Lichtverschmutzung unterdrückt „Dunkelhormon“ Melatonin

Auswirkungen bei Mensch und Tier
lz
Erde bei Nacht
Erde bei Nacht (1994/95) Marc Imhoff/NASA GSFC, Christopher Elvidge/NOAA NGDC; Image: Craig Mayhew and Robert Simmon/NASA, Gemeinfrei
Newsletter­anmeldung

Bleiben Sie auf dem Laufenden. Der MT-Dialog-Newsletter informiert Sie jede Woche kostenfrei über die wichtigsten Branchen-News, aktuelle Themen und die neusten Stellenangebote.


Dank eines hohen Melatoninspiegels werden wir abends müde. Das Melatonin taktet unsere innere Uhr. Ein Forschungsteam hat nun Daten zur Auswirkung von Lichtverschmutzung auf die Melatoninbildung beim Menschen und bei Wirbeltieren ausgewertet. Das Ergebnis ist beunruhigend.

Melatonin prägt den Tag-Nacht-Rhythmus beim Menschen und auch bei Wirbeltieren. Organe, Gewebe und Zellen stellen abhängig von der Konzentration dieses Hormons ihre innere Uhr. Melatonin steuert auch Prozesse wie Fortpflanzung und Wachstum. Über Lichtrezeptoren, beispielsweise auf der Netzhaut im Auge, nehmen Wirbeltiere und der Mensch Unterschiede in der Helligkeit ihrer Umgebung war. Wenn viel Licht auf die Rezeptoren wirkt, wird die Bildung von Melatonin unterdrückt. Bei Dunkelheit wird viel Melatonin gebildet.

Empfindlichkeitsschwelle beim Menschen liegt bei 6 Lux

Das künstliche Licht bei Nacht kann den Melatoninhaushalt stören, wenn mit der Dunkelheit eigentlich die Melatoninproduktion einsetzen sollte. Die Forschenden vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und in einem internationalen Team identifizierten im Rahmen einer Literaturrecherche aus 1.900 Studien 72 relevante Arbeiten, die ihre Kriterien zur Untersuchung von Lichtverschmutzung erfüllten. Sie zeigen anhand der Datenlage, dass bereits sehr geringe Lichtintensitäten die Ausschüttung des Melatonins unterdrücken: Bei Fischen liegt die Schwelle nur bei 0,01 Lux, bei Nagern bei 0,03 Lux und bei empfindlichen Menschen bei 6 Lux, bei Licht mit einem hohen Blaulichtanteil sogar weit darunter.

Vollmondnacht erreicht Maximum von 0,3 Lux

Dazu im Vergleich die Beleuchtungsstärken, welche die Lebewesen in der Nacht erfahren: In einer sternenklaren Nacht liegt die Beleuchtungsstärke bei 0,001 Lux. In einer Vollmondnacht erreicht sie ein Maximum von 0,3 Lux. Die Lichtglocke einer Stadt kann Beleuchtungsstärken bis zu 0,1 Lux, eine Straßenbeleuchtung mehr als 150 Lux erreichen.

„Das Erstaunliche ist, dass schon die sehr geringen Intensitäten der Lichtglocke einer Stadt ausreichen, um bei bestimmten Wirbeltierklassen wie Fischen und Nagern die Melatoninproduktion zu unterdrücken“, sagt die Erstautorin Dr. Maja Grubisic vom IGB. „Von dieser Art Lichtverschmutzung sind weltweit große Areale betroffen, wie wir aus der Auswertung von Satellitendaten wissen“, ergänzt ihr Kollege Dr. Andreas Jechow. Denn das Licht von künstlicher Beleuchtung strahlt in den Himmel und wird an Wolken und Partikeln reflektiert, wodurch eine große Lichtglocke entsteht.

Auswirkungen auf Reptilien und Amphibien?

Die Forschenden stießen bei ihrer Datenauswertung auch auf Wissenslücken: „Bisher gibt es keine Studien zu den Folgen von Lichtverschmutzung auf die Melatoninbildung bei Reptilien und Amphibien, Langzeitfolgen sind wenig erforscht. Und insbesondere die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sind noch nicht hinreichend verstanden“, stellt IGB-Forscher Dr. Franz Hölker fest, der die Studie geleitet hat.

Literatur:

Grubisic M, Haim A, Bhusal P, et al.: Light Pollution, Circadian Photoreception, and Melatonin in Vertebrates. Sustainability 2019, 11, 6400.


Quelle: idw/Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

Artikel teilen

Online-Angebot der MT im Dialog

Um das Online-Angebot der MT im Dialog uneingeschränkt nutzen zu können, müssen Sie sich einmalig mit Ihrer DVTA-Mitglieds- oder Abonnentennummer registrieren.

Stellen- und Rubrikenmarkt

Möchten Sie eine Anzeige in der MT im Dialog schalten?

Stellenmarkt
Industrieanzeige