HPV-Impfquote: "70 Prozent sind machbar und sinnvoll"

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Wie kann es gelingen, HPV-bedingte Tumoren auszurotten? DKFZ/Schuster
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Teilnehmer eines „Runden Tisches zur Ausrottung HPV-assoziierter Krebserkrankungen in Deutschland" einigten sich auf das Ziel, innerhalb von fünf Jahren bei den 15-jährigen Jugendlichen eine HPV-Impfquote von mindestens 70 Prozent anzustreben.

Im vergangenen Jahr sind in Deutschland nach Berechnungen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) etwa 7.700 Menschen an Krebsarten erkrankt, die auf eine Infektion mit humanen Papillomviren zurückzuführen sind. Dazu zählen allein fast 4.000 Fälle von Gebärmutterhalskrebs. Durch die HPV-Impfung ließe sich ein großer Teil dieser Tumoren verhindern. Die Impfung wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen, von den Krankenkassen bezahlt und verursacht bis auf extrem seltene Einzelfälle keine anhaltenden Nebenwirkungen – und trotzdem lag die Impfquote in Deutschland bei der letzten Erhebung (2015) bei den 15-jährigen Mädchen und Jungen bei nur 31,3 Prozent.

„Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die Zahl HPV-bedingter Krebsfälle für einige Krebsarten bei uns derzeit noch steigt. Außerdem liegt die Zahl behandlungsbedürftiger Krebsvorstufen noch einmal ein Mehrfaches über der manifester Krebserkrankungen. Hiervon sind auch schon junge Erwachsene betroffen, die dadurch körperlich und vor allem psychisch stark belastet werden", sagt Klaus Kraywinkel, Leiter des Zentrums für Krebsregisterdaten am Robert Koch-Institut (RKI).

Langsamer Anstieg der HPV-Impfquoten in Deutschland

Welches Ziel für eine HPV-Impfquote ist sinnvoll, welches realistisch? Welche Ursachen hat es, dass die HPV-Impfquoten in Deutschland so weit hinter Ländern wie Australien oder den skandinavischen Ländern zurückliegen, wo um die 80 Prozent erreicht werden? Diese Fragen diskutierten kürzlich Vertreterinnen und Vertreter aus Gesundheitswesen, Forschung und Politik beim „Runden Tisch zur Ausrottung HPV-assoziierter Krebserkrankungen in Deutschland". Zu der Veranstaltung, die auch von Nobelpreisträger Harald zur Hausen unterstützt wurde, hatten das DKFZ und die Stiftung preventa eingeladen.

In Deutschland sind die HPV-Impfquoten in den vergangenen Jahren langsam gestiegen – was auch auf die anhaltenden Aktivitäten gesundheitlicher Aktionsbündnisse zurückzuführen ist. Doch es gibt erhebliche regionale Unterschiede: „Während in den neuen Bundesländern heute bei den 15-jährigen Mädchen gute Quoten von circa 60 Prozent erreicht werden, hinken insbesondere die südlichen Länder – Bayern und Baden-Württemberg – mit Quoten von circa 35 Prozent deutlich hinterher", sagt Ole Wichmann, Fachgebietsleiter Impfprävention am RKI.

Die Teilnehmer des „Runden Tisches" einigten sich auf das Ziel, innerhalb von fünf Jahren bei den 15-jährigen Jugendlichen eine HPV-Impfquote von mindestens 70 Prozent anzustreben. „Angesichts der derzeitigen Impfquoten in Deutschland erscheint dieses Ziel realistisch und machbar. Damit bewegen wir uns außerdem in einem Bereich, den Epidemiologen als ausreichend ansehen, um die Übertragung des Erregers zu unterbrechen und einen Gemeinschaftsschutz zu gewährleisten", sagte Nobila Ouédraogo, Public Health Experte am DKFZ.

Hauptursachen für die unzureichende Wahrnehmung der HPV-Impfung

Als Hauptursachen für die derzeit unzureichende Wahrnehmung der HPV-Impfung identifizierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „Runden Tisches" drei Punkte:

  • Neue Zielaltersgruppe: Während es bei Kleinkindern generell gute Impfraten gibt, erfordert die Altersgruppe der 9- bis 14-Jährigen, für die die HPV-Impfung empfohlen wird, neue Zugangswege: Neben Kinderärzten sind hier beispielsweise auch Allgemeinmediziner und Frauenärzte gefragt. Neue Untersuchungen des RKI zeigen, dass bei einer aktiven Empfehlung durch den Arzt HPV-Impfraten von an die 80 Prozent erreicht werden – was zeigt, wie relevant es ist, Ärzte intensiv über die Chancen der HPV-Impfung zu informieren.
  • In Deutschland wird der HPV-Impfstoff trotz STIKO-Empfehlung und des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesauschusses großenteils als Patientenrezept beziehungsweise Einzelverordnung verordnet. Das heißt, er muss nach der Beratung erst bei der Apotheke abgeholt werden, die Impfung erfolgt bei einem zweiten Termin – ein erheblicher Aufwand für alle Beteiligten. Zudem können in manchen Bundesländern nicht alle Fachärzte die Impfung abrechnen, auch nicht der Öffentliche Gesundheitsdienst.
  • Bislang fehlten zentrale bundesweite Informationskampagnen für die HPV-Impfung, die sich vor allem auch über soziale Medien an die neuen Zielgruppen, insbesondere an Jugendliche richten. Welcher Bekanntheitsgrad sich dadurch erreichen ließe, macht der Slogan „Gib AIDS keine Chance" deutlich, den die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seit Jahrzehnten für ihre HIV-Präventionskampagnen nutzt.

Geeignete Maßnahmen zur Steigerung der Impfquoten

Als geeignete Maßnahmen, um die HPV-Impfquote über 70 Prozent in Deutschland zu steigern, kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „Runden Tisches" zu diesem Ergebnis:

  • Freiwillige Schulimpfungen, wie sie in einigen Ländern (Australien, Schweden, Norwegen, Irland, Island, Österreich) erfolgreich etabliert sind. Schulen sind der richtige Ort zur Vermittlung von Gesundheitskompetenz. Hierfür sind entsprechende Bildungsressourcen zu initiieren und umfänglich zur Verfügung zu stellen.
  • Niederschwellige Angebote wie etwa Impfsprechstunden, die ohne vorherige Anmeldung besucht werden können. In ländlichen Regionen mit Ärztemangel könnte der Einsatz von mobilen Impfpraxen helfen.
  • Verknüpfung der HPV-Impfung und J-Untersuchungen mit einem einladungsbasierten Verfahren, wie sie etwa für die verbindlichen Kinder-Früherkennungsuntersuchungen (U4 bis U9) etabliert sind.
  • Zentral gesteuerte und abgestimmte Informationskampagnen mit professioneller zielgruppenspezifischer Ansprache (Ärzte, Eltern, Jugendliche, Multiplikatoren).
  • Bundesweit einheitliche Verordnung der HPV-Impfung (als Sprechstundenbedarf)
  • Recallsysteme und die Implementierung eines elektronischen Impfpasses im Rahmen der Digitalisierung des Gesundheitswesens.


Quelle: DKFZ, 08.10.2019

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