Neu entdeckte Immunzellen an entzündlichen Hirnerkrankungen beteiligt

Bessere Therapieansätze bei MS?
lz
Immunfluoreszenz von entzündlich verändertem Rückenmark
Immunfluoreszenz von entzündlich verändertem Rückenmark mit roten Mikrogliazellen und grünen aus dem Blut eingewanderten Makrophagen. MJC Jordao/ Universitätsklinikum Freiburg
Newsletter­anmeldung

Bleiben Sie auf dem Laufenden. Der MT-Dialog-Newsletter informiert Sie jede Woche kostenfrei über die wichtigsten Branchen-News, aktuelle Themen und die neusten Stellenangebote.


Bislang unbekannter Immunzelltyp ist im Gehirn wesentlich an Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose beteiligt. Dies nährt die Hoffnung auf spezifischere und nebenwirkungsarme Therapieansätze.

Ein Team von Forschern unter Leitung des Universitätsklinikums Freiburg konnte im Tiermodell nachweisen, dass bislang völlig unbekannte Immunzelltypen im Verlauf von Multipler Sklerose (MS) im entzündeten Gehirn zu finden sind. Der Nachweis gelang mittels einer neuen, hochauflösenden Methode zur Untersuchung von Einzelzellen. So konnten die Forscher aus Freiburg und München eine Art Immunzell-Atlas für das Gehirn erstellen. Sie zeigten außerdem, wie diese Zellen die Autoimmun-Erkrankung MS vorantreiben.

Neuartige Subtypen von Zellen

„Unsere Ergebnisse stellen einen Durchbruch für das Verständnis von autoimmunen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose dar. Wir haben die Hoffnung, dass jetzt neue zellspezifischere und nebenwirkungsarme Therapieansätze entwickelt werden können, mit denen sich entzündliche Erkrankungen wie MS behandeln lassen“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Marco Prinz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Freiburg. „Das Hauptproblem bei der bisher unzureichenden Therapie war, dass das gesamte Immunsystem gehemmt wurde. Wir konnten jedoch neuartige Subtypen von Zellen finden, die spezifisch für die lokale Entzündung und Zerstörung bei der MS sind. Die könnten somit ganz gezielt ausgeschaltet werden“, sagt Prof. Prinz.

Vor allem Frauen leiden unter Multipler Sklerose

Multiple Sklerose ist eine der häufigsten entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS), das Gehirn und Rückenmark umfasst. Frauen sind häufiger als Männer betroffen, typischerweise tritt die Erkrankung im Alter zwischen 20 und 40 Jahren erstmals auf. In Deutschland sind etwa 120.000 Menschen an MS erkrankt. „Man nimmt an, dass die MS eine Autoimmunerkrankung ist, bei der Immunzellen irrtümlicherweise Strukturen des zentralen Nervensystems angreifen und dadurch die Entzündung hervorrufen“, erklärt Prof. Prinz, der auch an den Exzellenzclustern Centre for Biological Signalling Studies – BIOSS und Centre for Integrative Biological Signalling Studies – CIBSS der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg beteiligt ist. Dass bei der MS Fresszellen des Blutes und des Gehirns beteiligt sind, wusste man schon seit vielen Jahren; welche Subtypen genau, war jedoch bislang unklar. Im Tiermodell der Multiplen Sklerose haben die Wissenschaftler dies in jahrelanger Forschungsarbeit herausgefunden.

Weiße Flecken im Immunzell-Atlas gefüllt

Durch die Verwendung neuester, hochauflösender Einzel-Zellmethoden ist es den Forschern gelungen, die komplexe Zusammensetzung der am Entzündungsherd vorhandenen Zellen, das sogenannte Entzündungsinfiltrat, zu entschlüsseln. So konnten sie einen neuen Immunzell-Atlas des Gehirns etablieren. Die von den Forschern verwendeten Einzelzellanalysen (single cell analyses) sind neuartig und können in der Medizin für die Untersuchung einzelner Zellen aus Geweben verwendet werden. In den Augen der Forscher haben sie ein enormes Potential. „Diese Methoden erlauben uns, ein völlig neues zelluläres Bild von sehr komplexen Geweben wie dem Hirn zu erlangen“, sagt Dr. Dominic Grün, einer der Pioniere dieser Technik und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik Freiburg, der an dieser Studie beteiligt war.

Daueraktivierung der Immunzellen

Die Erstautorin der Studie Marta Joana Costa Jordão, Doktorandin am Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg, konnte darüber hinaus zeigen, dass verschiedene Fresszellen im Gehirn während der Erkrankung chronisch aktiviert bleiben. Bislang wurde angenommen, dass sie durch zirkulierende Blutzellen rasch erneuert werden. „Diese Daueraktivierung der Immunzellen könnte erklären, warum bei MS das Gehirn über Jahre chronisch angegriffen wird“, sagt Costa Jordão. (idw, red)

Literatur:

Marta Joana Costa Jordão, Roman Sankowski, Stefanie M. Brendecke, et al.: Single-cell profiling identifies myeloid cell subsets with distinct fates during neuroinflammation. Science  25 Jan 2019, Vol. 363, Issue 6425, eaat7554, DOI: 10.1126/science.aat7554.

Artikel teilen

Online-Angebot der MT im Dialog

Um das Online-Angebot der MT im Dialog uneingeschränkt nutzen zu können, müssen Sie sich einmalig mit Ihrer DVTA-Mitglieds- oder Abonnentennummer registrieren.

Stellen- und Rubrikenmarkt

Möchten Sie eine Anzeige in der MT im Dialog schalten?

Stellenmarkt
Industrieanzeige