Lymphdrüsenkrebs: Wie bilden sich Absiedlungen im Gehirn?

Schlüssel für präventive Therapie?
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einzelne Lymphomzellen
Mit einer speziellen Mikroskopie-Technik können Wissenschaftler einzelne Lymphomzellen (rot gefärbt) im lebenden Gehirn einer Maus über längere Zeit mitverfolgen. Nach 24 Stunden ist die Lymphomzelle aus dem Blutgefäß ins Hirngewebe eingewandert (rechts). Heikenwälder/DKFZ
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Lymphdrüsenkrebs im zentralen Nervensystem ist selten, aber gefährlich. Wissenschaftler im DKFZ haben jetzt herausgefunden, welche molekularen Mechanismen zu Absiedlungen der Lymphome ins zentrale Nervensystem führen.

Lymphome des zentralen Nervensystems (ZNS-Lymphome) sind eine seltene aber gleichzeitig eine sehr aggressive Form von Lymphdrüsenkrebs. Insbesondere Patienten mit sekundären ZNS-Lymphomen haben eine schlechte Prognose. Bei dieser Form handelt es sich um Absiedlungen von Lymphomen, die zuerst an anderen Körperstellen aufgetreten sind, etwa in der Milz. Wie es dazu kommt, dass Lymphomzellen ins Gehirn einwandern und sich dort einnisten, war bisher weitgehend ungeklärt. „Wir konnten jetzt nachweisen, dass Entzündungsvorgänge im Gehirn dabei eine zentrale Rolle spielen“, sagt Mathias Heikenwälder, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Gemeinsam mit Kollegen vom Helmholtz Zentrum München und von der TU München ist es dem DKFZ-Forscher und seinem Team gelungen, die zugrundeliegenden zellbiologischen Mechanismen zu entschlüsseln.

Wichtiger Faktor NF-kappaB

Ein wichtiger Faktor im Zusammenhang mit chronischen Entzündungen im Gehirn ist NF-kappaB. Dieser Transkriptionsfaktor entscheidet darüber, welche Gene in einer Zelle aktiv sind und spielt für die Regulation der Immunantwort eine wichtige Rolle. Außerdem verdichten sich die Hinweise darauf, dass NF-kappaB und sein Signalweg auch im Zusammenhang mit ZNS-Lymphomen von Bedeutung sind.

Die Forscher züchteten genetisch veränderte Mäuse, um Entzündungsvorgänge im Gehirn zu untersuchen, bei denen NF-kappaB im zentralen Nervensystem permanent aktiv ist. „Diese Tiere entwickeln bereits sehr früh entzündliche Veränderungen im Gehirn. Solche Veränderungen finden wir auch in Gehirngewebe von Lymphompatienten, deren Gewebe wir untersucht haben“, erklärt Heikenwälder.

Was hält Lymphomzellen fest?

Heikenwälders Team spritzte diesen Tieren nun Lymphomzellen. Die Nager entwickelten tatsächlich Absiedlungen der Lymphome im ZNS. Bei Artgenossen ohne chronische NF-kappaB-Aktivierung war dies jedoch nicht der Fall. „Wir haben mit einer speziellen Mikroskopie-Technik beobachtet, dass die Lymphomzellen auch bei normalen Mäusen von den Blutgefäßen ins Gehirn einwandern. Allerdings verbleiben sie bei diesen Tieren nicht im Gehirn, sondern wandern wieder in die peripheren Blutgefäße zurück. Bei den genetisch veränderten Nagern verblieben die eingewanderten Lymphomzellen jedoch im Gehirn. „Interessant war also, was sie dort hält“, so Heikenwälder.

Rolle des Signalmoleküls CCL19

Im gesunden, entzündungsfreien Gehirn sorgt ein Botenstoff dafür, dass weiße Blutkörperchen, aber auch Lymphomzellen, vom Gehirngewebe wieder zurück in die Blutgefäße wandern. Die DKFZ-Wissenschaftler konnten jetzt in ihren Experimenten einen wichtigen Gegenspieler dieses Botenstoffs ausmachen: Das Signalmolekül CCL19, dessen Produktion von NF-kappaB angekurbelt wird. „Die beiden Botenstoffe kämpfen quasi um den Verbleib der Lymphomzellen“, erläutert Heikenwälder. „Im Fall einer Entzündungssituation mit erhöhter NF-kappaB-Aktivität ist auch mehr CCL19 vorhanden, wodurch es die Oberhand gewinnt und die Lymphomzellen im Gehirn hält.“ Dort vermehren sie sich und wachsen zu Tumoren heran.

Ähnliche Situation bei Menschen

Die Wissenschaftler fanden in menschlichen Gehirnen eine ähnliche Situation vor. Bei Menschen mit primären oder sekundären Lymphomen im zentralen Nervensystem ist ebenfalls der NF-kappaB-Signalweg aktiviert und dadurch mehr CCL19 vorhanden. Der Botenstoff wird – genau wie bei den Mäusen – von speziellen Gehirnzellen, den Astrozyten ausgeschüttet. Damit liefern die DKFZ-Forscher nicht nur erstmals eine Erklärung dafür, wie sekundäre ZNS-Lymphome entstehen. „Wir haben entzündliche Gehirnveränderungen als potenziellen Risikofaktor für ZNS-Lymphome identifiziert“, sagt Heikenwälder.

Im Experiment hatten sich Lymphomzellen bei älteren Tieren, die nicht genetisch verändert waren, genau so verhalten wie in genetisch veränderten jungen Tieren mit chronischen Entzündungen. „Jetzt kann man darüber nachdenken, ob und wie sich Entzündungssituationen im Gehirn bei Lymphompatienten präventiv behandeln lassen, um sekundäre ZNS-Lymphome zu verhindern.“

Literatur:

Tracy O'Connor, Xiaolan Zhou, Jan Kosla, et al.: Age-related gliosis promotes central nervous system lymphoma through CCL19-mediated tumor cell retention. Cancer Cell, 2019, DOI: 10.1016/j.ccell.2019.08.001.

Quelle: DKFZ

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