Entzündliche Veränderungen: Rheumatoidarthritis

Schnittbilddiagnostik der Wirbelsäule (3.9)
Hans-Joachim Thiel
Entzündliche Veränderungen: Rheumatoidarthritis
Transversales MRT nach KM (T1 TSE FS, 1,5 T): Arthritis des proximalen Interphalangealgelenks 3 besonders deutlich Für alle: H.-J. Thiel
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Die Halswirbelsäule (HWS) ist bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises oder entzündlichen Arthropathien anderer Genese oft ein Manifestationsort (6, 4).

Bei früher mitunter unbehandelten Verläufen waren die radiologisch dokumentierbaren skelettalen bzw. artikulären Veränderungen oft dramatisch. Die moderne medikamentöse Therapie kann bei früher Diagnosestellung eine polyartikuläre Ausbreitung verhindern. An der HWS kann durch die entzündliche Gelenkerkrankung eine symptomatische okzipitozervikale, atlantoaxiale oder subaxiale Instabilität mit Myelopathie, Deformierung oder Tod resultieren. Die atlantoaxiale Instabilität ist die häufigste Form der zervikalen Manifestation der Rheumatoidarthritis (RA).

Primäre Lokalisationen der RA sind die kleinen Gelenke der Hände und Füße, sie kann aber an allen synovialen Gelenken vorkommen (1). Die gelenknahen entzündlichen Knochenveränderungen, die rheumatische Ostitis, imponieren röntgenologisch mit einer gelenknahen Osteoporose (5), die früher auch als arthritisches Kollateralphänomen bezeichnet wurde.

In der Konsequenz haben Patienten mit RA deutlich mehr radiologische Untersuchungen der Extremitäten, Wirbelsäule, des Beckens inklusive der Hüft- und Iliosakralgelenke sowie Skelettszintigraphien im Vergleich mit Patienten ohne Rheumatoidarthritis (11). Nuklearmedizinische Verfahren bilden funktionelle Prozesse der Entzündungen frühzeitig ab und sind der Röntgendiagnostik in Frühstadien der Arthritis deutlich überlegen. Ein Ende der Entwicklung der nuklearmedizinischen Verfahren, insbesondere der Fusion bildgebender Methoden (PET-CT und PET-MRT) ist nicht abzusehen (9).

Erste Berichte über die Manifestation der Rheumatoidarthritis an der HWS gab es durch Garrod 1890 (8). Die Erkrankung tritt mit einer Häufigkeit von 1 – 2 % bei Erwachsenen auf, bevorzugt bei Frauen, und erfordert bei Diagnosestellung eine umgehende Therapie. Über 80 % der Patienten mit Rheumatoidarthritis zeigen im Krankheitsverlauf eine Beteiligung der HWS und fast 60 % eine neurologische Symptomatik. In Tabelle 1 sind exemplarisch entzündliche Erkrankungen der Halswirbelsäule mit neurologischen Symptomen aufgeführt (2).

Die Behandlung der Rheumatoidarthritis (3) ist komplex und umfasst mehrere Ziele (Tabelle 2). Die entzündlichen oder immunologischen Prozesse werden unspezifisch supprimiert. 5 Gruppen von Pharmaka kommen zum Einsatz (Tabelle 3).

Abb. 1.1: sagittales MRT (T2 TSE, 1,5T): Steilstellung der degenerierten Halswirbelsäule, Bulging der Bandscheiben; im Atlantodentalgelenk geringe Gewebsvermehrung

Abb. 1.2: sagittales MRT (T2 TIRM, 1,5T): multisegmentale Modic1-Veränderungen mit subdiskalem Spongiosaödem; Spongiosaödem des Dens axis

Abb. 1.3: sagittales MRT (T1 TSE, 1,5 T): subdiskale Spongiosaverfettung im Segment C5/6 (Modic 2)

Abb. 1.4: sagittales MRT (T1 TSE mit FS nach KM, 1,5 T): peridentales Pannusgewebe mit Signalanstieg nach KM-Gabe

Abb. 1.5: transversales MRT (T1 TSE mit FS nach KM, 1,5 T): das entzündliche Gewebe um den Dens zeigt einen deutlichen Signalanstieg, eine kortikale Erosion ist links ventrolateral abgrenzbar

Sind die Ergebnisse der medikamentösen Therapie unbefriedigend, ist die chirurgische Fixation an der HWS zur Vermeidung dramatischer neurologischer Komplikationen erforderlich (5, 7).

Computertomographische Untersuchungen können im Vergleich von statischen und dynamischen Scans die Instabilität nachweisen (10). Die dynamische Computertomographie in Flexion ist ein wertvolles Tool bei der Planung der neurochirurgischen Behandlung und kann das exakte Ausmaß der atlantoaxialen Subluxation verifizieren.

Die kernspintomographische Untersuchung ist die Methode der Wahl, um die Rheumatoidarthritis der Halswirbelsäule nachzuweisen (4). Neben den oben beschriebenen Instabilitäten ist die Methode geeignet, die Pannusbildung und Erosionen am Dens zu dokumentieren. Die kontrastmittelunterstützten Sequenzen können die entzündliche Aktivität visualisieren (1).

Fallbeispiele

Das Fallbeispiel 1 zeigt die Aufnahmen einer 67-jährigen Patientin mit Rheumatoidarthritis, die über unspezifische Nackenbeschwerden und eine Zervikobrachial

gie klagte. Neben degenerativen diskalen Veränderungen und einer Fehlstatik fand sich im Bereich des Atlantodentalgelenks Pannusgewebe. In der transversalen KM-unterstützten Messung war eine initiale kortikale Erosion nachweisbar (Abb. 1.1 bis 1.5).

Fall 2 demonstriert den Befund einer Rheumatoidarthritis mit Aufnahmen des Skelettszintigramms der Hand- und Sprunggelenke bei einer 39-jährigen Patientin (Abb. 2).

Abb. 2: spätszintigraphisch deutliche Mehrspeicherung des Radionuklids in den Hand-, MCP- und Fingergelenken sowie im Sprunggelenk

Zum Vergleich zeigen die skelettszintigraphischen Aufnahmen im Fall 3 (Abb. 3.1 und 3.2) eines 77-jährigen Mannes arthrotisch bedingte Mehrspeicherungen des Radionuklids (Tc-99m Teceos) in degenerierten Gelenken. Bei seit etwa 4 Wochen bestehenden bewegungsabhängigen Beschwerden vorrangig in den oberen Extremitäten wurde der Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung geäußert, die sich szintigraphisch nicht bestätigen ließ.

Abb. 3.1: Frühszintigramm des Skeletts mit separater Aufnahme der Hände und Füße (544 MBq Tc-99m Teceos): mäßige Mehrspeicherung des STT-Gelenks links, Daumengrundgelenks rechts sowie der PIPGelenke D2 bis 4 links und D3 rechts, des TMT-Gelenks 1 rechts

Abb. 3.2: Spätszintigramm mit Mehrspeicherung des Radiotracers im STT-Gelenk links und TMT-Gelenks rechts, nur geringe Mehrspeicherungen der Fingergelenke, der AC- und SC-Gelenke, vereinzelt im Bereich kleiner Wirbelgelenke sowie von Gelenken des Körperstamms im Rahmen altersüblicher degenerativer Veränderungen

Im Fall 4 werden Szintigraphieaufnahmen (Abb. 4.1 und 4.2) einer 57-jährigen Patientin demonstriert, die seit ca. 1 Jahr über Schmerzen im linken Daumengrundgelenk klagte, eine Schwellung des Gelenkes bestand nicht. Auch in diesem Fall konnte ein rheumatypischer Befall der Gelenke bei diskreten altersgemäßen degenerativen Veränderungen einzelner Fingergelenke ausgeschlossen werden.

Abb. 4.1: Frühszintigramm des Skeletts mit separater Aufnahme der Hände und Füße (544 MBq Tc-99m Teceos): keine Mehrspeicherung im Bereich des gesamten Skelettsystems

Abb. 4.2: spätszintigraphisch diskrete Mehrspeicherung des Radionuklids im linken Daumengrundgelenk sowie der DIP-Gelenke 2 und 3 beidseits sowie der Großzehengrundgelenke, sonst unverändert unauff älliger Befund.

Fall 5 zeigt die Röntgenaufnahme der linken Hand (Abb. 5) einer 46-jährigen Patientin mit dem Initialstadium einer Arthritis, die zur juxtaartikulären Osteoporose insbesondere der Metakarpophalangealgelenke führte.

Abb. 5: Röntgenaufnahme der linken Hand (d.v.) mit juxtaartikulärer Osteoporose insbesondere der MCP-Gelenke; nebenbefundlich Dystrophie der Metakarpalia 4 und 5

Im Fall 6 konnte die MRT die aktive Arthritis der Interphalangealgelenke einer 59-jährigen Patientin mit schmerzhafter Schwellung der Fingergelenke besonders in den KM-unterstützten fettunterdrückenden Sequenzen nachweisen (Abb. 6.1 und 6.2).

Abb. 6.1: koronales MRT nach KM (T1 TSE FS, 1,5 T): Arthritis des proximalen Interphalangealgelenks 3 und 4 sowie des DIP-Gelenks 2

Abb. 6.2: transversales MRT nach KM (T1 TSE FS, 1,5 T): Arthritis des proximalen Interphalangealgelenks 3 besonders deutlich

Literatur

1. Araujo F, Silva I, Sepriano A, Reizino C, Marques L, Nero P, Branco JC. Cervical Spine Involvement as Initial Manifestation of Rheumatoid Arthritis: a case report. Acta Rheumatol Port. 2013 Oct 30.

2. Bhattacharyya S, Helfgott SM. Neurologic complications of systemic lupus erythematosus, sjögren syndrome and rheumatoidarthritis. Semin Neurol. 2014;34(4):425-36.

3. Dietel, M., Suttorp, N., Zeitz, M., Hrsg.: Harrisons Innere Medizin. Band 2. 17. Auflage. ABW Wissenschaftsverlag, Berlin: 2576-80.

4. Joaquim AF, Appenzeller S. Cervical spine involvement in rheumatoid-arthritis - a systematic review. Autoimmun Rev. 2014 Dec;13(12):1195-202.

5. Kainberger F. Bildgebung entzündlich-rheumatischer Systemerkrankungen am Muskel-Skelett-System. Radiologie up2date 4, 2004: 395-417.

6. Kim HJ, Nemani VM, Riew KD, Brasington R. Cervical spine disease in rheumatoid arthritis: incidence, manifestations, and therapy. Curr Rheumatol Rep. 2015 Feb;17(2):486.

7. Marques PM, Cacho-Rodrigues P, Ribeiro-Silva M, Linhares D, Negrao P, Pinto R, Neves N. Surgical management of cervical spine instability in Rheumatoid Arthritis patients. Acta Rheumatol Port. 2014 Oct 24.

8. Nguyen HV, Ludwig SC, Silber J, Gelb DE, Anderson PA, Frank L, Vaccaro AR. Rheumatoid arthritis of the cervical spine. Spine J. 2004 May-Jun;(3):329-34.

9. Rosado-de-Castro PH, Lopes de Souza SA, Alexandre D, Barbosa da Fonseca LM, Gutfilen B. Rheumatoid arthritis: Nuclear Medicine state-of-the-art imaging. World J Orthop. 2014 Jul 18;5(3):312-8.

10. Södeman T, Olerud C, Shalabi A, Alavi K, Sundin A. Static and dynamic CT imaging of the cervical spine in patients with rheumatoid arthritis. Skeletal Radiol. 2015 Feb;44(2):241-8.

11. Venegas-Pont M, Davis JM 3rd, Crowson CS, Gabriel SE, Matteson EL. Frequency of radiologic procedures in patients with rheumatoid arthritis. J Clin Rheumatol. 2015 Jan;21(1):15-8.

Der Autor:
Dr. med. Hans-Joachim Thiel
MedienServiceMedizin
73102 Birenbach, Kirchlesfeld 21
Der Autor ist Facharzt für Radiologie. Nach dreijähriger Tätigkeit als Oberarzt hat er sich Mitte der 1990er Jahre in Göppingen niedergelassen. Seine Haupttätigkeit sind CT, MRT und Interventionen. Darüber hinaus ist er Verfasser zahlreicher Fachpublikationen.

Entnommen aus MTA Dialog 12/2015

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