Gewissenhafte Ermittlung des Patientenwillens gefordert

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Patientenwille
Die Ermittlung des Patientenwillens stützt sich auf die verbindlichen Aussagen einer Patientenverfügung. © Fotolia/nmann77
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Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) fordert eine strenge Indikationsstellung und eine gewissenhafte Ermittlung und Beachtung des Patientenwillens.

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zu lebensverlängernden Maßnahmen ist die DIVI besorgt, dass das Urteil missverstanden werden könne. „Wir betonen ausdrücklich, dass eine Behandlung gegen den Patientenwillen bereits heute unzulässig und strafbar ist“, sagt DIVI-Präsident Prof. Uwe Janssens, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler sowie Sprecher der DIVI-Sektion Ethik.

„Mit der BGH-Entscheidung wird aber unmissverständlich festgelegt, dass das Überleben eines Menschen als solches keinen Schadensfall darstellen kann, und dass Ärzte deshalb nicht schadenersatzpflichtig sind für eine Behandlung mit dem Ziel der Lebenserhaltung.“ Die DIVI fordert eine strenge Indikationsstellung und eine gewissenhafte Ermittlung und Beachtung des Patientenwillens.

Die DIVI versteht die Entscheidung des BGH, dass das menschliche Leben im Lichte von Effizienz und Ökonomie der Gesundheitsfürsorge besonders schutzwürdig ist. Es war nicht die Intention des BGH, eine Lebensverlängerung um jeden Preis zu erlauben oder gar den behandelnden Ärzten vorzuschreiben. Im Gegenteil: Ärztinnen und Ärzte legen in jedem Behandlungsfall ein Therapieziel fest. Sie definieren die zum Erreichen dieses Therapieziels erforderlichen Behandlungsmaßnahmen und stellen für diese Maßnahmen eine Indikation.

"Zweifelhafte“ oder "grenzwertige“ Indikation

Die indizierten Therapien werden dem Patienten oder seinem Stellvertreter vorgeschlagen, damit der Patientenwille für den aktuellen Behandlungsfall ermittelt werden kann. Die Ermittlung des Patientenwillens stützt sich auf die verbindlichen Aussagen einer Patientenverfügung, bezieht aber darüber hinaus auch andere Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Patientenwillen mit ein.

Wenn der Patient einer Behandlung nicht zustimmen würde, muss auch der Betreuer die Behandlung ablehnen, sogar dann, wenn sie lebensverlängernd wäre. Es erfolgt eine Sterbebegleitung mit den dafür erforderlichen palliativmedizinischen und-pflegerischen Maßnahmen. In dem vor dem BGH verhandelten Fall wurden dem Hausarzt offenbar keine Hinweise gegeben, dass der Patient die lebenserhaltende Behandlung abgelehnt hätte. Geklagt hat der Sohn eines schwer demenzkranken Patienten, der 82-jährig verstarb. Nach Ansicht des Sohnes wurde der Vater zuletzt ohne medizinische Indikation durch künstliche Ernährung am Leben gehalten. Der BGH hat in seinem Grundsatzurteil mögliche Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche abgelehnt.

Die DIVI setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass in Fällen, in denen die Sinnhaftigkeit einer weiteren Lebenserhaltung zumindest fraglich ist, von einer „zweifelhaften“ oder „grenzwertigen“ Indikation gesprochen wird. Damit wird einerseits ausgedrückt, dass dem Arzt kein Urteil über die Lebensqualität oder gar den Lebenswert des kranken Menschen zusteht. Dies hat der BGH bekräftigt.

Umfangreiches und offenes Gespräch

Andererseits soll in diesen Fällen, bei denen bereits im Behandlungsteam die Frage der Sinnhaftigkeit umstritten ist, ein besonders umfangreiches und offenes Gespräch mit dem Stellvertreter des Patienten und seinen Angehörigen erfolgen. So kann für den eingetretenen Gesundheitsschaden der Patientenwille ermittelt werden. Das gilt nicht nur bei der Einleitung einer Therapiemaßnahme, sondern auch bei deren Fortführung – etwa im Fall einer Sondenernährung mittels sogenannter perkutaner endoskopischer Gastrostomie (PEG). Ob diese ehrlichen Gespräche und eine Unterstützung des Betreuers bei der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens in dem vorliegenden Streitfall erfolgt sind, lässt der BGH bewusst offen.

Es ist aus Sicht der DIVI wünschenswert, wenn der Patientenwille immer besonders gründlich ermittelt wird. Besonders dann, wenn nur noch eine Verlängerung des Lebens mit beispielsweise schwerster Demenz oder im Koma erreicht werden kann. Wer in diesem Zustand eine lebenserhaltende Therapie wünscht, ist durch das Grundgesetz davor geschützt, dass Ärzte diese Behandlung aufgrund eines eigenen Werturteils unterlassen. Menschen, die in diesem Zustand nicht leben möchten, dürfen in Deutschland durch eine Therapiebegrenzung sterben.


Quelle: DIVI, 04.04.2019 

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