Mit Quantentechnologie Kernspinanwendungen revolutionieren

Reinhart Koselleck-Projekt
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Quantentechnologie
Herkömmliches MRT-Gerät an der Universitätsklinik Ulm. Im Zuge des Reinhart Koselleck-Projekts will Prof. Martin Plenio unter anderem solche Geräte optimieren Heiko Grandel
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Dank Quantentechnologie will der Ulmer Physiker Prof. Martin Plenio die Grenzen der Kernspinresonanz überwinden und die medizinische Bildgebung mittels Magnetresonanztomografie (MRT) sowie die NMR-Spektroskopie optimieren.

In einem winzigen Blutstropfen nach Krankheitsmarkern fahnden, die Struktur und Dynamik einzelner Proteine im Körper aufklären oder hochgenaue chemische Analysen von Oberflächen durchführen. Bisher sind Anwendungen der Kernspinresonanz wie die medizinische MRT-Bildgebung oder die NMR-Spektroskopie nicht sensitiv genug, um solche Untersuchungen zu ermöglichen. Doch nun will Prof. Martin Plenio den Weg zur Kernspinresonanz auf der Mikro- und Nanoskala mithilfe der Quantentechnologie ebnen.



Für dieses innovative, aber auch riskante Forschungsvorhaben hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dem Theoretischen Physiker ein Reinhart Koselleck-Projekt über 1,5 Millionen Euro für fünf Jahre bewilligt: Im Rahmen dieser sehr selten vergebenen Forschungsförderung haben durch besondere wissenschaftliche Leistungen ausgewiesene Forschende die Möglichkeit, relevanten Fragestellungen mit unklaren Erfolgsaussichten nachzugehen.

Derzeitige Geräte sind nicht sehr empfindlich

Die Kernspinresonanz bildet die Grundlage der NMR-Spektroskopie, einer Standardmethode zur Untersuchung von Atomen und Molekülen in den Naturwissenschaften sowie der medizinischen Bildgebung mittels Magnetresonanztomografie (MRT). Diese Anwendungen nutzen Kernspins, um die Struktur der molekularen magnetischen Umgebung aufzuklären und erreichen dabei eine hohe Spezifizität. Allerdings sind derzeitige Geräte, die in Forschungseinrichtungen oder Krankenhäusern eingesetzt werden, nicht sehr empfindlich und benötigen extrem starke Magnetfelder.

„Die relativ geringe Sensitivität heutiger NMR-Geräte führt zu einem ungünstigen Signal-zu-Rauschen-Verhältnis und schränkt ihre Anwendbarkeit bei kleinen Proben stark ein“, erläutert Prof. Martin Plenio, Leiter des Instituts für Theoretische Physik an der Universität Ulm. Im Zuge des Reinhart Koselleck-Projektes will Plenio die Grenzen der Kernspinresonanz mit Quantentechnologie überwinden.
Ziel sind kleine, kosteneffiziente NMR-Geräte, die einfach zu handhaben sind und auch beispielsweise in der Hausarztpraxis Anwendung finden können.

Künstliche Nanodiamanten spielen eine Schlüsselrolle

Auf dem Weg dahin spielen künstliche Nanodiamanten eine Schlüsselrolle. Neben verbesserten Kontroll- und Detektionsmethoden wollen die Forschenden um Plenio Diamanthybridarchitekturen so optimieren, dass sowohl die Robustheit gegenüber dem Rauschen als auch die Sensitivität für NMR-Signale erhöht wird. Ein wichtiges Ziel dabei ist die Hyperpolarisation: In den Farbstoffzentren der künstlichen Diamanten kann der Elektronenspin der kleinsten Teilchen kontrolliert ausgerichtet werden. Gelingt es, diese Ausrichtung auf die umgebenden Moleküle zu übertragen, sodass alle magnetischen Momente in dieselbe Richtung zeigen, ist die Hyperpolarisation erreicht. In diesem Zustand wäre das NMR-Signal im besten Fall um den Faktor 100.000 verstärkt, und entsprechende Geräte könnten eine nie dagewesene Sensitivität erreichen. Allerdings wäre das verstärkte Signal weiterhin verrauscht und schwierig zu detektieren.

Mit Methoden aus der Signalverarbeitung muss also das für die Forschenden relevante Signal vom Rauschen getrennt werden. „In den letzten Jahren sind bei der Forschung zur Detektion von Gravitationswellen viele Grundlagen zur Substraktion des Rauschens gelegt worden, die wir womöglich auf das Koselleck-Projekt übertragen können“, erklärt Plenio, der 2009 als Alexander von Humboldt-Professor an die Universität Ulm gekommen ist.

Doch warum bewertet die DFG das Projekt als „risikobehaftet“? Wenn alles gut läuft, können die Forschenden in fünf Jahren die Umsetzbarkeit nanoskaliger NMR-Messungen demonstrieren und damit beginnen, entsprechende Geräte bis zur Marktreife zu entwickeln. Allerdings könnte sich auch herausstellen, dass solche hoch auflösenden NMR-Anwendungen auf der Mikro- und Nanoskala derzeit nicht entwickelt werden können. Doch auch wenn das Endziel vielleicht nicht erreicht wird: In jedem Fall erlangen die Forschenden nützliche Erkenntnisse für die Quantensensorik, die womöglich in neue Technologien münden.


Quelle. Universität Ulm; 19.06.2019

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