Aktionstag Erholsamer Schlaf

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Aktionstag Erholsamer Schlaf
Aktionstag Erholsamer Schlaf 9nong, stock.adobe.com
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Die Nachricht von Philips* zu Gesundheitsrisiken bei Schlaf- und Atemtherapiegeräten fiel ausgerechnet in die Zeit vor dem „Aktionstag Erholsamer Schlaf“, den die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) e. V. am 21. Juni 2021 begeht.

Mit dem DGSM-Aktionstag will die Gesellschaft kontinuierlich auf die immense Bedeutung von Schlaf für unsere Gesundheit aufmerksam machen und für das Thema sensibilisieren. „Die COVID-19-Pandemie hat Auswirkungen auf unseren Schlaf“, weiß Prof. Dr. phil. Dr. med. Kai Spiegelhalder, Mitglied des DGSM-Vorstands und stellvertretender Abteilungsleiter Psychophysiologie und Schlafmedizin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg, „Die wissenschaftliche Datenlage zu diesem Thema ist zwar insgesamt verbesserungswürdig, die ersten Arbeiten machen aber deutlich, dass bei vielen Menschen die erlebte Qualität des Schlafs im Zusammenhang mit den vielfältigen Belastungen durch die Krise abgenommen hat.“

Diagnose Insomnie

Wenn jemand mindestens einen Monat lang Schwierigkeiten mit dem abendlichen Einschlafen oder mit dem nächtlichen Durchschlafen hat und sich dies negativ auf die Befindlichkeit oder Leistungsfähigkeit am Tag auswirkt, stellen Schlafmedizinerinnen und Schlafmediziner die Diagnose einer Insomnie. Diese Erkrankung ist mit einer Häufigkeit von 5-10 Prozent in Deutschland extrem häufig, hat schwerwiegende individuelle Folgen für die Betroffenen und ist mit hohen Gesundheitskosten für unsere Gesellschaft verbunden, betont die DGSM. Hierbei sei von besonderer Relevanz, dass die Insomnie ein Risikofaktor für psychische Störungen sei. Dies gelte insbesondere für Depressionen und für Angststörungen. So hätten Menschen, die unter einer Insomnie leiden, in den nächsten Jahren ein mehr als doppelt so hohes Risiko, eine Depression oder eine Angststörung zu entwickeln, als Menschen ohne eine Schlafstörung. Auch das Risiko für einen gesundheitsschädigenden Konsum von Alkohol sei bei Menschen mit einer Insomnie erhöht, wobei davon auszugehen sei, dass viele Betroffene Alkohol wegen ihrer Schlafprobleme als Schlafmittel einsetzen, wovon aus schlafmedizinischer Sicht dringend abzuraten sei, so Spiegelhalder. Die Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie sollte laut der Leitlinie Insomnie der DGSM die Behandlung der ersten Wahl für die Schlafstörung sein, wohingegen der Einsatz von Schlafmitteln aufgrund der Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung oder unerwünschter Arzneimittelwirkungen nur eingeschränkt empfohlen wird.

COVID-19 und Schlafstörungen

In einer Untersuchung an 1.733 Patienten, die aufgrund einer COVID-19-Erkrankung in Wuhan im Krankenhaus behandelt wurden und zwischen Januar und März 2020 dieses verlassen konnten, gaben 26% an, sechs Monate nach Entlassung an einer Schlafstörung zu leiden. Die Erfassung der Symptome erfolgte durch direkte Befragung und durch Ausfüllen von Fragebögen. Zu einem noch höheren Anteil, nämlich in 40% der Fälle, wurde eine Insomnie bei einem italienischen Kollektiv festgestellt. Hierbei wurden 402 Patienten untersucht, die eine COVID-19-Erkrankung überstanden hatten. Als besonders stark belastete Subgruppen konnten jüngere Patienten, Frauen und Menschen mit psychiatrischen Vorerkrankungen identifiziert werden. „Ursächlich für die Entwicklung von neurologischen und psychiatrischen Folgen und damit auch der Insomnie werden verschiedene pathophysiologische Mechanismen diskutiert. Zum einen scheint es direkte Effekte der Virusinfektion auf das zentrale Nervensystem zu geben. Hierbei spielt die Veränderung der Blut-Hirnschranke eine entscheiden Rolle. Auch kann die Immunantwort neurologische Veränderungen und auch eine Störung des Tag-Nacht-Rhythmus hervorrufen. Andererseits ist die psychische Belastung durch Stressoren, wie etwa ein Aufenthalt in Isolation auf einer Intensivstation, die Ungewissheit bezüglich des Ausganges der Erkrankung sowie die Angst vor gesundheitlichen Folgeschäden oder sozialen und finanziellen Konsequenzen als Auslöser einer psychischen Anspannungssituation und möglicherweise einer depressiven Verstimmung denkbar. In Folge entwickelt ein Teil der Patienten eine Ein- und/oder Durchschlafstörung“, erklärt Dr. Dora Triché, Mitglied des DGSM-Vorstands und Leiterin des Schlaflabors und der nichtinvasiven Beatmung der Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg. Sie fordert eine noch bessere Unterteilung in Subgruppen für eine bessere Betreuung. Sie geht davon aus, dass Schlafstörungen zu Long-COVID dazu gehören wird.

Globale Chrono-Corona-Umfrage

Die pandemiebedingten sozialen Einschränkungen, die wir in den letzten 14 Monaten erleben mussten, sind ein weltweites soziales „Experiment“. Wie sich die Zeit des Lockdowns insbesondere auf den Schlaf und die damit verbundenen täglichen Abläufe auswirkte, untersuchte eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der LMU München. Zwischen dem 4. April und dem 6. Mai 2020 führten sie eine globale Chrono-Corona-Umfrage durch, bei der 11.431 Erwachsene aus 40 Ländern nach ihrem Schlaf-Wach-Verhalten und verschiedenen Aspekten des Wohlbefindens befragt wurden. Alle Fragen wurden vor und während des Lockdown separat gestellt. Die endgültige Stichprobe bestand aus 7.517 Befragten (68,2% Frauen), die im Durchschnitt knapp 33 Tage im Lockdown waren. Es konnte festgestellt werden, dass die sozialen Einschränkungen tiefgreifende Auswirkungen auf das zirkadiane Timing und den Schlaf hatten. „Die Schlafmitte an Arbeitstagen verzögerte sich durchschnittlich um 50 Minuten und an freien Tagen um 22 Minuten. Die Schlafdauer am Arbeitstag wurde um 26 Minuten erhöht und an freien Tagen um 9 Minuten verkürzt“, berichtet Roenneberg.

Sozialer Jetlag nahm ab

Zirkadiane Uhren werden überwiegend von der Sonnenuhr gesteuert und die Diskrepanz zwischen der zirkadianen und der sozialen Uhr wird als sozialer Jetlag bezeichnet. Dieser nahm laut der Studie während des Lockdown um rund 30 min ab. Bei den meisten Menschen näherten sich die Schlaf-Wach-Zeiten während der sozialen Einschränkungen denen vorm Lockdown an. Änderungen der Schlafdauer und des sozialen Jetlags wurden beeinflusst von der Verwendung von Weckern im Lockdown und waren bei jungen Erwachsenen größer. Der Aufenthalt im Freien und die damit verbundene Lichtexposition reduzierte sich infolge der sozialen Einschränkungen bei den Studienteilnehmern um 50% (2,35 h auf 1,13 h), was sich auf das Schlaf-Wach-Verhalten und verschiedene Aspekte des Wohlbefindens auswirkte. „Das schließt selbstbewertete Schlafqualität, Lebensqualität, körperliche Aktivität, Produktivität und Bildschirmzeit ein, wobei längere Bildschirmzeit eindeutig als schlechter angesehen wurde“, erklärt Roenneberg.

„Unsere Ergebnisse deuten auf ein massives Schlafdefizit unter sozialem Zeitdruck vor der Pandemie hin, geben Aufschluss über den tatsächlichen Schlafbedarf verschiedener Altersgruppen und legen nahe, dass ein sozialer Jetlag bis 20 min toleriert wird. Ein entspannterer sozialer Zeitdruck fördert somit mehr Schlaf, weniger sozialen Jetlag und eine geringere Nutzung des Weckers. Lockdown-bedingte Veränderungen des Wohlbefindens werden durch Sonnenlichtexposition im Freien beeinflusst, sodass mehr Zeit bei Tageslicht zu einer höheren psychischen (z. B. subjektiven Lebensqualität) und körperlichen (z. B. körperliche Aktivität und Schlafqualität) Belastbarkeit beitragen kann“, fasst Prof. Roenneberg zusammen. Der Chronoexperte kann deshalb Regelungen wie Homeoffice viel Positives abgewinnen. Es gebe in der Pandemie auch die Chance für Neues und Menschen könnten eher in ihrem individuellen Schlaffenster schlafen. 

Auswirkungen auf das Immunsystem

Ein ausreichender und erholsamer Schlaf habe einen positiven Effekt auf das Immunsystem, könne vielleicht sogar Infekten vorbeugen und könne dienlich für die Genesung sein. Man nehme an, dass der Schlaf wesentlich dafür verantwortlich ist, ein Gleichgewicht von während des Wachens anfallenden Entzündungsmediatoren wiederherzustellen und bestimmte Funktionen des Immunsystems in Gang zu setzen, die für die Abwehr eines Infektes notwendig sind, erläutert Dr. med. Anna Heidbreder, Mitglied des DGSM-Vorstands und Oberärztin in der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck. Schlaf sei somit für das Immunsystem keineswegs ein passiver Zustand, sondern das Gehirn und Körper seien hoch aktiv während dieses besonderen Zustands. Es sei bereits gut bekannt, dass Schlafmangel einen negativen Einfluss auf das Immunsystem habe und das Risiko von Infektionen erhöhe. In ersten Untersuchungen zu COVID-19 hätten Betroffene mit einem schweren COVID-19-Verlauf häufiger bereits schwerwiegendere Schlafstörungen auch schon vor der Erkrankung gehabt.

Impfung und Schlaf

Bei einer Impfung soll bewusst eine Immunreaktion ausgelöst werden. Bisher gibt es nur wenige Studien, die den Zusammenhang von Schlaf, Immunreaktion und die Wirkung von Impfungen im Zusammenhang von Schlaf untersucht haben. Diese Studien zeigen bisher keine eindeutigen Befunde und sind möglicherweise auch in Abhängigkeit der spezifischen Impfung unterschiedlich. Der Schlaf kann in der ersten Nacht nach einer Impfung beeinträchtigt sein. Bei Untersuchungen von gesunden Probanden, die eine Hepatitis A bzw. eine Impfung gegen das Influenza A-Virus bekommen hatten, konnte gezeigt werden, dass diese Schlafstörungen jedoch nur sehr mild ausgeprägt waren. Andererseits konnte aber nachgewiesen werden, dass die Intensität von Tiefschlaf nach einer Impfung Einfluss auf die Zahl der gebildeten Antikörper hatte. Die Mechanismen, die hierbei eine Rolle spielen, sind sehr komplex und das Wissen der Zusammenhänge wächst.

„Zunehmend klar wird, dass Schlaf auch eine wichtige Rolle in der Immunantwort nach einer Impfung hat. Ob diese Daten auf eine Corona-Impfung übertragbar sind, ist bisher zwar nicht bestätigt, aber sehr gut möglich. Sicher ist, dass man vor und nach einer Impfung aktiv auf einen ausreichenden und erholsamen Nachtschlaf achten sollte. Schlafhygienische Maßnahmen sind deshalb nicht nur ein wichtiges Instrument für eine möglicherweise bessere Wirksamkeit einer Impfung, sondern tragen auch allgemein zu einer verbesserten Immunabwehr bei“, betont Heidbreder. Sie halte deshalb nichts von Impfungen in der Nacht. Das mache am Tag Sinn.

*https://www.mta-dialog.de/artikel/moegliche-gesundheitsrisiken-bei-schlaf-und-atemtherapiegeraeten.html

Quelle: DGSM

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