COVID-19: Schonende Beatmung durch Computermodell

Können Todesfälle reduziert werden?
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Zustand der Patientenlunge
Aus CT-Daten berechnet das Programm mithilfe künstlicher Intelligenz den aktuellen Zustand der Patientenlunge. Die orangefarbenen Bereiche zeigen Schädigungen durch eine Covid-19-Infektion. Jakob Richter / TUM
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Besonders bei schweren Verläufen der COVID-19-Infektion ist eine künstliche Beatmung lebenswichtig. Dabei wird aber auch das Lungengewebe durch die Druckbeatmung schwer belastet, was sich besonders bei vorgeschädigten Lungen tödlich auswirken kann. Mit einem neuen digitalen Lungenmodell könnten jedoch bald die Überlebenschancen deutlich ansteigen.

Die Situation für Patienten mit ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome) ist schwierig. Eine künstliche Beatmung soll ihnen das Leben retten. Aber dadurch, dass die Lunge mit Druck offen gehalten wird, damit Sauerstoff und Kohlendioxid ausgetauscht werden, können Teile der Lunge stark beschädigt werden. Das kann tödlich enden.

Also muss eine optimale Beatmung eingestellt werden. Doch das ist nicht leicht. Der benötigte Druck zum Offenhalten der Lunge kann manche Bereiche schon überdehnen. Außerdem muss für einzelne Lungenbereiche ein wiederholtes Öffnen und Schließen vermieden werden, da es sonst zu Entzündungen im Gewebe kommt.

Abhilfe könnte jetzt ein digitales Lungenmodell schaffen, das an der Technischen Universität München (TUM) entwickelt wurde. Bei über 20 Stufen der Verzweigung sei es für Behandler nicht möglich, Probleme auf der Mirkoebene der Lunge während der Beatmung zu erkennen, erklärt Wolfgang Wall, Professor für Numerische Mechanik an der TU München.

Die mechanischen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Gewebearten, der strömenden Luft und dem Flüssigkeitsfilm auf dem schwammartigen Gewebe der Lunge sei sehr komplex. Ihre Forschung an Simulationsmodellen und mit mikromechanischen Versuchen brachte nun ein digitales Lungenmodell zu Tage. So kann ein Behandler anhand von Daten eines Computer-Tomogramms des Brustkorbs und der Analyse eines Atemzugs erkennen, wann bei welcher Einstellung des Beatmungsgerätes welche Belastungen auftreten und die Einstellungen anpassen.

Intelligentes Lungenmodell gegen COVID-19

Anstatt eine vom Körpergewicht ausgehende Faustformel zu verwenden, nutzt das Modell von Prof. Wall und seinen Forschern zur Berechnung des tatsächlichen Lungenvolumens Daten eines Computer-Tomogramms. Dieses erkennt zudem bereits durch die Krankheit geschädigte Lungenbereiche. Der Computer erstellt einen digitalen Zwilling der Patientenlunge. Dafür nutzt er Daten der Druck- und Volumenänderung während eines Atemzugs. So kann das Programm präzise voraussagen, bei welchen Einstellungen Schäden an der Lunge auftreten.

Mithilfe des in diesem Zuge gegründeten Unternehmens „Ebenbuild“ sollen die Forschungsergebnisse schnellstmöglich in die klinische Praxis kommen. Die Modellerstellung erfolgt durch künstliche Intelligenz. Davon ausgehend wurde ein Werkzeug entwickelt, das zur Früherkennung von COVID-19 eingesetzt werden kann. Denn 80 Prozent der Todesfällen im Zusammenhang mit COVID-19 seien laut Prof. Wall auf akutes Lungenversagen zurückzuführen. Durch ihre Arbeit solle zukünftig ein digitales Lungenmodell an jedem Beatmungsplatz stehen und bei den Einstellungen helfen, um die Überlebenschancen zu erhöhen.

Literatur:

C. J. Roth, T. Becher, I. Frerichs, N. Weiler, W. A. Wall: Coupling of EIT with computational lung modelling for predicting patient-specific ventilatory responses. Journal of Applied Physiology, 122 (2017), 855-867 DOI: 10.1152/japplphysiol.00236.2016.

C. J. Roth, M. Ismail, L. Yoshihara, W. A. Wall: A comprehensive computational lung model incorporating inter-acinar dependencies: Application to spontaneous breathing and mechanical ventilation. International Journal for Numerical Methods in Biomedical Engineering, 33 (2017), e02787 DOI: 10.1002/cnm.2787.

C. J. Roth, L. Yoshihara, W. A. Wall: Computational Modeling of Respiratory Biomechanics.
In R. Narayan (Ed.), Encyclopedia of Biomedical Engineering, Elsevier, 2018, vol. 2, pp. 70–80.

 Quelle: TU München

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