COVID-19: Herztransplantierte mit hoher Mortalität

Befragung aller deutschen Transplantationszentren
lz
COVID-19 und Spenderherz
Wie wirkt sich eine COVID-19-Infektion auf Patienten/-innen mit einem Spenderherz aus? yodiyim, fotolia
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Wie wirkt sich eine COVID-19-Infektion auf Patienten/-innen mit einem Spenderherz aus? Die wissenschaftliche Befragung aller deutschen Transplantationszentren liefert darüber jetzt erste drastische Zahlen und herzmedizinische Erkenntnisse.

Als der Hausarzt abends um halb zehn noch bei ihm anrief, war der Grund dieses Telefonats für Johann Hoffmann (Name wurde geändert) sofort klar: Der morgens bei ihm vorgenommene Abstrichtest auf das Coronavirus war positiv. Es sei ihm schon „mulmig zumute“ gewesen in diesem Moment am 18. März, erinnert sich Hoffmann, andererseits habe er die Angst aber erst gar nicht an sich herankommen lassen wollen. Denn Grund zur besonderen Sorge hatte Hoffmann durchaus: Der 48-Jährige wurde 2013 herztransplantiert und muss seitdem Immunsuppressiva einnehmen – Medikamente also, die sein Immunsystem an der Abstoßung des Spenderorgans hindern, damit aber auch die Abwehrkräfte des Körpers gegen Infektionen schwächen.

Medikamente vorübergehend abgesetzt

Einige Tage zuvor hatte Hoffmann Husten, Fieber, Gliederschmerzen und Schüttelfrost bekommen. In telefonischer Absprache mit der Transplantationsambulanz am Deutschen Herzzentrum Berlin setzte er einen Teil seiner Medikamente vorübergehend ab – eine bei schwereren Virusinfektionen Langzeit-Transplantierter durchaus übliche Maßnahme. Auch nach der COVID-19-Diagnose blieb Johann Hoffmann zu Hause, in ständigem Kontakt mit den Ärzten am DHZB. Sein Zustand besserte sich relativ schnell, er genas, nach derzeitigem Wissen hat auch sein Spenderherz keinerlei Schaden genommen.

Hohes Sterberisiko?

Es hätte anders kommen können. Johann Hoffmann – der sich höchstwahrscheinlich bei seiner Tochter angesteckt hat – ist einer von 21 herztransplantierten Patienten/-innen in Deutschland, die in den ersten vier Monaten der Pandemie an COVID-19 erkrankten und deren Verläufe in einer jetzt veröffentlichten Studie unter Leitung der Uniklinik in Heidelberg untersucht wurden.

Ergebnis dieser Erhebung: Acht der Patienten/-innen, also mehr als ein Drittel, erkrankten schwer und mussten beatmet werden – sieben von ihnen verstarben. Demnach wäre das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bei herztransplantierten Patienten/-innen ebenso drastisch erhöht wie die Wahrscheinlichkeit, an der Erkrankung zu versterben.

Hinweise auf Auswirkungen aufs Herz

Solche Schlussfolgerungen könnten zwar wissenschaftlich verlässlich noch nicht gezogen werden, dafür sei die Zahl der in der Studie erfassten Patienten/-innen zu gering, erläutert Privatdozent Dr. med. Felix Schönrath, Kardiologe am DHZB und gemeinsam mit seinem Kollegen, Herzchirurg Prof. Dr. med. Christoph Knosalla, Co-Autor der Publikation. Die Studie gebe aber wichtige Hinweise, welche Auswirkungen der Infektion aufs Herz die besondere und frühe Aufmerksamkeit der Herzspezialisten erfordere.

So zeigten sich bei den schwer erkrankten Patienten/-innen eine verminderte Funktion des rechten Ventrikels (Herzkammer), neu auftretende Herzrhythmusstörungen und „thromboembolische Ereignisse (die Bildung von Blutgerinnseln)“ signifikant erhöht, ebenso wie bestimmte „Biomarker“, die diese Ereignisse frühzeitig anzeigen können.

Noch keine einheitlichen Strategien

Die jetzt veröffentlichte Studie sei nur einer von vielen Schritten hin zu einem besseren Verständnis der Zusammenhänge, sagt Prof. Christoph Knosalla: „aber es ist wichtig, dass wir diese Schritte gemeinsam gehen“. Die vorliegende Abfrage und Publikation der genauen Behandlungsverläufe in allen deutschen Transplantationszentren gebe allen Beteiligten wichtige Informationen und Rückversicherung über das Vorgehen der Kolleginnen und Kollegen an den jeweils anderen Kliniken.

Einheitliche, wissenschaftlich abgestimmte Strategien zur Behandlung herztransplantierter Patienten/-innen mit COVID-19 gebe es aufgrund der – auch weltweit – noch zu wenigen Verlaufsdaten bisher kaum.

Fortsetzung der Studie

Die Studie werde nun fortgesetzt, erklären die DHZB-Mediziner, der Schwerpunkt liege dabei auf der Untersuchung, ob und wie stark die überlebenden Patienten Antikörper gegen das Virus entwickelt haben. Johann Hoffmann aus Berlin weiß bereits, dass er diese Antikörper in sich trägt – aber auch, dass er sich deshalb nicht weniger konsequent vor einer Ansteckung schützen wird. Auch Prof. Christoph Knosalla und Dr. Felix Schönrath werben für die Einhaltung der wichtigen Hygieneregeln, nicht nur bei Patienten/-innen mit einem Spenderorgan. Der Kardiologe bittet zudem um Verständnis für die strikten Maßnahmen am DHZB und die damit verbundenen Einschränkungen: „Viele unserer Patientinnen und Patienten sind aufgrund ihrer Herz-Kreislauf-Leiden besonders geschwächt, nicht nur vor oder kurz nach einer Transplantation. Ihr Schutz hat höchste Priorität.“

Literatur:

Rasmus Rivinius, Ziya Kaya, René Schramm, et al.: COVID-19 among heart transplant recipients in Germany: a multicenter survey. Clin Res Cardiol (2020), DOI: doi.org/10.1007/s00392-020-01722-w.

Quelle: idw/Deutsches Herzzentrum Berlin

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