COVID-19-Ausbruch nach einer Hochzeit

Weiterarbeit mit Erkältungssymptomen
Hardy-Thorsten Panknin, Matthias Trautmann
Hochzeit und COVID-19
Weiterarbeit mit Erkältungssymptomen führt zu Kaskade von Folgefällen © IVASHstudio - stock.adobe.com
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Dass Massenveranstaltungen leicht zum Ausgangspunkt einer Corona-Infektionskette werden können, ist hinlänglich bekannt. Die meisten Berichte darüber charakterisieren die Ausbrüche jedoch als ein einphasiges epidemiologisches Geschehen, welches nach einiger Zeit durch Quarantänisierung der Betroffenen zur Ruhe kommt.

Ein kürzlich im Bundesstaat Maine, USA, beobachteter COVID-19-Ausbruch im Zusammenhang mit einer Hochzeit zeigt jedoch, dass bei genauerer epidemiologischer Analyse ein System sekundärer und tertiärer Übertragungen aufgedeckt werden kann. Dabei wurden in diesem Fall deutlich mehr Personen  angesteckt, als bei dem auslösenden sozialen „event“ primär anwesend waren. Die beobachteten 7 Todesfälle traten ausnahmslos bei Personen auf, die gar nicht als Gäste an der Hochzeitsfeier teilgenommen hatten [1].

Methodik der Untersuchung

Die Ausbruchsbeschreibung basierte auf einer Ortsbegehung, einer Analyse des Gäste- und Personalverhaltens bei der Veranstaltung sowie einer telefonischen Nachverfolgung aller Teilnehmer. Die Recherchen erfolgten durch Mitarbeiter des Zentrums für Krankheitskontrolle und Prävention des Bundesstaats Maine (Maine Center for Disease Control and Prevention; MeCDC) in Zusammenarbeit mit dem Nationalen CDC der USA in Atlanta, Georgia. Primäre, sekundäre und tertiäre Fälle wurden nach Vorgaben der CDC definiert.

Beschreibung des Ausbruchs

Am 7. August 2020 fand in einem kleinen Ort auf dem Lande im US-Bundesstaat Maine eine Hochzeitsfeier statt. Die bis zu diesem Zeitpunkt ermittelte Inzidenz von COVID-19-Fällen in der Region lag bei 97 pro 100.000 Einwohnern. In dem 4.500-Einwohner-Ort selbst waren bislang noch keine Erkrankungen aufgetreten. Die Braut, der Bräutigam und die Familie des Bräutigams (insgesamt 7 Personen) waren einen Tag zuvor aus Kalifornien angereist. Kurz nach der Ankunft waren sie entsprechend den geltenden Einreisebestimmungen des Staates Maine auf SARS-CoV-2-getestet worden. Da der Test negativ ausfiel, durften sie sich frei bewegen und die Veranstaltung durchführen.

Die Hochzeitsfeier fand in einem ländlichen Tagungshotel mit angeschlossenem Restaurant statt. Das Hotel verfügte neben dem großen Veranstaltungsraum über eine Bar, einen Frühstücksraum und eine offene Terrasse. Im Veranstaltungsraum wurden jeweils 4-6 Gäste an 10 Tischen platziert. Obwohl der Staat Maine die obere Teilnehmergrenze für Veranstaltungen mit 50 festgesetzt hatte, nahmen 55 Gäste an der Feier teil. Die Angestellten des Tagungshotels hatten am Eingang bei allen eintreffenden Personen eine Fiebermessung durchgeführt, die nach späterer mündlicher Angabe keine Auffälligkeiten ergeben hatte. Am Hoteleingang waren Poster mit dem Hinweis auf die Verpflichtung zum Maskentragen aufgestellt, die allerdings im Verlauf der Feier nicht mehr beachtet wurden. Das Personal hatte auch darauf verzichtet, das Maskentragen durchzusetzen. Die Bedienungen selbst hatten sich jedoch offenbar daran gehalten. Kontaktlisten lagen nicht aus, was die spätere Nachverfolgung erheblich erschwerte.

Der Indexpatient war ein ortsansässiger Teilnehmer aus Maine, der am Tag nach der Veranstaltung (8.8.2020) mit Fieber, Husten, Fließschnupfen und Abgeschlagenheit erkrankte. Er wurde am 13.8.2020 mittels PCR positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Nach Meldung dieses Testergebnisses wurde das Tagungshotel durch das Gesundheitsamt besichtigt; dabei wurden die oben genannten vorschriftswidrigen Verhaltensweisen festgestellt.

COVID-19-Ausbruch nach der Feier

Bis zum 20.8.2020 wurden dem MeCDC insgesamt 30 primäre, symptomatische und asymptomatische Fälle im Zusammenhang mit der Hochzeit bekannt. Betroffen waren 27 der 55 Gäste (49,1 %) und 3 weitere Personen, die an dem Abend anwesend waren: Ein Personalmitarbeiter, ein Verkäufer und ein Stammkunde, der im Nebenraum sein Abendessen einnahm. Der erkrankte Personalmitarbeiter steckte nachfolgend einen Kollegen an, der bei der Feier nicht anwesend gewesen war (sekundärer Fall). Das MeCDC identifizierte durch Nachverfolgungen weitere sekundäre und tertiäre Fälle. Bei den Nachverfolgungen wurden die primär erkrankten Personen telefonisch kontaktiert und nach Kontakten innerhalb von 14 Tagen nach der Hochzeit befragt. Die angegebenen Kontaktpersonen wurden ihrerseits telefonisch kontaktiert und nach Erkrankungssymptomen befragt.

In der Folge ergaben sich 3 Erkrankungsgipfel, nämlich ca. 6-13 Tage nach der Hochzeit, 18 Tage nach der Hochzeit (Gipfel am 26.8.), sowie weitere ca. 16 Tage später (Gipfel am 11.9.2020). Dies entsprach den primär, sekundär und tertiär angesteckten Personen (Abb. 1).

Die Aufteilung der sekundären und tertiären Fälle ist in Tabelle 1 dargestellt.

Aus dem Pflegeheim wurden 3 erkrankte Bewohner ins Krankenhaus aufgenommen. 6 Bewohner, darunter 3 der ins Krankenhaus aufgenommenen, verstarben. Die Verstorbenen waren ≥60 Jahre alt und hatten internistische Vorerkrankungen. Keiner von ihnen hatte selbst an der Veranstaltung teilgenommen. Ein weiterer Todesfall trat unter den privaten Kontaktpersonen der Hochzeitsgäste auf.

In der Summe umfasste der Ausbruch 177 Fälle, von denen 83 als sekundäre und 64 als tertiäre Fälle klassifiziert wurden (Tab. 1). 70 Personen waren symptomatisch (39,5 %), die restlichen 107 asymptomatisch. In dem Pflegeheim und in dem betroffenen Gefängnis wurden durch das Gesundheitsamt strikte Hygieneregelungen veranlasst, wodurch der Ausbruch zum Stillstand kam. In der Schule, in der 2 Lehrkräfte erkrankten, wurden die Sommerferien um 2 Wochen verlängert. Fälle unter Schülern oder weiteren Lehrkräften konnten dadurch vermieden werden.

Schlussfolgerung der Autoren

Aus Sicht der Autoren begünstigten folgende Verhaltensfehler den Ausbruch:

  • Überschreitung der festgelegten Teilnehmerzahl bei der Veranstaltung
  • Versäumnis, sich an die vorgeschriebene Maskenregelung zu halten
  • Überwiegend in geschlossenem Raum stattfindendes Fest.

Für die hohe Zahl an Folgefällen wurde vor allem die Weiterarbeit in kontaktintensiven Berufen trotz Erkältungs- und Fiebersymptomatik verantwortlich gemacht. Als sehr effektiv erwies sich die Schulschließung.

Kommentar der korrespondierenden Referenten

COVID-19-Ausbrüche bei Festen und Veranstaltungen sind inzwischen vielfach beschrieben. Die hier vorgelegte Analyse nimmt jedoch dadurch eine Sonderstellung ein, dass ein ungewöhnlich hoher Anteil der Gesamtfälle durch sekundäre und tertiäre SARS-CoV-2-Übertragungen zustande kam. In einem zusammenfassenden Bericht über die erste Phase der Epidemie in China wurde beispielsweise dargestellt, dass sich von 686 Haushaltskontaktpersonen von Infizierten nur 77 ansteckten (11,2 %), von Kontaktpersonen auf Reisen 18/318 (5,7 %) und bei gemeinsamen Mahlzeiten nur 61/707 (8,6 %). Insgesamt lag die Übertragungsrate bei einmaligen Kontakten bei 0,4 % und bei Kontakten von mittlerer Dauer bei 3,0 % [2].

Im Vergleich dazu übertraf die Anzahl sekundärer und tertiärer Fälle in dem hier beschriebenen Ausbruch die Zahl der primär Betroffenen um den Faktor 2,7 bzw. 2,1. Dieses ungewöhnliche Ausbreitungsmuster dürfte vor allem dadurch entstanden sein, dass erkrankte Hochzeitsgäste oder deren Kontaktpersonen in ihren - überdies sehr kontaktintensiven - Berufen trotz auftretender Erkältungssymptome weiterarbeiteten. Ursächlich mag die in den USA eingeschränkte Möglichkeit zur krankheitsbedingten Abwesenheit („sick leave“) im Angestelltenverhältnis dazu beigetragen haben. In der Frühphase von Arbeitsverhältnissen werden krankheitsbedingte Abwesenheitstage in den USA häufig vom Jahresurlaub abgezogen. Erst nach jahrelanger Zugehörigkeit zu einem Betrieb oder Unternehmen erwirbt man ein Anrecht auf eine mehrwöchige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Aus dem Bericht ist somit vor allem zu schlussfolgern, dass Mitarbeiter in kontaktintensiven Berufen wie beispielsweise Altenpflegekräfte, Mitarbeiter des Pflegedienstes in Krankenhäusern und in der ambulanten Pflege sowie in sozialen Berufen (z.B. Behindertenpflege) bei Auftreten von Erkältungssymptomen in der COVID-19-Pandemie sofort ihren Vorgesetzten informieren sollten! So schnell wie möglich sollte dann eine COVID-19-Diagnostik eingeleitet werden. Bis zum Eintreffen des Ergebnisses muss eine Selbst-Quarantänisierung erfolgen. Arbeitgeber sollten dies großzügig unterstützen.

Literatur:
  1. Mahale P, et al.: Multiple COVID-19 outbreaks linked to a wedding  reception in rural Maine – August 7-September 14,2020. Morbidity and Mortality Weekly Report 2020; 69: 1686-90.
  2. Bi Q, et al.: Epidemiology and transmission of COVID-19 in 391 cases and 1286 of their close contacts in Shenzhen, China: a retrospective cohort study. Lancet Infect Dis 2020; 20: 911-19.


Die Autoren:

HARDY-THORSTEN PANKNIN
Badensche Straße 8B
D-10825 Berlin
Kontakt: ht.panknin@berlin.de

PROF. DR. MED. MATTHIAS TRAUTMANN
Institutsleiter für Krankenhaushygiene
Klinikum Stuttgart
Kriegsbergstraße 60
D-70174 Stuttgart

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