Selbstregulation des Darms: Physikalische Mechanismen aufgedeckt

Optimale Nahrungsaufnahme
ab
Strömungsgeschwindigkeit reguliert Nährstoffverfügbarkeit
Die Fließgeschwindigkeit im Darm reguliert die Nährstoffaufnahme und das Bakterienwachstum. © MPI-DS / Sara Gabrielli
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In einem komplexen Rückkopplungsmechanismus kann der Darm die Strömungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Nährstoffverfügbarkeit regulieren. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPI-DS) und der Technischen Universität München (TUM).

Die Gruppe von Karen Alim deckte die physikalischen Mechanismen der Selbstregulation des Darms auf. Hierdurch kann die Nährstoffaufnahme optimiert und gleichzeitig das unerwünschte Bakterienwachstum begrenzt werden. Der menschliche Darm ist etwa 7 Meter lang; es dauert ungefähr 8 Stunden, bis die Nahrung während der Verdauung den Dünndarm passiert hat. In dieser Zeit werden die Nährstoffe aus der Nahrung durch die vergrößerte Oberfläche des Darms absorbiert. Gleichzeitig nehmen nützliche an der Verdauung beteiligte Bakterien im Darm Nährstoffe aus der passierten Nahrung auf.

Bakterienzahl und Strömungsgeschwindigkeit 

Forschende des MPI-DS und der TUM zeigten nun, dass Nährstoffaufnahme und Bakterienzahl direkt an die Strömungsgeschwindigkeit im Darm gekoppelt sind: Bei hohen Geschwindigkeiten wird das Bakterienwachstum eingedämmt, gleichzeitig verschlechtert sich aber auch die Nährstoffaufnahme in den Darm. Im Gegensatz dazu kann eine niedrige Fließgeschwindigkeit die Nährstoffaufnahme verbessern, begünstigt aber auch ein übermäßiges Bakterienwachstum, was auf Dauer für das Verdauungssystem schädlich sein kann.

Komplexe Dynamik

Die Forschenden haben zum ersten Mal die komplexe Dynamik zwischen Nährstoffaufnahme, Strömung und Bakterienwachstum aufgezeigt. "Unser Mausmodell zeigte, dass bei einer bestimmten Fließgeschwindigkeit eine optimale Nährstoffaufnahme erreicht wird, während bei einer anderen Fließgeschwindigkeit optimale Bakterienzahlen erreicht werden", kommentiert Alim, Max-Planck-Forschungsgruppen-Leiterin am MPI-DS und Professorin für Theorie biologischer Netzwerke an der TUM.

Wechsel zwischen Fließgeschwindigkeiten

"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Darm zwischen diesen verschiedenen Fließgeschwindigkeiten wechselt, um die Nährstoffaufnahme und den Bakteriengehalt zu regulieren. Dies ist abhängig von der Nahrungsaufnahme oder dem Fasten und dem erreichten Bakteriengehalt im Darm", erklärt Agnese Codutti, Erstautorin der Studie. Auf diese Weise beeinflussen die Nährstoffaufnahme und die Bakterienkonzentration auch umgekehrt die Regulierung des Darmflusses.

Darmverhalten beeinflusst Gesundheit

Was aber passiert, wenn der Darm nicht richtig funktioniert? Jede Störung des Darmflusses und der Rückkopplungsmechanismen kann zu einem übermäßigen Bakterienwachstum führen. Dies könnte schwerwiegende Folgen für unsere Gesundheit haben und zu chronischer Müdigkeit, Kopfschmerzen, schlechter Nährstoffaufnahme und Blähungen führen. Die neuen Erkenntnisse der Studie liefern wichtige Einblicke in die Mechanismen, die diesen Krankheiten zugrunde liegen. Sie können so dazu beitragen, eine gesunde Darmflora zu erhalten, erklären die Forscherinnen.

Originalpublikation: 
“Changing Flows Balance Nutrient Absorption and Bacterial Growth along the Gut“ Agnese Codutti, Jonas Cremer, and Karen Alim, Phys. Rev. Lett. 129, 138101  https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.129.138101

Quelle:  Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPI-DS)

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