KBV und Zi stellen aktuelle Impf-Modellierung vor

Droht der „Impfstau“?
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Impfen in Arztpraxen
Impfziel nur mit Arztpraxen zu erreichen? M Rode Foto, stock.adobe.com
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Die Modellierung des Zi ist eindeutig: Spätestens im April müsse man mit flächendeckenden Impfungen in Arztpraxen beginnen, ansonsten drohe ein „Impfstau“. Es sei ein „politisches Debakel zu erwarten, wenn die Maßnahmen jetzt nicht getroffen werden.“

Schon im März könnte die Kapazität der Impfzentren in Deutschland nicht mehr ausreichen, um alle verfügbaren Dosen gegen das SARS-CoV-2-Virus zu verimpfen, betonte der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried, bei der Vorstellung der Modellierung von Impfszenarien am Freitag. Schon dann, spätestens aber im April, müsse mit flächendeckenden Impfungen in den Arztpraxen begonnen werden. Ansonsten würde ab Mai eine Impflücke von wöchentlich mindestens drei Millionen unverimpften Dosen entstehen. Diese könnte bis Juli sogar auf etwa 7,5 Millionen pro Woche anwachsen. Das resultiere insbesondere aus der zusätzlichen Verfügbarkeit des AstraZeneca-Impfstoffs. Bis zum 21. September 2021 könne nach Angaben der Bundesregierung von einer wöchentlichen Impfstoffverfügbarkeit von bis zu 9,7 Millionen Dosen ausgegangen werden. Die Kapazität der bundesweit derzeit rund 400 Impfzentren wird aktuell auf 1,4 Millionen Impfungen pro Woche (200.000 täglich) geschätzt. Damit würde es laut von Stillfried 700 Tage dauern, bis die Geimpften ihre zweite Dosis hätten. Selbst wenn diese um 50 Prozent auf 2,1 Millionen Impfungen (300.000 täglich) gesteigert werden könnte, würde die Durchimpfung der Bevölkerung noch etwa 466 Tage in Anspruch nehmen und wäre somit nicht bis Ende September 2021 zu schaffen. Die genaue Kapazität der Impfzentren soll bis zum 17. Februar 2021 ermittelt werden.

Mindestens 40.000 Praxen zusätzlich benötigt?

Soll der verfügbare Impfstoff schnellstmöglich verimpft werden, könnten nach bisherigem Stand bereits ab Ende März mindestens 40.000 Praxen zusätzlich benötigt werden. Das zeigt die aktuelle Modellierung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zur nationalen Impfkampagne gegen das Corona-Virus. Die wissenschaftliche Projektion des zukünftigen Impfgeschehens ist am Mittwoch auch im Rahmen der Bund-Länder-Konferenz von der Bundeskanzlerin und den Regierungsspitzen der Länder beraten worden.

Bis zu 75.000 der bundesweit insgesamt 102.000 Arztpraxen könnten sich nach Einschätzung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) an der Impfkampagne beteiligen, wenn dafür die notwendigen Voraussetzungen geschaffen sind. „Ohne die zügige Einbindung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte wird die Impfkampagne schon bald in einem gigantischen Stau nicht verabreichter, aber dringend benötigter Impfdosen stecken bleiben. Es wäre fatal, wenn nach dem ohnehin schon schwierigen Start mit viel zu wenig Impfstoff, dann bei hoffentlich zeitnah größeren Impfstoffmengen diese dann nicht so schnell wie möglich verimpft werden könnten“, erläuterte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen.

Durchimpfung bis Ende August möglich?

Rein rechnerisch ergebe sich auf Basis der erwarteten Impfstoffmengen die Möglichkeit einer vollständigen Durchimpfung der erwachsenen Bevölkerung bis Ende August, wenn die Vertragsärzteschaft rechtzeitig in die Kampagne einbezogen werde. Gehe man für die Modellierung zunächst von rund 50.000 vertragsärztlichen Praxen aus, die im Schnitt mindestens 20 Impfungen pro Tag durchführen, resultiere ein Kapazitätspotenzial von mehr als einer Million Impfungen pro Tag bzw. fünf Millionen Impfungen pro Woche in den Praxen. Damit könnte laut Zi die Zeit bis zur Zweitimpfung auf 140 Tage gedrückt werden. Und der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister betonte, dass die 20 Patienten/Tag durchaus konservativ gerechnet seien. Es gebe hier durchaus noch deutlich Luft nach oben. Allerdings muss Gassen zugeben, dass die Impfungen in den Praxen dann eine „Drainage auf die Impfzentren“ ausüben werde. Die Hauptlast liege schon derzeit bei den Niedergelassenen.

Blaupause Pneumokokken- und Influenza-Impfung?

Dass die Vertragsärzte schnell in großer Zahl impfen könnten, würden die Versorgungsdaten aus dem vergangenen Jahr belegen: In den ersten drei Quartalen seien 3,5 Millionen Pneumokokken- und Influenza-Impfungen mehr vorgenommen worden als im Vorjahreszeitraum. Davon seien allein im September 1,8 Millionen Influenza-Impfungen gewesen. Auch im Oktober und November hätten Praxen ähnlich hohe Impfstoffmengen bei den Apotheken abgerufen, sodass die Gesamtzahl aller Influenza-Impfungen 2020 in der Größenordnung von rund 20 Millionen liegen dürfte, so die Zi-Zahlen. Hinzu kämen weitere 5 Millionen Pneumokokken-Impfungen. Hofmeister geht zwar davon aus, dass es auch in den Praxen zu Beginn einen Ansturm geben werde. Doch das wäre zu bewältigen. Eine Verlagerung der Priorisierungsdebatte in die Arztpraxen erwartet Hofmeister dagegen nicht. Und auch von Stillfried gab zu bedenken, dass Priorisierung ein Rationierungsinstrument sei. Doch man würde in absehbarer Zeit eher zu viel Impfstoff zur Verfügung haben: „Es ist ein Problem der Geschwindigkeit, in das wir hineinlaufen.“

Zeitziel bleibt Herausforderung

Die Praxen seien darauf eingestellt, schnell eine große Gruppe von Patientinnen und Patienten zu impfen, das von der Politik vorgegebene Zeitziel bleibe aber eine Herausforderung, so Hofmeister. „Wird das Impfgeschehen sobald wie möglich in die Praxen verlagert, gibt es bundesweit mehrere zehntausend wohnortnahe und leicht zu erreichende Anlaufstellen für alle, die sich impfen lassen wollen. Angesichts der Zusatzbelastung muss die schnelle Durchführung der Impfkampagne gegen SARS-CoV-2 für die Praxen aber auch attraktiv sein. Die Dokumentation muss vereinfacht und die Verteilungswege für Impfstoffe und Verbrauchsmaterial müssen so angepasst werden, dass übliche Bestellroutinen nutzbar gemacht werden“, erklärte Hofmeister.

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