Noonan-Syndrom: Hoffnung auf personalisierte Behandlungsoptionen

Angriffspunkte für Medikamente identifizieren
Die krankheitsspezifischen Symptome können geradezu gegensätzlich sein.
Das Noonan-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung, die mit Entwicklungsverzögerung wie Kleinwuchs einhergeht. © Yurii Kibalnik, stock.adobe.com
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Das Noonan-Syndrom ist eines der häufigsten genetischen Syndrome und die zweithäufigste Ursache für angeborene Herzfehler. Doch derzeit gibt es weder wirksame Medikamente noch Therapien. Das könnte sich bald ändern.

Das Noonan-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung, die mit Entwicklungsverzögerung, Kleinwuchs, besonderen Gesichtsmerkmalen und häufig auch mit einer frühzeitig auftretenden Herzerkrankung einhergeht. Mit einem Auftreten bei 1 zu 1.000 bis 2.500 Geburten ist das Syndrom eines der häufigsten genetischen Syndrome und die zweithäufigste Ursache für angeborene Herzfehler. Kleinkinder, die als Symptom der Krankheit einen verdickten Herzmuskel (hypertrophe Kardiomyopathie, kurz HCM) aufweisen, haben im Vergleich eine deutlich schlechtere Überlebensprognose als Noonan-Syndrom-Patient*innen ohne die hypertrophe Kardiomyopathie. Zudem entwickeln sie häufiger eine Herzschwäche. Bislang gibt es nur sehr eingeschränkte Behandlungsmöglichkeiten für die betroffenen Patient*innen.

Personalisierte Therapien identifizieren

An dieser Stelle setzt die Forschung von Dr. Lukas Cyganek, Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Leiter der Technologieplattform Stem Cell Unit der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) an. Für sein Vorhaben zur „Identifizierung personalisierter Behandlungsmöglichkeiten für das Noonan-Syndrom mittels Genotyp-Phänotyp-Korrelation in patientenspezifischen iPSCs“ erhält er von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Forschungsförderung in Höhe von 467.850 Euro für drei Jahre.

Spezielle genetische Veränderungen

Das Noonan-Syndrom entwickelt sich durch genetische Veränderungen, die sich auf den sogenannten RAS-MAPK-Signalweg auswirken und eine Hyperaktivität auslösen. Der molekulare Signalweg ist für das Wachstum und die Differenzierung der Zellen wichtig. Obwohl die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen kaum verstanden sind, wird ein Zusammenhang von Genotyp und Phänotyp bei Noonan-Patient*innen vermutet.

Komplett unterschiedliche Krankheitssymptome 

„Die krankheitsspezifischen Symptome können geradezu gegensätzlich sein. Einige Patient*innen entwickeln eine hochgradige hypertrophe Kardiomyopathie und andere Patient*innen keine. Daher deutet vieles darauf hin, dass die molekularen Effekte zwar überlappen, aber unterschiedlich sein können“, sagt Cyganek. Zusammen mit den Forscher*innen der Stem Cell Unit will er nun überprüfen, ob die Schwere der Herzmuskelerkrankung vom Grad der RAS-MAPK-Hyperaktivität abhängt und diese wiederum von der zugrundeliegenden Genmutation. „Da der RAS-MAPK-Signalweg allerdings in ständiger Interaktion mit anderen Signalwegen steht, könnte die Manifestation der hypertrophen Kardiomyopathie beim Noonan-Syndrom auch durch Kreuzaktivierungen dieser Wege ausgelöst werden“, so Cyganek.

iPSCs: Spezielle Stammzellen  für personalisierte Behandlungsoptionen

Um neue und personalisierbare Einblicke in die molekularen Vorgänge des Noonan-Syndroms in Bezug auf die spezifischen Symptome zu gewinnen, setzen Cyganek und das Team der Stem Cell Unit auf patientenspezifische induzierte pluripotente Stammzellen (iPSCs) aus Proben von Noonan-Patient*innen. 

Das Prozedere

Dafür wandelten die Forscher*innen zunächst Hautzellen von betroffenen Patient*innen in der Zellkulturschale zu iPSCs und korrigierten diese zudem mit der Genschere (CRISPR/Cas9). Die Zellen tragen die identischen genetischen Informationen der Spender*innen und somit auch etwaige genetische Veränderungen oder Defekte. 

Unterschiedliche Genvarianten

Die iPSCs weisen unterschiedliche Genvarianten entlang der RAS-MAPK-Signalkaskade auf.  Diesen liegen Proben von Noonan-Patient*innen sowohl mit einer mittelschweren bis schweren Form der hypertrophen Kardiomyopathie sowie Noonan-Patient*innen ohne die Herzmuskelerkrankung zugrunde. Das so gewonnene iPSC-Spektrum umfasst insgesamt über 30 Zelllinien. Es soll nun anhand eines humanen Modellsystems die Aufklärung der Genotyp-Phänotyp-Beziehung ermöglichen.

Angriffspunkte für Medikamente finden

„Durch die Charakterisierung der iPSC-Kardiomyozyten der gesamten Patientenkohorte auf molekularer, zellulärer, funktioneller und 3D-Gewebeebene, planen wir einen Zusammenhang zwischen den Genotypen und den phänotypischen Profilen der Patientenzellen herzustellen. Dies wird uns eine Gruppierung von Patient*innen entsprechend der einzigartigen Krankheitssignaturen ermöglichen. Zudem erhoffen wir uns hierüber neue und präzisere Angriffspunkte für Medikamente zu identifizieren“, so Dr. Cyganek weiter.

Individuelle Behandlungsoptionen in Sicht?

Mithilfe eines präklinischen Wirkstoff-Screenings können dann die Auswirkungen verschiedener Signalweg-Hemmstoffe auf die molekularen und funktionellen Eigenschaften der Herzmuskelzellen der Noonan-Patient*innen bewertet werden. „Beim Screening sind die Wirkstoff-Zusammensetzungen auf die jeweiligen Genotypen und Krankheitssignaturen zugeschnitten. Mit diesem Ansatz könnte die Wahl und Dosis der verfügbaren Behandlungsoptionen für Noonan-Syndrom-Patient*innen zukünftig optimal auf den Patienten zugeschnitten werden“, sagt Cyganek.Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Erforschung von personalisierten Behandlungsmöglichkeiten des Noonan-Syndroms in der Stem Cell Unit der Universitätsmedizin Göttingen mit 467.580 Euro.

Die Stem Cell Unit

Die Stem Cell Unit – Göttingen (SCU) ist eine Technologieplattform der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). Die Einrichtung dient der Unterstützung in Forschung und Lehre auf dem Gebiet humaner iPS-Zellen und CRIPSR/Cas9-basierter Genomeditierung für Kliniken und Institute der UMG und der Georg-August-Universität Göttingen sowie für inner- und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen des Wissenschaftsstandorts Göttingen und darüber hinaus. Die Forschungsschwerpunkte liegen auf die Generierung patientenspezifischer und CRISPR/Cas9-konstruierter iPS-Zellen und deren Anwendungen in Disease Modeling, Tissue Engineering, Hochdurchsatz-Medikamenten-Screenings sowie CRISPR/Cas-basierter Gentherapie.


 
Quelle: Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität

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