Interview mit Jonas Kreißl

Erfinder einer Desinfektionsanlage
Die Fragen stellten Gisela Klinkhammer und Ludwig Zahn.
Interview mit Jonas Kreißl
Jonas Kreißl an seiner Desinfektionsanlage für Handy, Maus und Tastatur © privat
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Der MTLA-Schüler Jonas Kreißl hat eine Anlage entwickelt, die weder Desinfektionsmittel benötigt noch längere Zeit in Anspruch nimmt, um Oberflächen oder Luft zu desinfizieren. Im Interview mit MTA Dialog erläutert der Vogtländer unter anderem, wie er zu der Idee seiner Erfindung gekommen ist und wie er sie in die Praxis umgesetzt hat.

Herr Kreißl, Sie haben im Rahmen Ihrer Ausbildung zum Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistenten eine neue Desinfektionsanlage erfunden. Was ist das Besondere daran?

Mein patentiertes Gerät kann die Oberflächen von Tastaturen, Handys, Tablets und anderen Bediengeräten und die Umluft gleichzeitig desinfizieren. Hierbei ist die Kombination aus Oberflächen- und Luftdesinfektion in meinem Gerät bislang einzigartig. Zudem arbeite ich nur mit UV-Licht und führe eine Trockendesinfektion durch. Andere Desinfektionsgeräte basieren auf der Anwendung von Bürstensystemen in Verbindung mit Desinfektionsmitteln. Diese Nassdesinfektion hat den Nachteil, dass Flüssigkeit in die Bedienelemente eindringen und hier elektronische Bauteile zerstören kann. Außerdem wird mein Desinfektionsgerät direkt vor dem Anwender unter dem Bildschirm platziert, wo die Anlage unmittelbar vom Bediener abgeatmete Aerosole einsaugen und desinfizieren kann. Diese zielgerichtete Luftdesinfektion ist effektiver, als zum Beispiel ein Hochumsatzluftreiniger in einer einsamen Ecke eines Zimmers.

Wie sind Sie auf die Idee zu dieser Erfindung gekommen, und wie haben Sie Ihre Erfindung theoretisch weiterentwickelt?

Das war im ersten Lehrjahr (September 2018) an einem heißen spätsommerlichen Tag im EDV-Raum unserer Schule. Wir hatten Mikrobiologieunterricht und beschäftigten uns mit der allgemeinen Desinfektion und Sterilisation. Ich saß vor einer verdreckten Tastatur, es war heiß und stickig. Ich zögerte davor, sie zu benutzen, da ich nicht wusste, welche Vornutzer an diesem Gerät waren. Der Unterrichtsinhalt kombiniert mit ein wenig Erfindergeist bot mir die Lösung für mein Problem. Mir war die desinfizierende Eigenschaft von UV(C)-Licht schon vor meiner Ausbildung bekannt. Ich wusste, dass man zum Beispiel in OP-Sälen UV-Lampen zur Oberflächendesinfektion nutzt, insofern dort nicht operiert wird. Somit stellte ich mir die Frage, ob man nicht auch mit dieser Technik die Bedienelemente reinigen könnte. Um den Nutzen meiner Erfindung zu untermauern und eine Vorstellung zu bekommen, wie hoch die Keimzahl auf unseren Bedienelementen tatsächlich ist, nahm ich Abstriche von einigen Tastaturen im EDV-Raum. Das Ergebnis war eine bunte Mischung von Bakterien und Pilzen (Viren auf Agar nicht erfassbar). Im Anschluss experimentierte ich mit UV-Licht, um herauszufinden, wie lange man die Erreger bestrahlen muss, bis sie tatsächlich abgetötet werden und welche Wellenlänge das UV-Licht für eine optimale Desinfektionsleistung haben muss. Laut dem Fraunhofer Institut, das parallel, aber unabhängig von mir ein ähnliches Gerät entwickelt hat, liegt die optimale Wellenlänge der UV-Strahlung bei 265 nm (https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2020/april/smartphones-schnell-und-sicher-mit-licht-desinfizieren.html). In meinen Experimenten, die ich im mikrobiologischen Labor des IWB Plauen durchgeführt habe, stellte sich heraus, dass ich bereits nach zehn Sekunden Bestrahlung eine effektive Keimreduktion von 99,99 Prozent erzielen kann. Die Idee, dass man mit dem System auch gleichzeitig die Luft desinfizieren könnte, kam mir, als ich eine UV-basierte Luftdesinfektionsanlage entdeckte. Auf Basis dieser Erkenntnisse fertigte ich erste Skizzen für einen Prototypen an. Dabei unterstützte mich ein befreundeter Ingenieur. Im Februar 2019 wandte ich mich dann an einen Patentanwalt, um meine Idee schützen zu lassen.

Wie haben Sie dann Ihre theoretischen Überlegungen in die Praxis umgesetzt?

Parallel zur Erstellung der Gebrauchsmusterschrift konstruierten mein befreundeter Ingenieur und ich einen funktionstüchtigen Prototyp. Als dann die Recherche zum Stand der Technik durch den Patentanwalt ergab, dass es auf diese Art von Desinfektionsgerät keine bereits bekannten Schutzansprüche gibt, war die Freude groß. Im Juli 2019 wurde der Gebrauchsmusterschutz auf mein Trocken- desinfektionsgerät für mobile Bediengeräte bewilligt und für sechs Jahre erteilt. Ich bin jedoch bis heute auf die Mithilfe von Experten angewiesen, um meine theoretischen Vorstellungen in die Praxis umsetzen zu können. Dabei ist mir der Ingenieur Alexander Thoß eine große Unterstützung. Er hat bei der Erstellung technischer Zeichnungen sowie bei der Planung von Fertigungsdetails das Zepter in der Hand. Hinzu kommt der Entwicklungsingenieur für Hardware, Toni Ratzmer, der mich bei elektrotechnischen Problemlösungen unterstützt und der den Schaltkreis für den Prototyp entwickelt hat. Den Bau des Prototyps sowie das Patent finanzierte ich aus privaten Mitteln. Als sich im Januar 2020 abzeichnete, dass wir uns bei der Umsetzung beeilen sollten, löste das noch einmal eine Dynamik aus, die es uns dann wenige Wochen später ermöglichte, Nägel mit Köpfen zu machen. So ließen wir bei der Firma Steiniger aus Hammerbrücke das Grundbauteil und das Gehäuse anfertigen. Elektrobauteile wie Lüfter und UV-Lampen bestellten wir im Internet. Und als dann alles da war, kümmerten wir uns zu dritt um die Endmontage (April 2020) des Prototyps.

Wie geht es jetzt weiter? Haben Sie bereits einen Partner für die Umsetzung und Vermarktung Ihrer Erfindung?

Das fragten wir uns auch. Jeder von uns hatte andere Pläne, ich zum Beispiel ein Medizinstudium. Allerdings könnte die Marktsituation für uns nicht besser sein. Durch die Coronapandemie ist die Nachfrage an Hygieneartikeln rasant gestiegen. Sie legitimiert die Notwendigkeit meines Desinfektionssystems. Zudem sind verpflichtende Hygienekonzepte in Bereichen des öffentlichen Lebens nicht mehr wegzudenken. Seit April letzten Jahres suchte ich nach einem verlässlichen Geschäftspartner, der sich für eine Vermarktung meines Gerätes interessiert. In der Zwischenzeit ergab sich für mich die besondere Gelegenheit, meinen Prototyp im Institut für medizinische Mikrobiologie am Uniklinikum in Jena zu präsentieren und später mit Unterstützung von Prof. Dr. Rödel auf Herz und Nieren zu prüfen. Die Veröffentlichung meiner Studie wird sich leider verzögern. So viel vorweg: Im Test erzielte der Prototyp eine 99,99 %ige Oberflächen- und eine 98 %ige Luftdesinfektion. Im April 2021 war es dann endlich so weit, ich lernte den Unternehmer kennen, der mich bei der Vermarktung tatkräftig unterstützt. Er erkannte das Potenzial meiner Erfindung und möchte mit uns die gute Marktsituation nutzen. Nun konstruieren wir schon seit April ein serienmäßig herstellbares Produkt, das sich auf dem Hygienemarkt durchsetzen soll. Dazu nutzen wir modernste LED-Technik und für einen großen Luftumsatz einen Querstromlüfter. Das neue Gerät soll zudem visuell mit dem Anwender kommunizieren können, um eine simple Bedienung zu gewährleisten. Der Verkaufsstart soll noch in diesem Herbst sein.

Welche Anwendungsgebiete sehen Sie vorrangig für Ihre Erfindung?

Das Gerät sollte an Arbeitsplätzen zum Einsatz kommen, an denen entweder mehrere Personen dieselben Bedienelemente verwenden oder in Räumen integriert werden, in denen mehrere Personen gleichzeitig arbeiten. Demnach bieten sich EDV-Arbeitsplätze in Schulen, Büros und öffentlichen Einrichtungen sowie Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen an. Aber auch in Apotheken, Laboratorien und der Industrie findet mein Desinfektionssystem Anwendung. Aufgrund der wachsenden Digitalisierung gibt es für diese Idee einen breiten und nachhaltigen Markt.

Welche Vorteile hat Ihre Desinfektionsanlage im Vergleich zu anderen Geräten?

  • schnelle Oberflächendesinfektion, schneller als alle anderen UV-Desinfektionssysteme
  • gleichzeitige Umluftdesinfektion –> Oberflächen- und Umluftdesinfektion kombiniert
  • nahezu wartungsfrei, benötigt keine Verbrauchsmaterialien wie Desinfektionsmittel
  • platzsparend
  • Trockendesinfektion schont die elektronischen Komponenten der Bedienelemente
  • ungefährlich für den Anwender, da die schädliche UV-Strahlung vom Gerät abgeschirmt wird
  • Verbesserung der Sichtachse auf den Bildschirm

Die Coronapandemie ist ja noch nicht beendet. Wie kann die Desinfektionsanlage in diesem Zusammenhang eingesetzt werden?

Von der abtötenden Wirkung der UV-C-Strahlung auf das Coronavirus konnte ich mich im Rahmen der Untersuchungen am Uniklinikum in Jena persönlich überzeugen. Ich werde zwar mit meiner Idee nicht die Pandemie beenden, aber die konsequente Integration dieses Gerätes in den Alltag wäre noch ein weiterer Schritt in Richtung „Normalität“. Für mich vorstellbar wäre eine maskenfreie Büroarbeit auch ohne ständiges Lüften zum Beispiel im Winter bei eisigen Temperaturen. Ziel ist für mich auch eine reibungslose Beschulung durch die Installation meines Desinfektionssystems in EDV-Räumen in Kombination mit anderen Luftreinigungssystemen in normalen Zimmern. Mein Trockendesinfektionsgerät sollte daher zum Standard in allen modernen Hygienekonzepten gehören. Und wenn man mal von Corona absieht, durchbricht man mit meiner Erfindung die Übertragungswege zahlreicher anderer Erreger. So lässt sich die eine oder andere Grippe- oder Durchfallepidemie in Büros oder in Schulen vermeiden, und es könnte die Übertragung multiresistenter Erreger in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen minimiert werden, insofern das Desinfektionssystem konsequent Anwendung findet.

Warum haben Sie sich entschieden, MTLA zu werden, und wie stellen Sie sich Ihre weitere berufliche Zukunft vor?

Nach Abschluss des Beruflichen Gymnasiums am König-Albert-Stift in Plauen habe ich mich zunächst für ein Medizinstudium beworben. Da am Schulzentrum neben dem Fachgymnasium für Biotechnologie auch noch die Berufe PTA und MTLA ausgebildet werden, entschloss ich mich dazu, eine Ausbildung zum MTLA in Vorbereitung auf mein Medizinstudium zu beginnen. Ich hatte zunächst nicht das Ziel, diese Ausbildung abzuschließen und bewarb mich während der ersten beiden Lehrjahre immer wieder für das Medizinstudium. Indes wurde mir bewusst, dass diese Ausbildung mit Abstand die beste Vorbereitung für das Medizinstudium darstellt, da inhaltlich schon viele medizinische Themen, wie Histologie/Zytologie, Hämatologie, Klinische Chemie, Mikrobiologie, Anatomie und Physiologie vermittelt werden. Aufgrund dessen und da ich immer noch keinen Studienplatz erhalten habe, freue ich mich sehr, dass ich im August dieses Jahres meine Ausbildung erfolgreich abschließen werde. Mein persönliches Ziel ist, ab Oktober Medizin zu studieren. Erhalte ich keinen Studienplatz, werde ich mich noch ein paarmal für Medizin bewerben, vielleicht versuche ich auch im Ausland einen Studienplatz zu bekommen. Parallel dazu möchte ich auf jeden Fall meinen erlernten Beruf ausüben und mich solange weiterbilden, bis ich als Ausbilder/Lehrer andere MTA ausbilden darf.

Warum wollen Sie noch ein Studium an die MTLA-Ausbildung anschließen?

Dies war schon vor meiner Ausbildung so geplant. Zudem bestätigte sich im Laufe meiner Ausbildung, dass ich dafür geeignet bin, tiefer in die Medizin einzutauchen.

Entnommen aus MTA Dialog 8/2021

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