Handy aus! Abschalten unterm Weihnachtsbaum

„Medienfasten“
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Medienfasten
Einige Studien deuten darauf hin, dass eine besonders starke Handynutzung mit kognitiven und emotionalen Defiziten einhergeht. Bojan - stock.adobe.com
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Der Einfluss digitaler Medien auf Gehirn und Gesundheit wird rege untersucht und diskutiert. Belastbare Langzeitstudien stehen noch aus. Ein Beitrag in der „DMW Deutschen Medizinischen Wochenschrift" widmet sich der intensiven Handynutzung sowie ihren Folgen und regt einen Medienverzicht über die Feiertage an.

Als offizielle Diagnose existiert die Smartphonesucht bis jetzt nicht – ebenso wenig wie die Internetsucht. Bislang hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) lediglich die Computerspielsucht als eigenständige Krankheit klassifiziert. Entsprechende Kriterien, anhand derer sich eine krankhafte Smartphonenutzung ableiten ließe, fehlen bislang. Einige Studien deuten jedoch darauf hin, dass eine besonders starke Handynutzung mit kognitiven und emotionalen Defiziten einhergeht und zu ADHS-ähnlichen Symptomen führen kann.



„Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die dauernde Smartphonenutzung das menschliche Gehirn und dann auch unsere Psyche verändert“, betont Prof. Dr. Christian Montag. „Wie weitreichend diese Änderungen ausfallen werden, ist allerdings noch nicht absehbar“, wird der Leiter der Abteilung Molekulare Psychologie an der Universität Ulm in der DMW zitiert. Ein wesentlicher Aspekt scheint hierbei die permanente Ablenkung zu sein. Sie stört die Konzentration, weil sie den Arbeitsfluss immer wieder unterbricht. So untersuchte Montag in einer Studie den Einfluss des Smartphones auf die Leistung bei der Bearbeitung von Intelligenz- und Arbeitsgedächtnisaufgaben. Die Teilnehmer mussten das Handy währenddessen entweder außerhalb des Raumes aufbewahren, in die Tasche stecken oder auf den Tisch legen. Das Ergebnis: Besonders die Präsenz des Smartphones auf dem Tisch reduzierte die Leistung in beiden Aufgabenstellungen deutlich.

Korrelation zwischen hoher Online-Präsenz und geringer sozialer Aktivität

Die Annahme liegt nahe, dass auch Sozialbeziehungen in der realen Welt nicht davon unberührt bleiben, wenn viel Zeit mit sozialen Medien verbracht wird. „Digitale Medien sind wegen ihrer Vielseitigkeit eine große Konkurrenz zu anderen wichtigen Aktivitäten“, erklärt Prof. Dr. Malte Elson im Beitrag. Tatsächlich zeigt sich in Studien eine starke Korrelation zwischen hoher Online-Präsenz und geringer sozialer Aktivität. Allerdings könne Ursache und Wirkung hier oft nicht sauber getrennt werden, gibt der Verhaltenspsychologe und Leiter der Nachwuchsforschergruppe Psychologie der Mensch-Technik-Interaktion an der Ruhr-Universität Bochum zu bedenken.

Womöglich verbringen manche Menschen auch deshalb viel Zeit online, weil ihnen der soziale Umgang von Angesicht zu Angesicht schwerfällt. Umgekehrt zeigte eine kürzlich von britischen und neuseeländischen Wissenschaftlern veröffentlichte Studie jedoch, dass sich Teilnehmer nach einer Smartphone-Auszeit von 24 Stunden ausgeglichener fühlten und mehr Kontakte pflegten.

Welchen Raum die neuen Medien im eigenen Leben einnehmen, kann man sich wohl am ehesten durch einen vorübergehenden Verzicht bewusstmachen. Eine Woche „Medienfasten“ über die Weihnachtstage könnte darauf eine ehrliche Antwort liefern, so Elson in der DMW. Spannend sei besonders die Frage, wie die gewonnene Zeit genutzt werde. Und: Wie gut hält man es aus, manche Dinge erst ein oder zwei Tage später mitzubekommen? Wann hört die Hand auf, automatisch Richtung Hosentasche zu greifen? Wie verändern sich unsere Beziehungen in der realen Welt? Antworten darauf bekommt nur der, der sich traut.

Literatur:

B. Erbe
Weihnachten ohne Handy?
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2019; 144 (25); S. 1830–1831


Quelle: fzm, Dezember 2019




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