Hirnleistungs-Checks „tendenziell negativ“

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Hirnleistungs-Check
Unter Demenz versteht man eine krankhafte geistige Einschränkung, die durch eine Schädigung des Gehirns verursacht wird. Fotolia/JSB31
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Der IGeL-Monitor fand keine wissenschaftlichen Studien zum Nutzen von „Brain-Checks“. Da Schäden aber möglich sind, lautet die Bewertung „tendenziell negativ“.

Um frühe Anzeichen einer Demenz zu erkennen, werden diverse Tests etwa als „Brain-Check” angeboten. Nur bei deutlichem geistigen Abbau oder bei geriatrischen Untersuchungen können solche Tests Kassenleistung sein, ansonsten müssen sie als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) selbst bezahlt werden. Der IGeL-Monitor fand keine wissenschaftlichen Studien zum Nutzen der Tests. Da Schäden aber möglich sind, lautet die Bewertung „tendenziell negativ“.

Für ihre aktuelle Bewertung wollten Wissenschaftler des IGeL-Monitors herausfinden, welchen Nutzen und Schaden Menschen erwarten können, wenn sie ihre geistige Leistungsfähigkeit mit einem sogenannten Hirnleistungs-Check abklären lassen. Die Wissenschaftler fanden keine Studien dazu. Dennoch gibt es gute Gründe anzunehmen, dass kein Nutzen zu erwarten ist: Studien zeigen, dass Patienten keine Vorteile von einem frühen Therapiebeginn haben. Folglich ist es unnötig, eine Demenz möglichst früh zu erkennen.

Schäden durch unnötige Beunruhigung und unnötige Therapien sind dagegen unausweichlich, da sich jede zweite leichte Demenz ohnehin nicht zu einer schweren Demenz weiterentwickelt. Insgesamt fällt die Bewertung des Hirnleistungs-Checks zur Früherkennung einer Demenz bei Menschen ohne Symptome deshalb „tendenziell negativ“ aus.

Pro Jahr erkranken etwa 200.000 Menschen an Demenz

Unter Demenz versteht man eine krankhafte geistige Einschränkung, die durch eine Schädigung des Gehirns verursacht wird. Betroffenen fällt es zunehmend schwer, sich zu erinnern und zu orientieren, zu denken, Neues zu lernen, zu sprechen und vernünftig zu urteilen. Dabei sind die Grenzen unscharf, wo der altersübliche geistige Abbau endet und der krankhafte Abbau beginnt. In der Praxis kann man deshalb nicht leicht zwischen beiden Zuständen unterscheiden. Ein deutliches Merkmal der Demenz ist, dass Betroffene im Laufe der Zeit ihren Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen können.

In Deutschland leben rund eine Million Menschen mit einer Demenz. Pro Jahr erkranken etwa 200.000 Menschen neu daran. Die häufigste Form in Deutschland ist der direkte Abbau des Gehirns, die sogenannte Demenz vom Alzheimer Typ, die zweithäufigste eine Demenz aufgrund von Durchblutungsstörungen. Die Häufigkeit der beiden Demenzen steigt mit dem Alter stark an: Im Alter zwischen 65 und 69 Jahren ist einer von 50 Menschen betroffen, bei den über 90-Jährigen einer von dreien. Obwohl intensiv über Demenz geforscht wird, weiß man bis heute nicht wirklich, wie sie entsteht. Auch gibt es keine Heilung. Medikamente und andere Therapien können bestenfalls die Entwicklung einzelner Aspekte der Krankheit verlangsamen.

Zur Diagnose einer Demenz kommen mehrere Verfahren zum Einsatz, darunter auch Hirnleistungs-Tests, die verschiedene geistige Fähigkeiten mit Aufgaben überprüfen. Darüber hinaus werden Hirnleistungs-Tests auch als IGeL-Leistung angeboten, und zwar mit dem Versprechen, bislang unbemerkte, frühe Anzeichen einer Demenz erkennen zu können. So ein Test kostet in der Regel zwischen 7 und 21 Euro.

Hohe Anzahl an falsch positiven Diagnosen

Die aktuelle ärztliche Leitlinie „Demenzen“ spricht sich gegen eine Untersuchung von Personen ohne Beschwerden oder Symptome aus, da es „zu einer hohen Anzahl an falsch positiven Diagnosen beziehungsweise Verdachtsdiagnosen kommen“ würde.

Zu einem ähnlich kritischen Schluss kommt der IGeL-Monitor. Studien zu der Frage, ob der Test und anschließende frühe Therapien Menschen davor bewahren können, schwere Formen der Demenz zu entwickeln, fanden die Wissenschaftler des IGeL-Monitors nicht. Es fand sich aber eine Übersichtsarbeit, die zu dem Ergebnis kommt, dass die derzeit verfügbaren Arzneimittel in einer frühen Phase der Krankheit die geistigen, körperlichen und Verhaltens-Einschränkungen der Patienten nicht aufhalten können. Es scheint demnach keinen Vorteil zu bringen, die Behandlung möglichst früh zu beginnen.

Es bringt folglich auch keinen Vorteil, früh danach zu suchen. Auch wenn es zu möglichen Schäden ebenso keine direkten Studiendaten gibt, sind Belastungen durch das Wissen um die Krankheit und durch die Nebenwirkungen der Therapien zu erwarten. Zudem werden in der Hälfte der Fälle diese Schäden unnötigerweise in Kauf genommen, da sich jede zweite frühe Demenz ohnehin nicht zu einer schweren Form weiterentwickelt.

Fazit: Wenn man sich geistig auf der Höhe fühlt, sollte man auch darauf vertrauen. Man wäre schlecht beraten, sich testen zu lassen: Wenn der Test frühe Anzeichen einer Demenz findet, nützt einem dieses Wissen nichts. Dagegen wäre in jedem zweiten Fall die Angst, demnächst schwer dement zu werden, grundlos.


Quelle: MDS, 05.06.2017


 

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