Azubi-Marketing: Die Fachkräfte für morgen gewinnen

Fachkräftemangel
Mirjam Bauer
Azubi-Marketing: Die Fachkräfte für morgen gewinnen
One-Health: Tiergesundheit und Verbraucherschutz liegen den Auszu‧bildenden der VMTA-Schule Freiburg am Herzen. Für alle: © VMTA-Schule Freiburg
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Mit neuen Wegen im Azubi-Marketing macht die VMTA-Schule Freiburg auf ihre Ausbildung aufmerksam. Nicht nur um den Erhalt der Schule, sondern auch um das qualifizierte Fachpersonal von morgen sicherzustellen.

Schwache Geburtenjahrgänge und eine unendliche Vielfalt an Berufswahlmöglichkeiten führen dazu, dass es immer schwieriger wird, Auszubildende zu rekrutieren. Die Industrie setzt seit Langem verschiedene und mitunter sehr kostenintensive Wege ein, um junge Menschen für sich zu gewinnen. Auch schulische Ausbildungseinrichtungen nutzen „Azubi-Marketing“, um für Nachwuchs zu werben. Doch was verbirgt sich konkret hinter diesem Begriff?

Azubi-Marketing umfasst alle Aktivitäten, die das Ziel verfolgen, die angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen. Dazu zählt der persönliche Kontakt zu Schülern, Eltern, Lehrern und Berufsberatern genauso wie sämtliche Dinge, die die Attraktivität oder das Interesse an der Ausbildungsstätte erhöhen. Ohne Marketing-Maßnahmen passiert wenig. Gerade bei etwas unbekannteren Berufen treten junge Menschen nur selten von allein mit Firmen oder Schulen in Kontakt. Deshalb gewinnt die Öffentlichkeitsarbeit immer mehr an Bedeutung. Für effektive und zielführende Maßnahmen auf diesem Gebiet hilft ein umfassendes Konzept, mit dem man über einen breit gefächerten Marketing-Mix möglichst alle Zielgruppen erreicht.

VMTA – eine besondere TA-Ausbildung

Außerhalb von Fachkreisen kennen nur wenige das Berufsbild einer/eines VMTA. Dabei zählt dieses zu den umfangreichsten, spannendsten und abwechslungsreichsten der TA-Sparte. Doch was versteckt sich hinter diesen vier Buchstaben? Zusammengefasst kann man sagen: Veterinärmedizinisch-technische Assistenten setzen sich für die Tiergesundheit und sichere Lebensmittel ein. Das „V“ für „Veterinär“ erweitert das Spektrum der Erkrankungen, Fragestellungen und medizinischen Untersuchungen allein durch die Unterschiede der Tierarten um ein Vielfaches. Daneben umfasst das Berufsbild einer/eines VMTA neben der Diagnostik den großen Bereich der Lebensmittelanalytik. Die Ausbildung erfolgt rein schulisch. Leider bilden immer weniger Schulen in Deutschland diesen Beruf aus. Seit über 60 Jahren ihrer Tradition treu geblieben ist die VMTA-Schule in Freiburg. Die staatliche Lehranstalt ist dem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Freiburg angegliedert und hat bereits mehr als 750 jungen Menschen den erfolgreichen Einstieg in einen vielfältigen Beruf ermöglicht.

Bei dem Begriff „schulische Ausbildung“ denkt man vielleicht in erster Linie an trockenen Theorieunterricht. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Ausbildung bietet einen hohen Praxisanteil mit viel Eigenverantwortung. Neben dem praktischen Unterricht in Lehrlaboren durchlaufen die Schüler in Form von Praktika viele unterschiedliche Bereiche der Routinediagnostik. Voraussetzung für eine Ausbildung als VMTA ist ein Realschul- oder gleichwertiger Schulabschluss. Die Zukunftsaussichten nach abgeschlossener Berufsausbildung sind nicht nur sehr gut, sondern auch vielfältig. VMTA finden Einsatzmöglichkeiten beispielsweise in Landesuntersuchungsämtern, Forschungseinrichtungen, privaten Laboratorien, Tierkliniken, doch ebenso in der Humanmedizin, in Krankenhäusern oder in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie.

Die Schule drehte sogar einen eigenen Imagefilm und Erklärvideos: www.vmta-schule.de/gallery/vmta_imagefilm_langversion.mp4.

Marketing: Aufbau, Zielrichtung und Umsetzung

Die VMTA-Schule in Freiburg stellt pro Ausbildungsjahrgang 14 Plätze bereit. Früher gab es hierfür etwa 75 Bewerbungen, heute sind es unter 20. Dieser dramatische Rückgang stellt sich laut Marktanalysen in anderen Branchen ähnlich dar. So beschloss Schulleiter Dr. Marc Hoferer zusammen mit seinem Team, eine Form des Azubi-Marketings aufzubauen. Begonnen wurde mit einem Workshop, um zunächst herauszufinden, wer alles zur Zielgruppe gehört und wie man diese Personen am besten erreicht. Ziemlich schnell stand fest, dass es das eine Wundermittel nicht gibt. So entschieden sich die Verantwortlichen für ein umfangreiches Konzept. Gestartet wurde mit einer neuen Corporate Identity, die weiterführend für Auftritte auf Messen, in Print- und sozialen Medien oder für Schulkooperationen genutzt werden kann. Ebenso führte die Schule Werbekampagnen im Radio, im Kino und im öffentlichen Nahverkehr durch. Ziel war es, sämtliche Altersgruppen anzusprechen. Häufig fühlen sich die Eltern, Großeltern oder weitere Personen im Umfeld der Jugendlichen in Bezug auf die Berufswahl als Ideengeber für die jüngere Generation verantwortlich.

„Mit viel Eigenengagement, zahlreichen Telefonaten und unzähligen E-Mails haben wir versucht, alles in unserer Macht liegende herauszuholen“, erklärt eine der Lehr-VMTA, „denn als staatliche Schule mussten sich die Kosten hierfür in einem erschwinglichen Rahmen bewegen. Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung und den Rückhalt innerhalb unseres Hauses. Wir erhielten einmalige finanzielle Mittel für die Umsetzung unseres Konzepts, und so konnte uns dieser Neustart ermöglicht werden.“ Den entstandenen Imagefilm konnte man beispielsweise im Kino bewundern, das Erklärvideo steht auf der Webseite www.gut-ausgebildet.de des Landes Baden-Württemberg. Interessierte, die sich mit dem Gedanken befassen, ebenfalls ins Azubi-Marketing einzusteigen, müssen für einige Wochen Kinowerbung mit circa 2.000 Euro rechnen, für eine sechsmonatige Buswerbung mit rund 1.200 Euro.

Was dieses Azubi-Marketing konkret bringt, kann die Schulleitung erst in ein paar Jahren sagen. Experten sprechen von einer Zeitspanne zwischen drei und fünf Jahren, bis deutliche Veränderungen sichtbar werden. „Dennoch können wir bereits jetzt sagen, dass wir nach unseren Aktionen einen deutlichen Anstieg interessierter Anrufer erhielten, die sich nach Informationen über die Ausbildung erkundigten. Leider mussten wir aufgrund der aktuellen Corona-Situation einige Marketingaktionen und Schülerpraktika absagen“, stellt die Schulleitung fest.

Wie funktioniert die Ansprache?

„Wir plädieren an die persönliche Verantwortung jedes Einzelnen in der Gesellschaft, stehen für Tiergesundheit und Verbraucherschutz, machen die Systemrelevanz dieses Berufes deutlich und weisen auf‚ One-Health‘, die gemeinsame Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt, hin. Wir stehen im Gespräch mit aktuellen und ehemaligen Schülern, die uns mitteilen, was sie bewegt oder bewegt hat, diesen Beruf zu erlernen“, erklärt Dr. Hoferer. „Doch wir sprechen nicht nur Schüler an, sondern auch weitere Berufsgruppen wie Tiermedizinische Fachangestellte. Diesen bieten wir unter anderem Führungen in der Schule und dem Untersuchungsamt an. In jedem Jahrgang haben wir durchschnittlich ein bis zwei Schüler mit bereits abgeschlossener Ausbildung in einem anderen Beruf.“

Messen sind ein wichtiger Bestandteil des Konzepts. Es gibt kleine „Schulmessen“, die in Klassenzimmern von allgemeinbildenden Schulen stattfinden, oder große überregionale Jobbörsen. „Der direkte Kontakt zu den jungen Menschen ist wichtig und bringt viel. So organisieren wir Stände, an denen Interessierte selbst aktiv werden können. Hier bieten wir vor Ort die Möglichkeit, mit Laborgeräten, Pipetten, Mikroskopen und Petrischalen zu testen, ob ihnen diese Arbeit gefällt. Dabei stellen die Schüler/-innen Fragen und man kommt schnell und vor allem ungezwungen und unverbindlich ins Gespräch. Dies ist ein wichtiger Aspekt, den gerade Jugendliche sehr schätzen. Nur Flyer allein reichen nicht aus, die eigene Aktivität ist ausschlaggebend. Eine weitere Möglichkeit, Auszubildende zu rekrutieren, sind Praktika. Hier bieten wir flexible Zeitrahmen zwischen einer Stunde bis zu einer Woche an. Angepasst an die Länge des Praktikums vermitteln wir einen umfangreichen Überblick über das Berufsbild einer/eines VMTA“, sagt Dr. Hoferer.

Auch die Digitalisierung ist ein wichtiges Thema. Nach und nach konnte diese in der Schulausbildung eingebaut werden und entwickelt sich stetig weiter. Hier hat die Corona-Pandemie einen Schub gebracht. Mittlerweile funktionieren viele Dinge besser als noch vor einigen Monaten. Ein Antrag auf Tablets für alle Schüler wurde bereits gestellt.

Erfolge, Fazit . . .

„Es gibt nicht den einen richtigen Weg zum Erfolg. Vielmehr geht es hier um unterschiedliche kleine Dinge wie Schulkooperationen, Zusammenarbeit mit Eltern und Lehrern, gemeinsames Anschauen von Erklärvideos und vor allem darum, immer wieder Präsenz zu zeigen, beispielsweise durch die Teilnahme an Messen vor Ort“, fasst eine Lehr-VMTA zusammen. „Das Azubi-Marketing wird auch künftig ein großer Teil unserer Arbeit bleiben; ich denke, wir werden dafür circa zehn bis 20 Prozent unserer Arbeitszeit einsetzen müssen. Das ist definitiv viel mehr als früher! Mir macht es Freude, junge Leute für diese Arbeit zu begeistern – nicht nur für unsere Schule, sondern für alle VMTA-Schulen. Wir benötigen gut ausgebildete Nachwuchskräfte, um gesellschaftlich und sozial zukunftsfähig zu bleiben!“

Fische präparieren: Die VMTA-Ausbildung bietet einen hohen Praxisanteil mit viel Eigenverantwortung.

Der Schulleiter ergänzt: „Wir müssen lernen, selbst mehr zu reflektieren, um jungen Menschen besser deutlich machen zu können, was gut ist für die Menschen, für die Tiere, für die Natur und für das Klima . . .  Hier sind sinnvolle und klare Antworten nötig. Junge Menschen stellen wichtige und auch kritische Fragen. Als Lehrer müssen wir hinter dem stehen, was wir sagen und tun. Wir müssen früh ansetzen, um die jungen Menschen für uns zu gewinnen. Und wenn wir sie überzeugt haben und sie eine Ausbildung bei uns begonnen haben, besteht unsere nächste Aufgabe darin, sie nach erfolgreichem Abschluss an uns zu binden. Unser künftiges Ziel wird sein, die qualitativ hochwertig ausgebildeten Fachkräfte für die Tiergesundheit und den Verbraucherschutz des Landes zu begeistern, denn wenn sie erst einmal in die Industrie abgewandert sind, kommen sie leider nicht mehr zurück. Dies ist ein weiterer, über das Azubi-Marketing hinausgehender Weg auf unserer Marketingleiter.“

Entnommen aus MTA Dialog 9/2020

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