Lebensrettende Gewebespenden

Spektakuläre Operation
lz
Kooperation mit der Gewebebank
Die Kunst der Chirurgen und die Kooperation mit der Gewebebank haben Volker Löhr das Leben gerettet: (v.l.) Hermann Josef Knobl, Dr. Stefan Heisel, Volker Löhr und Ernest Danch. Armin Kühn
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Spektakuläre Operation am Krankenhaus Bad Oeynhausen. Sechs Gewebespenden aus der Gewebebank des HDZ NRW und zwei Spezialisten retteten Volker Löhr das Leben.

Als Volker Löhr kurz nach Weihnachten in die Notaufnahme des Krankenhauses Lübbecke-Rahden eingeliefert wird, ist ihm seine lebensbedrohliche Situation nicht bewusst. Erst als die Ärzte ihn in die Klinik für Gefäßchirurgie des Krankenhauses Bad Oeynhausen verlegen lassen, wird ihm der Ernst der Lage klar. 2007 war er dort nach dem Verschluss der Beckenschlagader schon einmal operiert worden. Einen Teil der lebenswichtigen Arterie hatten die Chirurgen damals durch eine Kunststoffprothese ersetzt.

Prothese hatte sich entzündet

„Über ein Jahrzehnt gab es keinerlei Probleme“, sagt Löhr mit einem Schulterzucken. Doch jetzt hatte sich die Prothese entzündet. Sie muss umgehend entfernt und ersetzt werden. Doch womit? Sein Leben hängt am seidenen Faden. Den 61-jährigen Volker Löhr trifft die Nachricht hart. „Ich dachte, dass ich die Operation nicht durchhalte. Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen. Doch die Bad Oeynhauser Ärzte haben mir Mut gemacht“, erzählt Volker Löhr. Den Lebensmut zurückgebracht hat insbesondere Oberarzt Stefan Heisel. Er ist Gefäßchirurg im Krankenhaus Bad Oeynhausen. In langen Gesprächen erklärte der Gefäßspezialist dem Patienten, welch spektakuläre und gleichzeitig lebensrettende Operation er plant.

Ersatz durch menschliches Transplantat

Zusammen mit dem Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie Dr. Heinrich Walter fasst Stefan Hensel den Plan, die entzündete Kunststoffprothese gegen ein menschliches Transplantat auszutauschen. „Die Wahrscheinlichkeit einer Entzündung sinkt dabei erheblich“, sagt Hensel. Das Problem: Einen Ersatz-Bypass in der benötigten, individuellen Größe zu erhalten, ist so selten wie ein Sechser im Lotto. Die Zeit war knapp für Volker Löhr. „Wir haben gemeinsam überlegt, was wir tun können“, sagt Walter. „Unsere Idee war, eine geeignete Gefäßprothese zeitnah aus menschlichem Gewebematerial selbst herzustellen.“ Die beiden Ärzte nehmen Kontakt mit dem Leiter der Gewebebank am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Hermann Josef Knobl, auf. Die Gewebebank im benachbarten Klinikum bereitet entsprechend der gesetzlichen Vorgaben menschliches Gewebe und Herzklappen für Transplantationen auf. Die Bereitschaft zu einer Gewebespende kann auf einem Organspendeausweis dokumentiert werden. Im Gegensatz zu Organspenden sind menschliche Gewebe – auch Homografts genannt – nahezu unbegrenzt haltbar, sie werden bei -180 Grad Celsius gelagert.

Zusammensetzung der Transplantate

Und wieder hatte Volker Löhr Glück: Fast zeitgleich mit der Anfrage aus dem Krankenhaus konnte Knobl neue Gewebespenden zur Verfügung stellen. Während Dr. Heinrich Walter mit seinem Team den komplexen Eingriff am Patienten anfing, setzte Stefan Heisel zusammen mit dem Oberarzt Mohssen Amiri am nebenan liegenden OP-Tisch die von der Gewebebank aufbereiteten Transplantate geschickt zusammen. Aus insgesamt sechs Gewebespenden rekonstruierte er in einer dreistündigen Puzzlearbeit den dringend benötigten Überbrückungsbypass. „Zu dem lebensrettenden Eingriff wurden zwei Segmente der Brustaorta mit der Hals- und Schlüsselbeinarterie und beide Oberschenkelarterien verwendet“, erläutert Knobl. Die eigentliche Operation dauerte insgesamt neun Stunden, in denen das Operationsteam nach Präparation durch ausgeprägte Verwachsungen die künstliche Prothese entfernte, um dann das neue über 30 Zentimeter lange Transplantat zwischen der Aorta und den beiden Beinarterien einzusetzen.

Entzündungswerte sind erheblich gesunken

„Wir sind mit dem Verlauf der OP und dem Gesundheitszustand des Patienten sehr zufrieden“, sagt Direktor Dr. Heinrich Walter. „Er hat sich gut erholt und seine Entzündungswerte sind erheblich gesunken.“ Inzwischen konnte Volker Löhr nach Hause entlassen werden. Dank der Fürsprache von Stefan Heisel sei er ohne Angst in die Operation gegangen, bekräftigt Volker Löhr noch einmal. Nur der Gedanke, dass ein Teil eines anderen Menschen nun in ihm sei, machte ihn anfangs nachdenklich. „Es war ein merkwürdiges Gefühl, doch jetzt bin ich sehr dankbar dafür“, sagt Löhr.

Die Ärzte aus dem Krankenhaus Bad Oeynhausen und dem HDZ NRW sind froh über die gute Zusammenarbeit: „Wir arbeiten seit 30 Jahren überaus eng und routiniert zusammen. Davon profitieren insbesondere die Patienten beider Häuser. Die wenigsten wissen etwa, dass es zwischen Krankenhaus und HDZ NRW einen Tunnel gibt, durch den wir jederzeit auf dem schnellsten Wege Patienten zwischen den Häusern verlegen können“, sagt Ernest Danch, Leitender Oberarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Krankenhaus Bad Oeynhausen.

Hintergrundinformation: Wie helfen Gewebespenden?

Zwischen Gewebe- und Organspenden gibt es auf Empfänger- und Spenderseite sowie auf medizinisch betreuender Seite deutliche Unterschiede. Auch organisatorisch sind verschiedene Einrichtungen verantwortlich: Während in Deutschland die Organspende über das Transplantationsgesetz mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) als zentrale Koordinierungsstelle geregelt ist, werden die Gewebetransplantate als Arzneimittel von Einrichtungen mit den entsprechenden Erlaubnissen der Landesbehörden und der Genehmigung der Bundesbehörde abgegeben.

Mit dem Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen wird seit dem 01.08.2007 eine gültige EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Alle an der Gewebespende beteiligten Institutionen in Deutschland handeln auf dieser Basis. Sie werden durch Bundes- und Landesbehörden kontrolliert.

Zugelassene Gewebebanken wie die Herzklappen- und Gefäß-Gewebebank des Herz- und Diabeteszentrum NRW (seit 2003) stellen nach Aufarbeitung und Antibiotikabehandlung der Gewebe diese Transplantate nach den Sicherheitsstandards des Deutschen Arzneimittelgesetzes her (§21a/21 AMG). Die Homografts werden ohne Gewinninteressen an Kliniken weitergegeben und dort überwiegend in der Gefäßchirurgie eingesetzt. Die Kosten für die Entnahme und Aufbereitung werden von der Sozialkasse des Empfängers getragen.

Quelle: idw/Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum - Herz- und Diabeteszentrum NRW Bad Oeynhausen

 

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