Spezialfarbstoff erlaubt neue Einblicke ins Gehirn

Nervenzellen bei der Arbeit zusehen
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Optischer Sensor für den Botenstoff Glycin
Optischer Sensor für den Botenstoff Glycin: Prof. Christian Henneberger (re) und sein Bonner Kollege Dr. Daniel Minge (li) schauen im Labor mit Hilfe eines Mikroskops dem Hirngewebe bei der Arbeit zu Rolf Müller/UK Bonn
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Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Canberra (Australien) sowie des Institute of Science and Technology Austria (Österreich) haben eine Art optischen Sensor für das Gehirn entwickelt.

Nervenzellen kommunizieren über Botenstoffe, so genannte Neurotransmitter. Einer davon ist das Glyzin, eine Aminosäure, die in fast allen Proteinen vorkommt. Glyzin übernimmt im Gehirn eine Doppelfunktion: Einerseits kann es die Aktivität einzelner Nervenzellen kurzzeitig hemmen. Andererseits kann es die elektrische „Verdrahtung“ aber auch langfristig beeinflussen – ein Vorgang, der etwa beim Lernen eine Rolle spielt.

Bisher nicht direkt messbar

Wie diese Funktionen im Detail zusammenspielen, weiß man bislang nur sehr grob. Ein Grund dafür ist, dass man Glyzin-Signale in verschiedenen Bereichen des Gehirns bisher nicht direkt optisch messen konnte. „Wir wissen also zum Beispiel nicht, auf welche Reize hin welche Zelle wieviel Glyzin ausschüttet sowie wo und wie schnell das passiert“, erklärt Prof. Dr. Christian Henneberger vom Institut für Zelluläre Neurowissenschaften der Universität Bonn.

Der optische Messfühler könnte das ändern. Entwickelt wurde er von den Projektpartnern der Australian National University in Canberra im Labor von Prof. Colin Jackson. Er besteht aus zwei Farbstoffen, die bei räumlicher Nähe Energie aufeinander übertragen können. Diese sind an einem Proteingerüst befestigt, das seinerseits an Glyzin binden kann. Wenn das passiert, ändert das Protein seine Gestalt, so dass sich die Farbstoffe voneinander entfernen. Die Energieübertragung wird damit verringert, und das Sensormolekül ändert seine Farbe. „Es gab bisher keine Möglichkeit, die Aktivität von Glyzin im Hirngewebe zu visualisieren – das können wir jetzt tun“, sagt Prof. Jackson.

Ausschüttung in Echtzeit verfolgen

„Der Sensor ist hochspezifisch für Glyzin“, betont Prof. Henneberger. „Mit ihm können wir daher die Ausschüttung dieses wichtigen Neurotransmitters in Echtzeit unter dem Mikroskop verfolgen.“ Die Bonner Arbeitsgruppe hat auf diese Weise bereits diverse Hypothesen bestätigt, für die es bislang nur indirekte Belege gab. In einem ihrer Versuche reizten sie beispielsweise Hirngewebe mit elektrischen Pulsen. Sie simulierten damit in vereinfachter Form eine Situation, wie sie auch beim Lernen auftritt.

„Wir konnten zeigen, dass durch diese Stimulation Glyzin ausgeschüttet wird“, erklärt der Neurowissenschaftler. „Wir wissen, dass durch derartige Reize manche elektrische Verbindungen dauerhaft gestärkt und andere langfristig heruntergefahren werden. Es ist also wahrscheinlich, dass die Ausschüttung von Glyzin dabei eine Rolle spielt.“

Die Wissenschaftler planen nun, die Mechanismen der Glyzinfreisetzung bei Lernvorgängen mithilfe des neuen Sensors weiter im Detail zu untersuchen. Außerdem erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse zu Hirnerkrankungen, wie zum Beispiel der Epilepsie. (idw, red)

Literatur:

William H. Zhang, Michel K. Herde, Joshua A. Mitchell, et al.: Monitoring hippocampal glycine with the computationally designed optical sensor GlyFS. Nature Chemical Biology; DOI: 10.1038/s41589-018-0108-2.

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