Schlüsselmoleküle für die Entstehung von Long COVID identifiziert

Hoffnung auf Therapieansätze
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Hoffnung auf Therapieansätze
Forschende der Universitätsmedizin Halle weisen im Blut von COVID-19-Patient*innen Entzündungsfaktoren nach. © Universitätsmedizin Halle
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Welche molekularbiologischen Ursachen zum Krankheitsbild Long COVID führen, haben Forschende aus Halle herausgefunden. Lassen sich die Studienergebnisse als therapeutischer Ansatz nutzten?

Auch nach einer überstandenen COVID-19-Erkrankung kann eine SARS-CoV-2-Infektion längerfristige gesundheitliche Folgen haben. Wenn diese Beschwerden länger als vier Wochen nach einer Infektion fortbestehen, spricht man von Post-COVID-Syndrom, auch Long COVID oder PASC (post-acute sequelae of COVID-19) genannt. Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Mascha Binder, Direktorin der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin IV der Universitätsmedizin Halle, hat sich im Rahmen der DigiHero-Studie nun den molekularbiologischen Ursachen gewidmet, die zu diesem Krankheitsbild führen.

Häufigsten Beschwerden: Atemnot und Erschöpfung

Für die DigiHero Studie wurden von den bis Oktober 2021 eingeschlossenen 8077 Teilnehmenden 651 in einem COVID-19-spezifischen Modul mittels Online-Fragebogen zum Verlauf ihrer COVID-19 Erkrankung sowie Folgebeschwerden und Impfstatus befragt. Die Auswertung ergab, dass 60 Prozent aller Teilnehmenden unter anhaltenden Beschwerden länger als vier Wochen nach Infektion leiden, in einigen Fällen bis zu 24 Monaten. Die hierbei am häufigsten berichteten Beschwerden waren Erschöpfung und Atemnot. Um die molekularen Grundlagen des post-COVID-Syndroms besser zu verstehen, wurde zusätzlich das Blut aller Teilnehmenden auf Autoantikörper und Entzündungsfaktoren analysiert.

Drei Faktoren identifiziert

Hierbei wurde herausgefunden, dass bestimmte Autoantikörperklassen, die auch in vielen rheumatischen Erkrankungen beobachtet werden, exklusiv in Personen mit überstandener SARS-CoV-2-Infektion für Monate nachweisbar sind, aber nicht mit den post-COVID-Symptomen korrelieren. Im Gegensatz dazu konnte gezeigt werden, dass insbesondere drei Entzündungsfaktoren – TNF, IL-1β und IL-6 – auch noch acht bis zehn Monate nach Infektion erhöhte Konzentrationen im Blut haben. 

Umprogrammierung der Zellen

„Die Identifizierung dieser drei Faktoren ist besonders interessant, weil für alle drei therapeutische Optionen bestehen und sie gleichzeitig Hinweise auf die molekulare Pathogenese des Long-COVID-Syndroms geben“, so Dr. Christoph Schultheiß, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin IV der Universitätsmedizin Halle und Erstautor der Studie. Alle drei Faktoren werden hauptsächlich von bestimmten Zellen des angeborenen Immunsystems ausgeschüttet, den sog. Monozyten und Makrophagen. Der Vergleich mit Proben aus der akuten COVID-19 Erkrankung legt nahe, dass diese Zellen eine Umprogrammierung erfahren, die sie dazu veranlasst, TNF, IL-1β und IL-6 ungebremst auszuschütten.

Therapeuthischen Ansatzpunkt?

Es wird seit längerem vermutet, dass diese Umprogrammierung durch die besondere Struktur des Spike-Proteins von SARS-CoV-2, welches ebenfalls lange nach Infektion im Blut zirkulieren kann, induziert wird. Ob diese drei Faktoren als Marker für das Post-COVID-Syndrom in Personen mit schweren COVID-19 Verläufen oder sogar als therapeutischer Ansatzpunkt genutzt werden können, wird nun in weiteren Studien untersucht.

Long-COVID-Syndrom

Für die Entstehung des Post-COVID-Syndroms ist es unerheblich, ob der akute Verlauf asymptomatisch, mild oder schwer war. Das Symptomspekturm ist vielfältig und umfasst oft krankhafte Erschöpfung (Fatique), pulmonare (Atemnot, Husten) und neurokognitive Störungen (Konzentrationsdefizit, Gedächtnisstörungen) bis hin zu Angstzuständen und Depressionen. Ähnliche Beobachtungen sind auch für andere virale Infektionen beschrieben. Mit zurzeit mehr als 500 Millionen SARS-CoV-2-Infektionen weltweit, ergibt sich ein globales Gesundheitsproblem, dessen molekularbiologische Ursachen dringend entschlüsselt werden müssen, um Risikogruppen zu identifizieren und gezielte Therapien zu ermöglichen.

DigiHero-Studie

„Die jetzt publizierten Ergebnisse sind auch ein Erfolg für das digitale Konzept der DigiHero-Studie.“, ergänzt Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk vom Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik der Universitätsmedizin Halle. „Die Kombination von digitaler Epidemiologie und selektiver Bioprobensammlung hat es uns nicht nur ermöglicht, innerhalb von zwei Wochen nach Einladung Studienteilnehmende zu rekrutieren und geeignete Probanden zu identifizieren, sondern auch pandemische Fragestellungen in Echtzeit zu beantworten.“

Publikation
Schultheiß C, Willscher E, Paschold L: The IL-1β, IL-6, and TNF cytokine triad is associated with post-acute sequelae of COVID-19. Cell Reports Medicine. Issue 6, 21 June 2022 www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666379122001951

Quelle: Universitätsmedizin Halle

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