Adipositas: Leitlinienrecherchen liefern gute Basis für Disease-Management-Programm

IQWiG-Abschlussberichte liegen vor
ab
Grundlage für die Entwicklung eines neuen Disease-Management-Programms liegt vor.
24 Prozent der Erwachsenen sowie etwa sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen sind adipös. © Ljupco Smokovski/stock.adobe.com
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Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) die medizinischen Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung von Adipositas recherchiert und bewertet – einmal für Erwachsene und einmal für Kinder und Jugendliche. Die nun vorliegenden abschließenden Arbeitsergebnisse dienen dem G-BA als wissenschaftliche Grundlage für die Entwicklung eines neuen Disease-Management-Programms (DMP) Adipositas.

Das Institut hat zwei Abschlussberichte als wissenschaftliche Grundlage für die Entwicklung eines neuen Chronikerprogramms Adipositas veröffentlicht. Für die Leitliniensynopse „Adipositas – Erwachsene“ wertete das Institut die Empfehlungen aus 25 aktuellen medizinischen Leitlinien aus. Zu all denjenigen Versorgungsaspekten, die üblicherweise in den Richtlinienvorgaben des G-BA zu DMPs beschrieben werden, identifizierte das IQWiG dabei potenziell DMP-relevante Inhalte. In die Leitliniensynopse „Adipositas – Kinder und Jugendliche“ flossen die Empfehlungen aus sechs aktuellen medizinischen Leitlinien ein. Auch hier konnte das IQWiG zu fast allen Versorgungsaspekten potenziell DMP-relevante Inhalte identifizieren.

24 Prozent der Erwachsenen stark übergewichtig

Krankhaftes Übergewicht (Adipositas) bedeutet, dass der Fettanteil im Körper übermäßig hoch ist. Eine Adipositas erhöht das Risiko für verschiedene chronische Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes mellitus Typ 2, Erkrankungen des Bewegungsapparats oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu den Faktoren, die zu Übergewicht führen können, gehören unter anderem die Ernährung und der Lebensstil, die genetische Veranlagung, bestimmte Krankheiten sowie psychologische und soziale Faktoren. Auch bestimmte Medikamente können eine Gewichtszunahme bewirken. Nach Daten des Robert Koch-Instituts sind in Deutschland etwa 24 Prozent der Erwachsenen (Studie aus 2013) sowie etwa sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen (Studie aus 2018) adipös.

Wissenschaftliche Grundlage für DMP Adipositas

DMPs sind strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch Kranke, die auf den Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin (EbM) beruhen. Patientinnen und Patienten mit bestimmten chronischen Krankheiten können sich in ein DMP einschreiben und erhalten dann eine zwischen den Leistungserbringern abgestimmte leitliniengerechte Versorgung. Für die Behandlung von krankhaftem Übergewicht gibt es in Deutschland noch kein DMP.

25 Leitlinien gesichtet

Als wissenschaftliche Grundlage für die Entwicklung eines neuen „DMP Adipositas“ hat das IQWiG alle infrage kommenden nationalen und internationalen medizinischen Leitlinien gesichtet. Bei den Erwachsenen erwiesen sich 25 Leitlinien als für die Fragestellung relevant. Die umfassende deutsche S3-Leitlinie zum Thema („Adipositas – Prävention und Therapie“) konnte allerdings nicht in die Bewertung einbezogen werden, weil sie aus dem Jahr 2014 stammt und dementsprechend nicht mehr den aktuellen Versorgungsstandard abbildet. Wann die federführende Fachgesellschaft, die Deutsche Adipositas Gesellschaft, die bereits begonnene Überarbeitung der Leitlinie abschließt, ist offen. Bei den Kindern und Jugendlichen erwiesen sich sechs Leitlinien als für die Fragestellung relevant.

Behandlungsempfehlungen analysiert

Das IQWiG hat sämtliche in den eingeschlossenen Leitlinien enthaltenen Behandlungsempfehlungen analysiert und jenen bewährten Versorgungsaspekten zugeordnet, die üblicherweise in den Richtlinienvorgaben des G-BA zu DMPs beschrieben werden. Dazu zählen Diagnostik, Therapieziele, allgemeine Grundsätze der Therapie, therapeutische Maßnahmen, Kooperation der Versorgungssektoren, Langzeitbetreuung und Schulungen.

DMP-relevante Inhalte identifiziert

Anschließend bewertete das Institut die identifizierten und zugeordneten Empfehlungen in Hinblick auf ihre DMP-Relevanz. Ergebnis: Sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche konnte das Projektteam zu (fast) allen Versorgungsaspekten potenziell DMP-relevante Inhalte identifizieren. Einzig zu den Aspekten „Therapieziele“, „digitale medizinische Anwendungen“ und „Schulungen“ fanden sich für die Behandlung adipöser Kinder und Jugendlicher keine relevanten Empfehlungen in den eingeschlossenen Leitlinien.

Zum Ablauf der Berichterstellung

Der G-BA hat das IQWiG im August 2021 mit den Leitliniensynopsen „Adipositas – Erwachsene“ und „Adipositas – Kinder und Jugendliche“ beauftragt. Die vorläufigen Ergebnisse, die Vorberichte, veröffentlichte das IQWiG im April und Mai 2022 und stellte sie zur Diskussion. Nach Ende des Stellungnahmeverfahrens wurden die Berichte überarbeitet und im August 2022 als Abschlussberichte an den Auftraggeber versandt. Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen zu den Vorberichten werden in eigenen Dokumenten zeitgleich mit den Abschlussberichten publiziert. In die Bearbeitung der Projekte hat das Institut externe Sachverständige eingebunden.

G-BA: Entscheidung bis 31. Juli 2023

Auf Basis der IQWiG-Berichte zum Stand der medizinischen Erkenntnisse zur Diagnostik und Therapie von Adipositas wird der G-BA nun die Anforderungen an ein strukturiertes Behandlungsprogramm (DMP) beraten, heißt es in einer aktuellen Erklärung. In dem DMP sollen die Patientinnen und Patienten leitliniengerecht und einrichtungsübergreifend behandelt und im Umgang mit der Adipositas unterstützt werden, so der G-BA.  Denn das derzeitige Versorgungsangebot ist unzureichend. Die detaillierten Anforderungen an das DMP Adipositas sollen bis zum 31. Juli 2023 beschlossen werden. 

Body-Mass-Index greift zu kurz

Karin Maag, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des beschlussvorbereitenden Unterausschusses hierzu: „Wie erhofft gibt es wissenschaftlich belastbare Leitlinienempfehlungen zur Diagnostik einer Adipositas, zur Abgrenzung der Schweregrade und der Behandlung: sowohl für Kinder und Jugendliche, als auch für Erwachsene. Eine der großen Herausforderungen für die weiteren Beratungen wird es nun sein, den genauen Kreis der Versicherten zu definieren, die von einem DMP profitieren würden. Denn die Berichte des IQWiG zeigen, dass ein reines Abstellen auf den Body-Mass-Index zu kurz greifen würde.“

Originalpublikation:
https://www.iqwig.de/projekte/v21-05.html
https://www.iqwig.de/projekte/v21-07.html

Quellen: IQWiG, G-BA

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