COVID-19: Fachärztliche Labore beklagen Kapazitätsengpässe

Rasche Maßnahmen notwendig
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Labor an der Kapazitätsgrenze
Labor an der Kapazitätsgrenze Ingo Bartussek, stock.adobe.com
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Nachdem in der vergangenen Woche die Testzahlen für die SARS-CoV-2-PCR-Tests erneut gestiegen sind, mahnt der ALM e.V. zur raschen Fokussierung der nationalen Teststrategie, um eine Überlastung der Labore vor dem Herbst zu verhindern.

Die Akkreditierten Labore in der Medizin - ALM e.V. halten eine Anpassung der Teststrategie für Reiserückkehrer, wie kürzlich in der Schaltkonferenz der Landesminister mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angekündigt, für dringend erforderlich. Kostenlose Corona-Tests für Urlauber bei der Einreise nach Deutschland soll es demnach nach Ende der Sommerreisesaison nicht mehr geben. Außerdem soll die erst kürzlich eingeführte Testpflicht für Rückkehrer aus Risikogebieten abgeschafft werden. Auch volkswirtschaftlich hält bspw. Prof. Jan Kramer, Vorstand im ALM e.V., die Massentestungen bei der aktuell niedrigen Positivrate für nicht gerechtfertigt. Es sei sinnvoll, gezielt zu testen, die AHA-Regeln einzuhalten und damit Ausbrüche zu verhindern. Die Positivrate blieb in der Vorwoche mit 0,9 Prozent annähernd gleich.

Keine Entspannung nach den Ferien

Die von vielen erwartete Entspannung mit dem Ende der Schulferien hat offensichtlich nicht stattgefunden. So musste bei der ALM-Pressekonferenz auch Vorstand Evangelos Kotsopoulos zugeben, dass man gedacht habe, nach den Ferien würde sich das Problem der Überlastung lösen, doch dem sei nicht so. „Hier reicht es keinesfalls, das Ende der Sommerferien abzuwarten“, sagte auch Dr. Michael Müller, 1. Vorsitzender des ALM e.V. und mahnte: „In Berlin sehen wir beispielsweise gerade jetzt eine deutliche Steigerung der Testzahlen - und das, obwohl die Schule hier bereits vor zwei Wochen wieder begonnen hat.“

Drastischer Anstieg der SARS-CoV-2-PCR-Tests

Die wöchentliche Datenanalyse des ALM e.V., an der bundesweit 153 Labore, davon etwa ein Drittel außerhalb des Verbands, teilgenommen haben, zeigt in der vergangenen 34. Kalenderwoche erneut einen drastischen Anstieg der SARS-CoV-2-PCR-Tests - und zwar auf 889.815 (+17 Prozent). Der Rückstau an Tests am Montagmorgen, die nicht in der üblichen Zeit bis Sonntagabend ausgewertet werden konnten, beträgt mittlerweile 25.327 - eine deutliche Steigerung im Vergleich zur Vorwoche. Ein erheblicher Anteil dieses Rückstaus komme aus den Einsendungen von Freitag bis Sonntag. Auch wenn die maximale kurzfristig verfügbare Testkapazität für die laufende Woche mit 1.064.000 PCR-Tests wöchentlich weiterhin auf sehr hohem Niveau bleibt, sieht der ALM e.V. die zunehmende Belastung der fachärztlichen Labore mit Auslastungen von 85 Prozent im Bundesdurchschnitt und Spitzenauslastungen von über 100 Prozent in einigen Bundesländern sehr kritisch: „Wir können diesen Druck aufs System nicht länger aushalten und unsere engagierten und seit Monaten an der Leistungsgrenze arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht weiter überlasten. Die Testanforderungen übersteigen in vielen Laboren bereits die rationierten Liefermengen an Reagenz- und Verbrauchsmaterialien. Sollten jetzt noch weitere regionale Ausbrüche hinzukommen, wird uns das in die Knie zwingen“, stellte Kramer fest. Teilweise lägen bereits Überlastungsanzeigen der Mitarbeiter vor.

Herbst steht vor der Tür

Beim Blick in den Herbst mit der dann anstehenden Erkältungssaison betonte Kramer, dass es ihn grause, wenn die Tests nicht zurückgefahren würden. Die Lager seien dann leer und auch die Verbrauchsmaterialen gingen dann zur Neige. Schlauer sei es, die Kapazitäten zu bunkern, um dann gefeit zu sein, wenn die Belastungen im medizinischen Umfeld wieder zunähmen. Von einem Versorgungsproblem mit überlasteten Mitarbeitern seien letztlich auch andere Analysen betroffen wie Präventionsleistungen z.B. bei Hepatitis oder Chlamydien. Auch Vorstand Kotsopoulos schätzte, dass die in den Laboren vorhandenen Reagenzien und Verbrauchsmaterialien bei der aktuellen Schlagzahl weniger als 2 Wochen reichen. Die Menge müsse justiert werden.

Hoffnung Antigentests

Große Hoffnungen setzt Kramer in die Antigentests, die voraussichtlich im Q4 anwendbar sein sollen. Die wären ein Segen, da es zu einer Entlastung bei den PCR-Tests beitragen könne. Für Screeningmaßnahmen könne man dann die Antigentests einsetzen. Dies werde den Laboren aber erst Ende 2020 oder Anfang 2021 helfen. Derzeit seien die Qualitätsdaten bei diesen Tests noch viel zu schlecht und das Risiko der falsch-negativen Ergebnisse damit zu groß.

Priorisierung durch die Politik, nicht durch die Labore 

„Weder die Ärzte in den Praxen noch wir Fachärzte in den Laboren wollen und dürfen Testaufträge priorisieren und ad hoc entscheiden, welche Tests dringlicher sind. Statt uns als Ärzteschaft in diese missliche Lage zu bringen, sollten insbesondere die Landesregierungen eine klare Priorisierung zur Entnahme der Tests vorgeben“, so Kramer.

Eine Lösung für die dramatische Situation habe Prof. Christian Drosten ins Spiel gebracht. Der Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité hatte vorgeschlagen, die Corona-Testung an den Flughäfen einzustellen. Statt zahlreiche symptomlose Reiserückkehrer zu testen, sei es besser, sich vorerst auf Personen mit COVID-19-Symptomen zu konzentrieren. Auch die Mitglieder des ALM e.V. halten es für effektiver, effizienter und obendrein ressourcenschonend, die Nationale Teststrategie konsequent anzuwenden und zu fokussieren. Der ALM e.V. unterstütze die Empfehlung, Reiserückkehrer aus Risikogebieten zunächst in häusliche Quarantäne zu schicken und erst dann zu testen, wenn Symptome auftreten. „Wir brauchen nun ein klares Signal von der Politik“, fordert der gesamte ALM-Vorstand.

Keine unbegrenzten Kapazitäten

„Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Laboren leisten das Menschenmögliche, um die Tests so schnell wie möglich auszuwerten und die Ergebnisse zu übermitteln. Es ist jedoch außerordentlich belastend zu erleben, dass wir kaum noch hinterherkommen“, betonte auch Müller. Weder die Ressource Mensch noch die Materialien, die für eine PCR-Testung eingesetzt werden, stünden unbegrenzt zur Verfügung und seien beliebig ausbaubar.

Kotsopoulos verwies auf einen weiteren Aspekt: „Die COVID-19-Diagnostik ist nicht nur hierzulande, sondern weltweit eine begrenztes Gut. Jeder Test, der hier nicht an der richtigen Stelle eingesetzt wird, ist verbraucht und kann anderswo fehlen - insbesondere wenn wir an den möglicherweise steigenden Testbedarf in den Herbst- und Wintermonaten denken.“ Die gerade in diesen Zeiten so wertvolle und für die Eindämmung der Pandemie unabdingbare Ressource Labordiagnostik sollte - so die Forderung der ALM-Vorstände - nicht anlasslos verschwendet werden.
 
Quelle: ALM e.V.

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