Emotionaler Stress als Auslöser unterschätzt

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Bei Stress kann es leichter zu einem Herzinfarkt kommen. psdesign1 - stock.adobe.com
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Psychische Belastungssituationen wie Trauer oder Mobbing lösen auch bei Patienten ohne Vorerkrankung eine das Herz belastende Reaktion aus. Das Unterschätzen von emotionalem Stress als Auslöser von Herzinfarkten kann lebensbedrohlich sein.

Enorme psychische Belastungssituationen steigern das Herzinfarktrisiko nicht nur bei Patienten mit bereits bestehender koronarer Herzerkrankung, sondern auch bei Patienten ohne nachgewiesene Vorerkrankung an den Herzkranzgefäßen. Das Spektrum solcher extremen Stresssituationen kann von einem Trauerfall in der Familie bis hin zum Mobbing am Arbeitsplatz gehen. Besonders auffallend ist, dass der stressbedingte Herzinfarkt vor allem von emotionler Belastung ausgelöst wird, die durch zwischenmenschliche Probleme entstanden ist.

 

Prof. Dr. med. Christiane Waller, Sprecherin der Arbeitsgruppe Psychosoziale Kardiologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), betont: „Der übliche Alltagsstress wie eine verpasste Straßenbahn ist dabei lange nicht so relevant wie zwischenmenschlicher Stress, beispielsweise mit Arbeitskollegen, dem Partner oder der Familie.“

Emotional aufwühlende Ereignisse führen zu einer Alarmreaktion des Körpers: die Stresshormone und das sympathische Nervensystem werden aktiviert. Dies wirkt sich negativ auf das Herz-Kreislauf-System aus. Die Herzleistung steigt an, der Herzmuskel benötigt mehr Sauerstoff, der Herzschlag beschleunigt. Herzmuskel und Gefäße werden stark belastet, denn die Gefäße verengen sich als Reaktion auf die Stresssituation und es kommt zu kritischer Blutdrucksteigerung. Weiße Blutkörperchen werden aktiviert, und es kommt zu einer vermehrten Verklebung von Blutplättchen.

Ein Herzinfarkt kann viele Ursachen haben

Prof. Dr. med. Hugo Katus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, erklärt: „All diese Faktoren zusammen und viele andere zelluläre Phänomene erklären gut, warum es bei Stress leichter zu einem Herzinfarkt kommen kann. Das betrifft besonders häufig die Patienten, die schon eine bestehende koronare Herzkrankheit haben, aber es kann auch Menschen betreffen, die keine nennenswerte Erkrankung an den Herzgefäßen haben.

Ein Herzinfarkt kann viele Ursachen haben. Der klassische Herzinfarkt entsteht durch eine vorbestehende Erkrankung der Herzkranzgefäße und einen Verschluss des Herzkranzgefäßes durch eine Gerinnselbildung an einer arterioskleotischen Ablagerung (Typ 1-Herzinfarkt). Bei 20 bis 30 % aller Herzinfarkte finden sich aber keine Verschlüsse von Herzkranzgefäßen. Hier entsteht eine kritische Sauerstoffschuld des Herzmuskels durch eine für den Sauerstoffbedarf nicht ausreichende Durchblutung. Die Kardiologie spricht dann von einem Typ 2-Herzinfarkt. Auch bei diesem Infarkt sind die Angina pectoris-Beschwerden und viele klinischen Befunde mit einem klassischen Herzinfarkt, der durch einen kompletten Gefäßverschluss bedingt ist, identisch.

Rätsel geben allerdings die Patienten auf, deren Herzkranzgefäße trotz Herzinfarkt keinerlei kritische Engstellen aufweisen. Die Ursache für den Infarkt bei diesen Patienten ist noch nicht geklärt, könnte aber in einer Verkrampfung der Gefäße (Spasmus) liegen. Dieses Phänomen wird als MINOCA bezeichnet. Eine besondere Ursache für eine herzinfarktähnliche akute Erkrankung ist das Broken Heart Syndrom. Bei circa 2 bis 3 % aller Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt wird diese Erkrankung gefunden, die nicht weniger lebensbedrohlich ist als ein Herzinfarkt. Diese Erkrankung, die besonders häufig bei Frauen in der Postmenopause zu beobachten ist, wird auch Tako-Tsubo-Syndromoder Stress-Kardiomyopathie genannt. Als Auslöser finden sich häufig extreme emotionale Belastungen, aber auch lebensbedrohende Situationen.

Handlungsempfehlungen zum Stressabbau

Handlungsempfehlungen zum Stressabbau müssen individuell zugeschnitten sein. Während sich die akute Behandlung stressbedingter Herzinfarkte nicht von der typischer Herzinfarkte unterscheidet, sollten Fachärzte die auslösenden psychosomatischen Faktoren insbesondere bei der Nachsorge der Betroffenen nicht außer Acht lassen, damit sie entsprechende Maßnahmen zur Stressreduktion vornehmen können. Welche das sind, hängt von den individuellen Bedürfnissen des Einzelnen ab.

Waller: „Die einen bauen Stress ab, indem sie sich körperlich betätigen. Diesen Patienten raten wir dann zu sportlichen Aktivitäten, während andere Patienten eher Ruhe benötigen. Besonders beliebt sind derzeit Tai Chi, Chi Gong oder achtsamkeitsbasierte Verfahren als Entspannungstechniken. Vielen hilft aber auch einfach das Lesen eines guten Buchs.“

Auch weniger existenzieller Stress kann das Risiko für Herzinfarkt erhöhen. So konnten Kardiologen aus München zeigen, dass während der Fußball-Weltmeisterschaftsspiele der deutschen Mannschaft die Herzinfarktrate signifikant angestiegen ist. Während die Sterblichkeitsrate bei den unterschiedlichen Herzinfarkttypen im Wesentlichen vergleichbar ist, betont Prof. Dr. Katus: „Registerdaten nach Situationen mit hoher Stressbelastung - wie zum Beispiel nach Erdbeben - zeigen, dass die durch Stress getriggerten Herzinfarkte mit mehr Komplikationen und größeren Herzinfarkten einhergehen.“

Unklar ist bis dato allerdings, ob Herzinfarkte abhängig von der spezifischen Auslösesituation unterschiedliche Sterblichkeitsraten haben. Generell gilt, dass eine gesunde Lebensweise äußerst wichtig für die Prävention kardiovaskulärer Ereignisse ist. Dazu gehört auch ein möglichst bewusster Umgang mit Stresssituationen. Denn Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind immer noch die Todesursache Nummer eins in Europa.


Quelle: DGK, 28.09.2018

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