Chagas mit verändertem Mikrobiom bekämpfen?

Abwehrstoffe gegen Trypanosomen
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 Raubwanze Rhodnius prolixus
Die Raubwanze Rhodnius prolixus ist einer der wichtigsten Überträger der Chagas-Krankheit im Norden Südamerikas und in Mittelamerika. Dr. Erwin Huebner, Uni.Manitoba, Wikimedia Commons
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Die Chagas-Krankheit (Amerikanische Trypanosomiasis) ist eine infektiöse Erkrankung, die durch den Einzeller Trypanosoma cruzi hervorgerufen wird. Die Infektion erfolgt über Raubwanzen als Vektor.

Die Erkrankung ist vor allem in Lateinamerika endemisch, hat sich aber inzwischen durch verstärktes Reisen und den Transport von Gütern auch nach Nordamerika und Europa verbreitet. Für zwei Chagas-Wanzenarten herrschen z.B. auch im südlichen Europa günstige klimatische Lebensbedingungen, für eine weitere entlang der Küsten Afrikas und Südostasiens. Die Blut saugenden Raubwanzen übertragen die Erreger der Chagas-Krankheit. Da die Krankheit schwere Symptome verursachen kann und es bislang keinen Impfstoff gegen die verursachenden Trypanosoma-Parasiten gibt, bekämpft man derzeit hauptsächlich die Raubwanzen und tötet sie mit Insektenvernichtungsmitteln.

Raubwanzen sollen Trypanosomen bekämpfen

Ein deutsch-brasilianisches Wissenschaftsteam hat jetzt untersucht, wie Trypanosomen die Darmflora der Raubwanzen verändern. Das langfristige Ziel: Die Bakteriengesellschaft im Raubwanzendarm so zu verändern, dass die Raubwanzen selber die Trypanosomen bekämpfen können. Zwischen sechs und sieben Millionen Menschen überwiegend in Mittel-und Südamerika sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit mit Trypanosomen der Art Trypanosoma cruzi infiziert. Die einzelligen (protozoischen) Parasiten verursachen die Chagas-Krankheit (Amerikanische Trypanosomiasis), die in der akuten Phase unauffällig verläuft: Nur in jedem dritten Fall entwickeln die Infizierten überhaupt Symptome, die dann auch noch unspezifisch sein können, wie Fieber, Nesselsucht und geschwollene Lymphknoten. Doch die Parasiten bleiben im Körper, und viele Jahre später kann die chronische Chagas-Krankheit lebensbedrohlich werden, mit einer krankhaften Vergrößerung des Herzens und einer fortschreitenden Lähmung des Magen-Darm-Trakts.

Noch keine Impfung vorhanden

Eine Impfung gegen den Erreger gibt es nicht, die Behandlung der fortgeschrittenen Krankheit ist schwierig. In Lateinamerika setzt man daher auf die Bekämpfung der Insekten, die die Chagas-Trypanosomen übertragen: Blut saugende Raubwanzen der Insekten-Unterfamilie der Triatominae. Mit ihrem Stich nehmen sie die Trypanosomen auf, die sich im Darm der Raubwanzen festsetzen. Durch den Kot, den die Wanzen meist neben der Stichwunde absetzen, scheiden sie den Erreger aus, der häufig beim Kratzen des stark juckenden Stichs unabsichtlich in die Wunde eingerieben wird.

Erste Resistenzen festgestellt

Doch wenngleich die Zahl der Neuinfektionen in verschiedenen Regionen zurückgegangen ist, in denen intensiv Insektizide gesprüht wurden, zeichnen sich auch hier Probleme ab: Im letzten Jahrzehnt wurden vermehrt Resistenzen verschiedener Raubwanzenarten gegen gängige Insektizide festgestellt. Auch werden durch Insektizide Umwelt und Bevölkerung belastet. Forscherinnen und Forscher weltweit arbeiten mit Hochdruck an alternativen Methoden, mit deren Hilfe Trypanosoma cruzi bekämpft werden kann. Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, Bakterien im Darm der Raubwanzen genetisch so zu verändern, dass sie die Chagas-Trypanosomen abtöten oder deren Entwicklung behindern.

Mikrobiom vor und nach Infektion untersucht

Die Parasitologen und Infektionsbiologen Fanny Eberhard und Prof. Sven Klimpel von der Goethe-Universität Frankfurt, der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung und dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik haben jetzt in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Instituto René Rachou im brasilianischen Belo Horizonte untersucht, wie Chagas-Trypansosomen die Bakteriengesellschaft im Darm der Raubwanzen verändern. Dazu nutzten sie Erbgutanalysen, mit denen sie die Zusammensetzung der Bakteriengesellschaft im Raubwanzendarm, das Mikrobiom, vor und nach der Infektion mit dem Erreger vergleichen konnten (metagenomische Shotgun-Sequenzierung).

Vielfalt an Bakterien nimmt ab

Das Ergebnis: Nach der Infektion nahm die Vielfalt an Bakterien im Raubwanzendarm deutlich ab. Bestimmte Bakteriengruppen, unter ihnen etwa das potenziell krankheitsverursachende Bakterium Enterococcus faecalis, profitierten von der Anwesenheit des Parasiten. Ferner gelang es den Forscher/-innen, vier Bakterienarten zu identifizieren, die wahrscheinlich für die Raubwanze wichtige Funktionen etwa der Synthese von B-Vitaminen übernehmen.

Vitamin-B-herstellende Bakterien sind wichtig

„Vitamin B gehört zu den Nährstoffen, die blutsaugende Insekten nicht über ihre Blutmahlzeiten erhalten. Vitamin-B-herstellende Bakterien sind daher für die Raubwanzen sehr wichtig, kommen praktisch bei allen Individuen vor und bleiben auch generationenübergreifend im Raubwanzendarm erhalten. Solche Bakterien eignen sich daher potenziell dafür, mit Genen für Abwehrstoffen gegen Chagas-Trypanosomen ausgestattet zu werden“, erläutert Fanny Eberhard.

Noch sind Fragen offen

„Letztlich ist es unser Ziel, dass sich die Raubwanzen selber gegen Chagas-Trypanosomen wehren und auf diese Weise die Infektion von Menschen verhindert wird. Bevor man allerdings Bakterien mit derartigen Eigenschaften ausstatten und Raubwanzen mit diesen Bakterien dann freisetzen kann, müssen wir besser verstehen, wie die Ökologie des Raubwanzendarms aussieht und wie die tiefgreifenden Interaktionen zwischen Wirt, Erreger und Mikrobiom genau vonstattengehen. Dazu liefert unsere Arbeit einen essentiellen Beitrag“, betont Prof. Sven Klimpel.

Literatur:
Fanny E. Eberhard, Sven Klimpel, Alessandra A. Guarneri, Nicholas J. Tobias: Exposure to Trypanosoma parasites induces changes in the microbiome of the Chagas disease vector Rhodnius prolixus. Microbiome (2022) 10: 45, DOI: doi.org/10.1186/s40168-022-01240-z.

Fanny E. Eberhard, Sarah Cunze, Judith Kochmann, Sven Klimpel: Modelling the climatic suitability of Chagas disease vectors on a global scale. eLife 2020; 9: e52072, DOI: 10.7554/eLife.52072, elifesciences.org/articles/52072.

Quelle: idw/Goethe-Universität Frankfurt am Main

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