Dialog 9/2018

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